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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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die um die Erlaubniß baten, alles, was in der Gegend katholisch war, umzu¬
bringen. Er beruhigte ihre Leidenschaften und hieß sie des Bibclworts ein¬
gedenk sein, nach welchem sie die, welche ihnen Böses gethan, segnen, und für
die, welche sie verfolgt, beten sollten. Niemals hat Friedrich sich damals her¬
beigelassen, sich der Religion als einer Angriffswaffe zu bedienen.

Anders lagen die Dinge zur Zeit des siebenjährigen Krieges. Wie dieser
von dem Könige von Anfang bis zu Ende nur zur Abwehr feindlicher Ver¬
gewaltigung geführt wurde, so waren auch, wie oben gezeigt, die re¬
ligiösen Stimmungen der Protestanten während desselben nichts weniger als
aggressiv.. Vielmehr handelte es sich auch ihnen nur um Vertheidigung gegen
Gefahren, von denen man sich bedroht zu halten Ursache hatte. Hätte Friedrich
diese Befürchtungen, ohne sie zu theilen, in einem Kampfe um seine und seines
Landes Existenz, wie er jetzt gekämpft wurde, auszubeuten versucht, so würde
ihn schwerlich ein Billigdenkender darüber tadeln. Aber in Wahrheit verhielt
es sich ganz anders. Peru Friedrich war weit entfernt, die religiöse Erregt¬
heit der Gemüther nur als ein ihm völlig Fremdes, aber Nützliches in seinen
politischen Calcul aufzunehmen, sondern die Gefahren, die gegen den Protestan¬
tismus heranzogen, gingen ihm persönlich zu Herzen. Wie frei er auch über
das Dogma dachte, wie verächtlich ihm der orthodoxe Hokuspokus vorkam,
den Werth der Reformation und das eigentliche Wesen des Protestantismus
wußte er sehr wohl zu schätzen. Wem das nicht schon aus der ganzen Natur
und Denkart des großen Königs klar ist, der findet den Beweis dafür in seiner
Abhandlung "ve 1a suxerstitio" et Ah 1a religion" und namentlich im dritten
Artikel demselben (Oeuvres I. 204 ff.). Welche Fortschritte der menschliche
Geist direct und irrdirect der Reformation verdankt, wie sie anregend auch auf
die katholische Kirche zurückgewirkt hat. welche Vortheile Ar die geistige Freiheit
gerade das Nebeneinanderbestehen mehrer Bekenntnisse bietet, diese und ähnliche
Fragen bespricht er hier nicht in frivol spottenden Tone, sondern mit einem
Ernst und einer Unbefangenheit, die seinem historischen Sinne alle Ehre macht.
Ein anderer Beweis liegt in der Haltung, welche der König während des
siebenjährigen Krieges gewissen Friedensprojecten gegenüber einnahm, als ihm
dieselben vorgelegt wurden. So erzählt Bartelmeß. in seiner "llistoire Mio-
soMhue as 1'ac^äemie ac krusse", als dem Könige aus der Mitte der
Akademie die Idee eines Arrangements entgegengebracht worden, welches daraus
hinaufgelaufen sei, auf Schlesien als den eigentlichen Gegenstand des Streites
zu verzichten und dafür die polnische Kryne zu nehmen, habe Friedrich diesen
Plan schon deshalb für unausführbar erklärt, weil er. obgleich ein schlechter
Protestant, sich doch nie zu dem hierbei nothwendigen Religionswechsel verstehen
WÜr.d^e. In diesem Punkte dachte er also ebenso streng als sein Vorfahr, der
große Kurfürst, der einst eine ähnliche Aussicht, aus demselben Grunde ver-


die um die Erlaubniß baten, alles, was in der Gegend katholisch war, umzu¬
bringen. Er beruhigte ihre Leidenschaften und hieß sie des Bibclworts ein¬
gedenk sein, nach welchem sie die, welche ihnen Böses gethan, segnen, und für
die, welche sie verfolgt, beten sollten. Niemals hat Friedrich sich damals her¬
beigelassen, sich der Religion als einer Angriffswaffe zu bedienen.

Anders lagen die Dinge zur Zeit des siebenjährigen Krieges. Wie dieser
von dem Könige von Anfang bis zu Ende nur zur Abwehr feindlicher Ver¬
gewaltigung geführt wurde, so waren auch, wie oben gezeigt, die re¬
ligiösen Stimmungen der Protestanten während desselben nichts weniger als
aggressiv.. Vielmehr handelte es sich auch ihnen nur um Vertheidigung gegen
Gefahren, von denen man sich bedroht zu halten Ursache hatte. Hätte Friedrich
diese Befürchtungen, ohne sie zu theilen, in einem Kampfe um seine und seines
Landes Existenz, wie er jetzt gekämpft wurde, auszubeuten versucht, so würde
ihn schwerlich ein Billigdenkender darüber tadeln. Aber in Wahrheit verhielt
es sich ganz anders. Peru Friedrich war weit entfernt, die religiöse Erregt¬
heit der Gemüther nur als ein ihm völlig Fremdes, aber Nützliches in seinen
politischen Calcul aufzunehmen, sondern die Gefahren, die gegen den Protestan¬
tismus heranzogen, gingen ihm persönlich zu Herzen. Wie frei er auch über
das Dogma dachte, wie verächtlich ihm der orthodoxe Hokuspokus vorkam,
den Werth der Reformation und das eigentliche Wesen des Protestantismus
wußte er sehr wohl zu schätzen. Wem das nicht schon aus der ganzen Natur
und Denkart des großen Königs klar ist, der findet den Beweis dafür in seiner
Abhandlung „ve 1a suxerstitio» et Ah 1a religion" und namentlich im dritten
Artikel demselben (Oeuvres I. 204 ff.). Welche Fortschritte der menschliche
Geist direct und irrdirect der Reformation verdankt, wie sie anregend auch auf
die katholische Kirche zurückgewirkt hat. welche Vortheile Ar die geistige Freiheit
gerade das Nebeneinanderbestehen mehrer Bekenntnisse bietet, diese und ähnliche
Fragen bespricht er hier nicht in frivol spottenden Tone, sondern mit einem
Ernst und einer Unbefangenheit, die seinem historischen Sinne alle Ehre macht.
Ein anderer Beweis liegt in der Haltung, welche der König während des
siebenjährigen Krieges gewissen Friedensprojecten gegenüber einnahm, als ihm
dieselben vorgelegt wurden. So erzählt Bartelmeß. in seiner „llistoire Mio-
soMhue as 1'ac^äemie ac krusse", als dem Könige aus der Mitte der
Akademie die Idee eines Arrangements entgegengebracht worden, welches daraus
hinaufgelaufen sei, auf Schlesien als den eigentlichen Gegenstand des Streites
zu verzichten und dafür die polnische Kryne zu nehmen, habe Friedrich diesen
Plan schon deshalb für unausführbar erklärt, weil er. obgleich ein schlechter
Protestant, sich doch nie zu dem hierbei nothwendigen Religionswechsel verstehen
WÜr.d^e. In diesem Punkte dachte er also ebenso streng als sein Vorfahr, der
große Kurfürst, der einst eine ähnliche Aussicht, aus demselben Grunde ver-


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[0082] die um die Erlaubniß baten, alles, was in der Gegend katholisch war, umzu¬ bringen. Er beruhigte ihre Leidenschaften und hieß sie des Bibclworts ein¬ gedenk sein, nach welchem sie die, welche ihnen Böses gethan, segnen, und für die, welche sie verfolgt, beten sollten. Niemals hat Friedrich sich damals her¬ beigelassen, sich der Religion als einer Angriffswaffe zu bedienen. Anders lagen die Dinge zur Zeit des siebenjährigen Krieges. Wie dieser von dem Könige von Anfang bis zu Ende nur zur Abwehr feindlicher Ver¬ gewaltigung geführt wurde, so waren auch, wie oben gezeigt, die re¬ ligiösen Stimmungen der Protestanten während desselben nichts weniger als aggressiv.. Vielmehr handelte es sich auch ihnen nur um Vertheidigung gegen Gefahren, von denen man sich bedroht zu halten Ursache hatte. Hätte Friedrich diese Befürchtungen, ohne sie zu theilen, in einem Kampfe um seine und seines Landes Existenz, wie er jetzt gekämpft wurde, auszubeuten versucht, so würde ihn schwerlich ein Billigdenkender darüber tadeln. Aber in Wahrheit verhielt es sich ganz anders. Peru Friedrich war weit entfernt, die religiöse Erregt¬ heit der Gemüther nur als ein ihm völlig Fremdes, aber Nützliches in seinen politischen Calcul aufzunehmen, sondern die Gefahren, die gegen den Protestan¬ tismus heranzogen, gingen ihm persönlich zu Herzen. Wie frei er auch über das Dogma dachte, wie verächtlich ihm der orthodoxe Hokuspokus vorkam, den Werth der Reformation und das eigentliche Wesen des Protestantismus wußte er sehr wohl zu schätzen. Wem das nicht schon aus der ganzen Natur und Denkart des großen Königs klar ist, der findet den Beweis dafür in seiner Abhandlung „ve 1a suxerstitio» et Ah 1a religion" und namentlich im dritten Artikel demselben (Oeuvres I. 204 ff.). Welche Fortschritte der menschliche Geist direct und irrdirect der Reformation verdankt, wie sie anregend auch auf die katholische Kirche zurückgewirkt hat. welche Vortheile Ar die geistige Freiheit gerade das Nebeneinanderbestehen mehrer Bekenntnisse bietet, diese und ähnliche Fragen bespricht er hier nicht in frivol spottenden Tone, sondern mit einem Ernst und einer Unbefangenheit, die seinem historischen Sinne alle Ehre macht. Ein anderer Beweis liegt in der Haltung, welche der König während des siebenjährigen Krieges gewissen Friedensprojecten gegenüber einnahm, als ihm dieselben vorgelegt wurden. So erzählt Bartelmeß. in seiner „llistoire Mio- soMhue as 1'ac^äemie ac krusse", als dem Könige aus der Mitte der Akademie die Idee eines Arrangements entgegengebracht worden, welches daraus hinaufgelaufen sei, auf Schlesien als den eigentlichen Gegenstand des Streites zu verzichten und dafür die polnische Kryne zu nehmen, habe Friedrich diesen Plan schon deshalb für unausführbar erklärt, weil er. obgleich ein schlechter Protestant, sich doch nie zu dem hierbei nothwendigen Religionswechsel verstehen WÜr.d^e. In diesem Punkte dachte er also ebenso streng als sein Vorfahr, der große Kurfürst, der einst eine ähnliche Aussicht, aus demselben Grunde ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/82>, abgerufen am 15.01.2025.