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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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den Eindruck einer Scherr Einfachheit macht, welche auch ihre innere Unruhe
und Unsicherheit trefflich zu verbergen weiß und so lange als möglich vermeidet
eine Krisis herbeizuführe". Sie hat sich allerdings gewöhnt, nur für das
Nächste zu sorgen, und die letzten Grundlagen sür eine vornehme Haltung
fehlen ihr, die Ueberzeugung nämlich, daß sie auf den Wegen, welche sie wan¬
delt, sicher fortgehn wird. Aber sie verliert keinen Augenblick das aristokratische
Gefühl, daß die Welt um ihretwillen da ist, und daß sie, wo sie zunickt, zu¬
gleich eine hohe Gunst erweist, welche Dankbarkeit heischt.

Man hat im Innern jetzt Rath geschafft für das nächste Jahr. Da Geld
ohne Einwilligung der Völker nicht mehr zu beschaffen ist, wird man etwa
im nächsten Jahre daran denken, einen andern Reichsrath zusammenzurufen.
Man wird sich das nicht zu schwer machen und sich vor allem dabei nicht über
Unzufriedene ereifern. Man wird in der Stille dafür sorgen, daß der neue Reichs-
rath nicht unbequemer wird, als der alte war. Kein Zweifel, die nöthigen
Bewilligungen werden wieder gemacht werden, um das neue Deficit zudecken,
und in neuen Formen wird die alte aristokratische Methode, Geschäfte zu be¬
handeln, werden die alten Ansprüche auf das Principal über Deutschland eben¬
so gleichmüthig, ruhig, selbstzufrieden arbeiten wie bisher.

Was man auch von solcher Politik halten mag, in der gegenwärtigen Lage
Deutschlands ist ihr Sieg über die Ansprüche Preußens auf die Herzogtümer nicht
aufzuhalten. Wir sind so weit gekommen, daß preußische Landeskinder, Journalisten
und Abgeordnete, von Oestreich*) in Schutz genommen werden, und daß Oestreich
Gelegenheit erhalten hat, sich in Deutschland reichlich alle die Sympathien zu er¬
werben, welche ein Schützer gegen Gewaltthat sich unter allen Umständen ver¬
dient. Es liegt ganz im Wesen der östreichischen Politik, daß sie den gereizten
Forderungen Preußens, die Landesregierung in Schleswig - Holstein zu refor-
miren, artig nachgiebt, man weiß in Wien sehr gut, daß unsere Ansprüche an
die Herzogthümer dadurch auch nicht die geringste Förderung erhalten, und daß
die polizeilichen Kraftäußerungen gegen Journalisten und holsteinische Beamte
nur Schläge in trübes Wasser sind, welche den schlagenden selbst am übelsten
zurichten. In der Hauptsache ist auf eine Nachgiebigkeit -- außer in Neben¬
punkten -- gar nicht mehr zu hoffen, und die Zusammenkunft der Souveräne
in Gastein wird sich gerade so resultatlos erweisen, wie sich frühere persönliche
Unterredungen deutscher Fürsten in schwebenden Geschäften erwiesen haben.

Freilich wenn man den officiösen Federn in Berlin glauben dürfte, wäre
noch eine andere kräftige Lösung der holsteinischen Sache denkbar. Gewisse
schlesische Festungen sind mit neuem Kriegsmaterial versehen, und die darüber
plauderten, sind allerdings in der Lage, ihre Nachrichten aufrecht zu erhalten;



D. Red.
') Nachdem der betreffende Abgeordnete uncrhörtcrwcise bei Halbhuber darum petitiomrt.

den Eindruck einer Scherr Einfachheit macht, welche auch ihre innere Unruhe
und Unsicherheit trefflich zu verbergen weiß und so lange als möglich vermeidet
eine Krisis herbeizuführe». Sie hat sich allerdings gewöhnt, nur für das
Nächste zu sorgen, und die letzten Grundlagen sür eine vornehme Haltung
fehlen ihr, die Ueberzeugung nämlich, daß sie auf den Wegen, welche sie wan¬
delt, sicher fortgehn wird. Aber sie verliert keinen Augenblick das aristokratische
Gefühl, daß die Welt um ihretwillen da ist, und daß sie, wo sie zunickt, zu¬
gleich eine hohe Gunst erweist, welche Dankbarkeit heischt.

Man hat im Innern jetzt Rath geschafft für das nächste Jahr. Da Geld
ohne Einwilligung der Völker nicht mehr zu beschaffen ist, wird man etwa
im nächsten Jahre daran denken, einen andern Reichsrath zusammenzurufen.
Man wird sich das nicht zu schwer machen und sich vor allem dabei nicht über
Unzufriedene ereifern. Man wird in der Stille dafür sorgen, daß der neue Reichs-
rath nicht unbequemer wird, als der alte war. Kein Zweifel, die nöthigen
Bewilligungen werden wieder gemacht werden, um das neue Deficit zudecken,
und in neuen Formen wird die alte aristokratische Methode, Geschäfte zu be¬
handeln, werden die alten Ansprüche auf das Principal über Deutschland eben¬
so gleichmüthig, ruhig, selbstzufrieden arbeiten wie bisher.

Was man auch von solcher Politik halten mag, in der gegenwärtigen Lage
Deutschlands ist ihr Sieg über die Ansprüche Preußens auf die Herzogtümer nicht
aufzuhalten. Wir sind so weit gekommen, daß preußische Landeskinder, Journalisten
und Abgeordnete, von Oestreich*) in Schutz genommen werden, und daß Oestreich
Gelegenheit erhalten hat, sich in Deutschland reichlich alle die Sympathien zu er¬
werben, welche ein Schützer gegen Gewaltthat sich unter allen Umständen ver¬
dient. Es liegt ganz im Wesen der östreichischen Politik, daß sie den gereizten
Forderungen Preußens, die Landesregierung in Schleswig - Holstein zu refor-
miren, artig nachgiebt, man weiß in Wien sehr gut, daß unsere Ansprüche an
die Herzogthümer dadurch auch nicht die geringste Förderung erhalten, und daß
die polizeilichen Kraftäußerungen gegen Journalisten und holsteinische Beamte
nur Schläge in trübes Wasser sind, welche den schlagenden selbst am übelsten
zurichten. In der Hauptsache ist auf eine Nachgiebigkeit — außer in Neben¬
punkten — gar nicht mehr zu hoffen, und die Zusammenkunft der Souveräne
in Gastein wird sich gerade so resultatlos erweisen, wie sich frühere persönliche
Unterredungen deutscher Fürsten in schwebenden Geschäften erwiesen haben.

Freilich wenn man den officiösen Federn in Berlin glauben dürfte, wäre
noch eine andere kräftige Lösung der holsteinischen Sache denkbar. Gewisse
schlesische Festungen sind mit neuem Kriegsmaterial versehen, und die darüber
plauderten, sind allerdings in der Lage, ihre Nachrichten aufrecht zu erhalten;



D. Red.
') Nachdem der betreffende Abgeordnete uncrhörtcrwcise bei Halbhuber darum petitiomrt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/634>, abgerufen am 15.01.2025.