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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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schmäht hatte, während die Nachbarfürsten in Sachse" ohne Besinnen für den
Polnischen Königstitel ihren Glauben abschwuren.

"Wer hat nun," fragt unsre Schrift, "bei solchen Ueberzeugungen und
Grundsätzen des Königs ein Recht zu behaupten, es sei ihm nicht Ernst gewe¬
sen mit seinen Sorgen um die Erhaltung des Protestantismus, wie er sie na¬
mentlich in den vertraulichen Briefen an die Markgräfin von Bayreuth laut
werden läßt, also in Augenblicken, wo er wahrlich am wenigsten Anlaß hatte.
Empfindungen zu heucheln, die nicht wirklich in ihm lebten? Und hatte es
denn nicht volle Wahrheit, was er ihr am 13. Juli 1757 nach der Schlacht
bei Collin schrieb? "Lota, voici 1a 1idert6 ac 1'^IIkiliaZnö se esllg as estte
cause Protestant", pour layuellö on g, tant vers6 6" sauZ,
pong. egg cieux Zrauäs int^roth su se la onss est si kort", pu'un mal-
IrsureuLö <Mart ä'Ireurs psut ^datur xour ^jamais äans la t/rau-
vique äoiniuativll ac la maison ä'^utrioliL." Und weil er sich von dem kirch¬
lichen Dogma emancipirt hatte, sollte es ihm nicht zugestanden haben, diese
Wahrheit auszusprechen und zu empfinden?"

Daß die Gestalt, in der diese Empfindungen in jenen Flugschriften vor
das Publikum traten, die des Angriffs gegen die feindliche Macht, gegen das
römische System war, lag theils in der eignen streitbaren Natur des Königs,
theils in seiner Situation und namentlich in der herausfordernden Haltung
Papst Clemens des Dreizehnter. Erst als dieser durch die bekannten Schritte
zum heiligen Kriege gegen den ketzerischen König aufgefordert hatte, brach dessen
Zorn und Spott über Rom los und erging*) an d'Argen.s das Verlangen, bei
diesem Federkriege mitzuwirken.

Wie der französische Philosoph diesem Wunsche Friedrichs nachkam, soll
hier kurz angedeutet werden. Er schrieb theils in dem satirischen Tone des
Königs. So in dem Briefe Dauns an den Papst, in welchem der Marschall
sich für den ihm verliehenen geweihten Hut und Degen bedankt und das Ge¬
rücht mittheilt, Friedrich habe zur Neutralisirung der Kraft dieser Geschenke die
Säbel seiner Husaren durch den Bischof von Canterbury weihen lassen; und
so ferner in dem Briefe des östreichischen Feldpredigers, welcher nachweist, daß
der König die Siege bei Liegnitz und Torgau dem Bunde mit dem Teufel
verdanke, den ein Mitarbeiter an der Encyklopädie vermittelt; eine Stelle aus
Locke, diesem "höllischen" Schriftsteller, dient als Beschwörungsformel, und
Zwanzig Stück schlesische Jesuiten werden dem bösen Feind als Preis für seine
Hilfe versprochen. Sodann aber wagte sich d'Argens in den "Briefen eines
Protestantischen Geistlichen" auch auf ein Gebiet, welches von Friedrichs Art



') Im Mai 17S9 in einem Schreiben, worin es heißt: "^Ilons, s,II<eng, uns horas
broekure oontrs I'Illlamö", mit welchem Worte Friedrich oft den Papst bezeichnet.
10*

schmäht hatte, während die Nachbarfürsten in Sachse» ohne Besinnen für den
Polnischen Königstitel ihren Glauben abschwuren.

„Wer hat nun," fragt unsre Schrift, „bei solchen Ueberzeugungen und
Grundsätzen des Königs ein Recht zu behaupten, es sei ihm nicht Ernst gewe¬
sen mit seinen Sorgen um die Erhaltung des Protestantismus, wie er sie na¬
mentlich in den vertraulichen Briefen an die Markgräfin von Bayreuth laut
werden läßt, also in Augenblicken, wo er wahrlich am wenigsten Anlaß hatte.
Empfindungen zu heucheln, die nicht wirklich in ihm lebten? Und hatte es
denn nicht volle Wahrheit, was er ihr am 13. Juli 1757 nach der Schlacht
bei Collin schrieb? „Lota, voici 1a 1idert6 ac 1'^IIkiliaZnö se esllg as estte
cause Protestant«, pour layuellö on g, tant vers6 6« sauZ,
pong. egg cieux Zrauäs int^roth su se la onss est si kort«, pu'un mal-
IrsureuLö <Mart ä'Ireurs psut ^datur xour ^jamais äans la t/rau-
vique äoiniuativll ac la maison ä'^utrioliL." Und weil er sich von dem kirch¬
lichen Dogma emancipirt hatte, sollte es ihm nicht zugestanden haben, diese
Wahrheit auszusprechen und zu empfinden?"

Daß die Gestalt, in der diese Empfindungen in jenen Flugschriften vor
das Publikum traten, die des Angriffs gegen die feindliche Macht, gegen das
römische System war, lag theils in der eignen streitbaren Natur des Königs,
theils in seiner Situation und namentlich in der herausfordernden Haltung
Papst Clemens des Dreizehnter. Erst als dieser durch die bekannten Schritte
zum heiligen Kriege gegen den ketzerischen König aufgefordert hatte, brach dessen
Zorn und Spott über Rom los und erging*) an d'Argen.s das Verlangen, bei
diesem Federkriege mitzuwirken.

Wie der französische Philosoph diesem Wunsche Friedrichs nachkam, soll
hier kurz angedeutet werden. Er schrieb theils in dem satirischen Tone des
Königs. So in dem Briefe Dauns an den Papst, in welchem der Marschall
sich für den ihm verliehenen geweihten Hut und Degen bedankt und das Ge¬
rücht mittheilt, Friedrich habe zur Neutralisirung der Kraft dieser Geschenke die
Säbel seiner Husaren durch den Bischof von Canterbury weihen lassen; und
so ferner in dem Briefe des östreichischen Feldpredigers, welcher nachweist, daß
der König die Siege bei Liegnitz und Torgau dem Bunde mit dem Teufel
verdanke, den ein Mitarbeiter an der Encyklopädie vermittelt; eine Stelle aus
Locke, diesem „höllischen" Schriftsteller, dient als Beschwörungsformel, und
Zwanzig Stück schlesische Jesuiten werden dem bösen Feind als Preis für seine
Hilfe versprochen. Sodann aber wagte sich d'Argens in den „Briefen eines
Protestantischen Geistlichen" auch auf ein Gebiet, welches von Friedrichs Art



') Im Mai 17S9 in einem Schreiben, worin es heißt: „^Ilons, s,II<eng, uns horas
broekure oontrs I'Illlamö", mit welchem Worte Friedrich oft den Papst bezeichnet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/83>, abgerufen am 15.01.2025.