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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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beylegen, für andere tief in die geheimsten Cabinetter der Monarchen sehen zu
können, bemühten sich, jedermann mit vieler Dreistigkeit zu überreden, der
Vorwand der Religion sey nur ein Staatsgnf. ein blinder Lärmen, den die
Preußen bliessen, um die protestantischen Stände in den Harnisch zu jagen
und auf die Weise ihre verlassene Parthey zu verstärken. Dieses Vorgeben fand
desto mehr Beifall, je gemäser es dem Geschmacke unsrer Zeiten war, da man
es zur Mode machen will, von der Religion geringschätzig zu urtheilen. Ja
man wußte es mit vielem Scheine vorzubringen, daß auch viele Geistliche es
für gegründet hielten."

Der Briefschreiber versucht dann ausführlich das Irrthümliche der in Sachsen
verbreiteten Meinung darzuthun, daß die Besorgnisse des protestantischen Volkes
wegen seines Glaubens grundlos seien, und zu zeigen, daß letzterer in seiner Freiheit
durch die katholischen Mächte, die gegen Friedrich in Waffen standen, allerdings
bedroht sei. Auf die Prüfung der zu diesem Zweck vorgebrachten Thatsachen
geht unsre Schrift nicht ein. Es war hier nur zu zeigen < und es ist in der
That gezeigt worden, daß die religiöse Frage vom Beginn des siebenjährigen
Krieges an im Protestantischen Deutschland auf der Tagesordnung stand. Wer
sie also auch immer auf dieselbe gebracht haben mag, er hat damit nichts Will¬
kürliches ersonnen, sondern einer Empfindung Ausdruck gegeben, welche in der
Situation tief begründet war und in Tausenden schlummerte.

In welchem Verhältniß aber stand Friedrich der Große zu dieser allgemeinen
religiösen Erregung der Gemüther? Die Antwort lautet: nichts lag seiner Natur
von Hause aus ferner als die Entfesselung religiöser Leidenschaften zum Zwecke
Polnischer Erfolge. In seinem "Amel-Machiavel" d. h. in der ursprünglichen,
nicht von Voltaire verkürzten Fassung dieses Buchs, wie sie jetzt in der neuesten
Ausgabe der "Oeuvres 6s ?r6ä6rie le Vi-anÄ" vorliegt, spricht er sich darüber
sehr entschieden aus, und den hier niedergelegten Grundsätzen ist er zur Zeit
des ersten und zweiten schlesischen Krieges trotz mancher Verlockung zum Gegen¬
theil durchaus treu geblieben. Gern hätte ihn die Stimmung der Protestanten
Schlesiens in die Wege Gustav Adolfs einlenken sehen, aber geflissentlich ver¬
mied er, seinem Thun in diesen Kriegen religiöse Motive unterzuschieben, ja
er ließ damals einer solchen Auffassung, wo sie trotzdem sich geltend machte,
mit aller Bestimmtheit entgegentreten. Und dieser Haltung entsprach die Behand¬
lung, die der König dem eroberten Lande zu Theil werden ließ: er befreite die
Protestantische Bevölkerung von dem Drucke, unter dem sie bis jetzt gelitten hatte,
und gab ihr das Recht, sich aus eignen Mitteln ihre kirchlichen Einrichtungen
zu gestalten. Weiter ging er nicht, und wo der Eifer seiner Anhänger ihn
über diese Linie hinauszudrängen suchte, wo Entfesselung des religiösen Fanatis¬
mus drohte, leistete er entschiedenen Widerstand. Als er z. B. nach der Schlacht
bei Hohenfriedberg in Landshut eintraf, umringten ihn eine Masse von Bauern,


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beylegen, für andere tief in die geheimsten Cabinetter der Monarchen sehen zu
können, bemühten sich, jedermann mit vieler Dreistigkeit zu überreden, der
Vorwand der Religion sey nur ein Staatsgnf. ein blinder Lärmen, den die
Preußen bliessen, um die protestantischen Stände in den Harnisch zu jagen
und auf die Weise ihre verlassene Parthey zu verstärken. Dieses Vorgeben fand
desto mehr Beifall, je gemäser es dem Geschmacke unsrer Zeiten war, da man
es zur Mode machen will, von der Religion geringschätzig zu urtheilen. Ja
man wußte es mit vielem Scheine vorzubringen, daß auch viele Geistliche es
für gegründet hielten."

Der Briefschreiber versucht dann ausführlich das Irrthümliche der in Sachsen
verbreiteten Meinung darzuthun, daß die Besorgnisse des protestantischen Volkes
wegen seines Glaubens grundlos seien, und zu zeigen, daß letzterer in seiner Freiheit
durch die katholischen Mächte, die gegen Friedrich in Waffen standen, allerdings
bedroht sei. Auf die Prüfung der zu diesem Zweck vorgebrachten Thatsachen
geht unsre Schrift nicht ein. Es war hier nur zu zeigen < und es ist in der
That gezeigt worden, daß die religiöse Frage vom Beginn des siebenjährigen
Krieges an im Protestantischen Deutschland auf der Tagesordnung stand. Wer
sie also auch immer auf dieselbe gebracht haben mag, er hat damit nichts Will¬
kürliches ersonnen, sondern einer Empfindung Ausdruck gegeben, welche in der
Situation tief begründet war und in Tausenden schlummerte.

In welchem Verhältniß aber stand Friedrich der Große zu dieser allgemeinen
religiösen Erregung der Gemüther? Die Antwort lautet: nichts lag seiner Natur
von Hause aus ferner als die Entfesselung religiöser Leidenschaften zum Zwecke
Polnischer Erfolge. In seinem „Amel-Machiavel" d. h. in der ursprünglichen,
nicht von Voltaire verkürzten Fassung dieses Buchs, wie sie jetzt in der neuesten
Ausgabe der „Oeuvres 6s ?r6ä6rie le Vi-anÄ" vorliegt, spricht er sich darüber
sehr entschieden aus, und den hier niedergelegten Grundsätzen ist er zur Zeit
des ersten und zweiten schlesischen Krieges trotz mancher Verlockung zum Gegen¬
theil durchaus treu geblieben. Gern hätte ihn die Stimmung der Protestanten
Schlesiens in die Wege Gustav Adolfs einlenken sehen, aber geflissentlich ver¬
mied er, seinem Thun in diesen Kriegen religiöse Motive unterzuschieben, ja
er ließ damals einer solchen Auffassung, wo sie trotzdem sich geltend machte,
mit aller Bestimmtheit entgegentreten. Und dieser Haltung entsprach die Behand¬
lung, die der König dem eroberten Lande zu Theil werden ließ: er befreite die
Protestantische Bevölkerung von dem Drucke, unter dem sie bis jetzt gelitten hatte,
und gab ihr das Recht, sich aus eignen Mitteln ihre kirchlichen Einrichtungen
zu gestalten. Weiter ging er nicht, und wo der Eifer seiner Anhänger ihn
über diese Linie hinauszudrängen suchte, wo Entfesselung des religiösen Fanatis¬
mus drohte, leistete er entschiedenen Widerstand. Als er z. B. nach der Schlacht
bei Hohenfriedberg in Landshut eintraf, umringten ihn eine Masse von Bauern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/81>, abgerufen am 15.01.2025.