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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Höhe der Ausgaben und die Länge der Präsenzzeit, anderntheils der rechts¬
widrige Bestand. Ersteres ließ sich ermäßigen, ohne den Werth der neuen Ein¬
richtung irgend zu beeinträchtigen, wie der Kriegsminister selber wiederholt
sowohl öffentlich als vertraulich eingestanden hat; und letzterer, der Mangel
der Entstehung, ließ sich ja durch nachträglich eingeholte Zustimmung des Ab-
geordnetenhauses jeden Augenblick gut machen, sobald man einmal in der Sache
einig war. Die Verfassungslücke wurde bekanntlich erst entdeckt, als es galt,
sich gegen die Angriffe des Abgeordnetenhauses auf die Reorganisation aus
Sophismen eine Art scheinrechtlicher Schanze zu bauen. Der lange Kampf
mochte ein gewisses gewohnheitsmäßiges Attachement auch für dieses bloße Ver-
theidigungswerk erzeugt haben, aber besser war es doch, seiner gar nicht zu
bedürfen. Recht behaglich konnte einem ursprünglich biedern und rechtliebenden
Gemüth doch niemals darin werden.

Zu dieser Verbesserung der äußern Lage der Negierung durch den Krieg
kam die andere, ihr gestiegenes europäisches Ansehen. Unter dem Eindruck der
letzten aufregenden Erörterungen in beiden Häusern des Landtags haben Fort¬
schrittsredner und Schriftsteller sichs vergeblich mit dem Nachweis sauer werden
lassen, daß Herr v. Bismarck im Laufe der Schleswig-holsteinischen Verwicklung
doch eigentlich weder Courage noch Consequenz gezeigt habe, so daß man sich
am Ende wohl gar wieder nach den friedlich stillen Tagen des Grafen Bern-
fiorff oder des Baron Schieinitz zurücksehnen sollte, oder aber vorwärts nach
denen des General v. Manteuffel, in welchem dieselben Stimmen uns Herrn
v. Bismarcks präsumtiven Nachfolger vorzustellen lieben. Bis auf Weiteres
steht fest, daß Herrn v. Bismarcks Politik, gleichviel ob mehr durch Glück oder
mehr durch Verdienst, Preußens diplomatischen Credit mindestens ebensosehr
gehoben hat, als die schleswigschen Ereignisse Preußens militärischen Credit.
Diese Politik sieht sich augenblicklich allerdings wieder von wachsenden Schwie¬
rigkeiten umringt, allein sie arbeitet auf jeden Fall rüstig und unausgesetzt
gegen dieselben an. Durch sie sind wir aus der Idylle wieder zum Epos über¬
gegangen. Sie ist nicht unbedingt und einfach national, vielleicht auch nicht
immer gerade sehr loyal, sie leidet an einem noch ungehobener Reste innern
Widerspruchs, ihre Träger sind mitunter mehr als zwiespältig -- aber sie streitet
doch für Preußens Machtstellung in einer Richtung, die mit der eigentlich na¬
tionalen der Hauptsache nach zusammenfällt, und sie ist sich ihrer hohen Auf¬
gaben, wie es scheint, ziemlich klar bewußt. Eben deswegen hat sie im Stillen
längst aufgehört, an dem Hader zwischen Krone und Abgeordnetenhaus ihr
Vergnügen zu finden. Sie begreift die darin liegende Schwächung nach außen
hin; und da im Innern dem Wesen nach erreicht ist, worauf es der Krone
und ihren jetzigen Rathgebern bei Eröffnung des Verfassungskampfes ankam,
da Interesse und Energie sich inzwischen nach außen gekehrt haben, so fangen


Höhe der Ausgaben und die Länge der Präsenzzeit, anderntheils der rechts¬
widrige Bestand. Ersteres ließ sich ermäßigen, ohne den Werth der neuen Ein¬
richtung irgend zu beeinträchtigen, wie der Kriegsminister selber wiederholt
sowohl öffentlich als vertraulich eingestanden hat; und letzterer, der Mangel
der Entstehung, ließ sich ja durch nachträglich eingeholte Zustimmung des Ab-
geordnetenhauses jeden Augenblick gut machen, sobald man einmal in der Sache
einig war. Die Verfassungslücke wurde bekanntlich erst entdeckt, als es galt,
sich gegen die Angriffe des Abgeordnetenhauses auf die Reorganisation aus
Sophismen eine Art scheinrechtlicher Schanze zu bauen. Der lange Kampf
mochte ein gewisses gewohnheitsmäßiges Attachement auch für dieses bloße Ver-
theidigungswerk erzeugt haben, aber besser war es doch, seiner gar nicht zu
bedürfen. Recht behaglich konnte einem ursprünglich biedern und rechtliebenden
Gemüth doch niemals darin werden.

Zu dieser Verbesserung der äußern Lage der Negierung durch den Krieg
kam die andere, ihr gestiegenes europäisches Ansehen. Unter dem Eindruck der
letzten aufregenden Erörterungen in beiden Häusern des Landtags haben Fort¬
schrittsredner und Schriftsteller sichs vergeblich mit dem Nachweis sauer werden
lassen, daß Herr v. Bismarck im Laufe der Schleswig-holsteinischen Verwicklung
doch eigentlich weder Courage noch Consequenz gezeigt habe, so daß man sich
am Ende wohl gar wieder nach den friedlich stillen Tagen des Grafen Bern-
fiorff oder des Baron Schieinitz zurücksehnen sollte, oder aber vorwärts nach
denen des General v. Manteuffel, in welchem dieselben Stimmen uns Herrn
v. Bismarcks präsumtiven Nachfolger vorzustellen lieben. Bis auf Weiteres
steht fest, daß Herrn v. Bismarcks Politik, gleichviel ob mehr durch Glück oder
mehr durch Verdienst, Preußens diplomatischen Credit mindestens ebensosehr
gehoben hat, als die schleswigschen Ereignisse Preußens militärischen Credit.
Diese Politik sieht sich augenblicklich allerdings wieder von wachsenden Schwie¬
rigkeiten umringt, allein sie arbeitet auf jeden Fall rüstig und unausgesetzt
gegen dieselben an. Durch sie sind wir aus der Idylle wieder zum Epos über¬
gegangen. Sie ist nicht unbedingt und einfach national, vielleicht auch nicht
immer gerade sehr loyal, sie leidet an einem noch ungehobener Reste innern
Widerspruchs, ihre Träger sind mitunter mehr als zwiespältig — aber sie streitet
doch für Preußens Machtstellung in einer Richtung, die mit der eigentlich na¬
tionalen der Hauptsache nach zusammenfällt, und sie ist sich ihrer hohen Auf¬
gaben, wie es scheint, ziemlich klar bewußt. Eben deswegen hat sie im Stillen
längst aufgehört, an dem Hader zwischen Krone und Abgeordnetenhaus ihr
Vergnügen zu finden. Sie begreift die darin liegende Schwächung nach außen
hin; und da im Innern dem Wesen nach erreicht ist, worauf es der Krone
und ihren jetzigen Rathgebern bei Eröffnung des Verfassungskampfes ankam,
da Interesse und Energie sich inzwischen nach außen gekehrt haben, so fangen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/8>, abgerufen am 15.01.2025.