Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Verletzung des Heiligsten betrachteten. Wie es ihnen außerordentlich schwer Aber es war -- der Deutsche liebt ja zu vertrauen, und Vertrauen erweckt Der Ausgang des Fürstencongresses hat gezeigt, daß auch diese geringen Die kühne Initiative Oestreichs hatte den Berg kreisen gemacht, aber die Verletzung des Heiligsten betrachteten. Wie es ihnen außerordentlich schwer Aber es war — der Deutsche liebt ja zu vertrauen, und Vertrauen erweckt Der Ausgang des Fürstencongresses hat gezeigt, daß auch diese geringen Die kühne Initiative Oestreichs hatte den Berg kreisen gemacht, aber die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0601" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284428"/> <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> Verletzung des Heiligsten betrachteten. Wie es ihnen außerordentlich schwer<lb/> fallen mußte, sich auf einen wahrhaft nationalen Standpunkt zu stellen,<lb/> einen Theil ihrer unumschränkten Souveränetät zu Gunsten der Constituirung<lb/> Deutschlands als Gesammtmacht dem Ausland gegenüber in Sequester zu geben,<lb/> sich statt als Häupter ihrer Sonderstaatcn nur als hochgestellte Glieder des<lb/> deutschen Volkes zu fühlen, veraltete Ansprüche aufzugeben und darnach ihre<lb/> Entschlüsse zu positivem Handeln zu fassen, so hatte man sich auch in Betreff<lb/> der etwa der Gesammtvertretung des Volkes zu opfernden Rechte keines beson¬<lb/> ders liberalen Wollens von ihnen zu versehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1729"> Aber es war — der Deutsche liebt ja zu vertrauen, und Vertrauen erweckt<lb/> wieder Vertrauen — es war immerhin möglich, daß eine besonders gesegnete<lb/> Stunde die alten Neigungen und Abneigungen milderte und theilweise über¬<lb/> wand, und wenn man auch nicht gerade auf den plötzlichen Eintritt des von<lb/> den Propheten geweissagten und jetzt von manchen sanguinischen Temperamen¬<lb/> ten erwarteten seligen Zeitalters hoffen durfte, da die Lämmer bei den Wölfen<lb/> wohnen und die Pardel bei den Böcken liegen werden, wo Ephraim nicht mehr<lb/> meidet dem Juda und Juda nicht ist wider Ephraim, so konnte bei einiger<lb/> Wirkung der angeordneten Gebete um Erleuchtung von oben wenigstens das<lb/> Eine und das Andere geschaffen werden, was nicht zu verschmähen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1730"> Der Ausgang des Fürstencongresses hat gezeigt, daß auch diese geringen<lb/> Erwartungen sich auf Illusionen gründeten. Auch Oestreich vermochte, wie viel<lb/> es galt, wie sehr es sich anstrengte und wie wenig Opfer es seinen hohen<lb/> Mitverbündeten zumuthete, die alten Traditionen, die in den letzteren lebten,<lb/> nicht soweit zu überwinden, daß es sich zu Danke verpflichtet gefühlt hätte.<lb/> Und was die Ansprüche des deutschen Volkes auf Beachtung seiner Klagen und<lb/> Wünsche betrifft, so trug die Reformacte, das Endergebniß von zehn Sitzungen<lb/> voll ungewohnter Bemühungen, denselben in so mäßigem Grade Rechnung, daß<lb/> sie sofort nach ihrem Bekanntwerden von der öffentlichen Meinung fast allent¬<lb/> halben verworfen wurde und wenige Wochen daraus beinahe vergessen war.<lb/> In der That, wir fürchten, daß die sechsunddreißig Artikel dieses Actenstücks<lb/> noch weniger in der Erinnerung des deutschen Publikums haften geblieben sind,<lb/> als die siebenundzwanzig Artikel eines gleichzeitig von der Presse als wichtig<lb/> mitgetheilten Actenstücks, welches die Arbeiten sinniger Kochkünstler für das<lb/> große Diner aufzählte, mit dem die Gastfreundschaft des frankfurter Senats<lb/> die Mitglieder des Fürstencongresses am Tage nach dessen Eröffnung bewirthete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1731"> Die kühne Initiative Oestreichs hatte den Berg kreisen gemacht, aber die<lb/> erwünschte Geburt war nicht erfolgt. Mißgestimmt, aber um eine Belehrung<lb/> reicher — so dürfen wir aus seinem späteren Verhalten in der Schleswig-hol¬<lb/> steinischen Angelegenheit schließen, welches die ertheilte Lehre mit einer andern<lb/> vergalt — reiste der Kaiser Franz Joseph in seine Hofburg zurück.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0601]
Verletzung des Heiligsten betrachteten. Wie es ihnen außerordentlich schwer
fallen mußte, sich auf einen wahrhaft nationalen Standpunkt zu stellen,
einen Theil ihrer unumschränkten Souveränetät zu Gunsten der Constituirung
Deutschlands als Gesammtmacht dem Ausland gegenüber in Sequester zu geben,
sich statt als Häupter ihrer Sonderstaatcn nur als hochgestellte Glieder des
deutschen Volkes zu fühlen, veraltete Ansprüche aufzugeben und darnach ihre
Entschlüsse zu positivem Handeln zu fassen, so hatte man sich auch in Betreff
der etwa der Gesammtvertretung des Volkes zu opfernden Rechte keines beson¬
ders liberalen Wollens von ihnen zu versehen.
Aber es war — der Deutsche liebt ja zu vertrauen, und Vertrauen erweckt
wieder Vertrauen — es war immerhin möglich, daß eine besonders gesegnete
Stunde die alten Neigungen und Abneigungen milderte und theilweise über¬
wand, und wenn man auch nicht gerade auf den plötzlichen Eintritt des von
den Propheten geweissagten und jetzt von manchen sanguinischen Temperamen¬
ten erwarteten seligen Zeitalters hoffen durfte, da die Lämmer bei den Wölfen
wohnen und die Pardel bei den Böcken liegen werden, wo Ephraim nicht mehr
meidet dem Juda und Juda nicht ist wider Ephraim, so konnte bei einiger
Wirkung der angeordneten Gebete um Erleuchtung von oben wenigstens das
Eine und das Andere geschaffen werden, was nicht zu verschmähen war.
Der Ausgang des Fürstencongresses hat gezeigt, daß auch diese geringen
Erwartungen sich auf Illusionen gründeten. Auch Oestreich vermochte, wie viel
es galt, wie sehr es sich anstrengte und wie wenig Opfer es seinen hohen
Mitverbündeten zumuthete, die alten Traditionen, die in den letzteren lebten,
nicht soweit zu überwinden, daß es sich zu Danke verpflichtet gefühlt hätte.
Und was die Ansprüche des deutschen Volkes auf Beachtung seiner Klagen und
Wünsche betrifft, so trug die Reformacte, das Endergebniß von zehn Sitzungen
voll ungewohnter Bemühungen, denselben in so mäßigem Grade Rechnung, daß
sie sofort nach ihrem Bekanntwerden von der öffentlichen Meinung fast allent¬
halben verworfen wurde und wenige Wochen daraus beinahe vergessen war.
In der That, wir fürchten, daß die sechsunddreißig Artikel dieses Actenstücks
noch weniger in der Erinnerung des deutschen Publikums haften geblieben sind,
als die siebenundzwanzig Artikel eines gleichzeitig von der Presse als wichtig
mitgetheilten Actenstücks, welches die Arbeiten sinniger Kochkünstler für das
große Diner aufzählte, mit dem die Gastfreundschaft des frankfurter Senats
die Mitglieder des Fürstencongresses am Tage nach dessen Eröffnung bewirthete.
Die kühne Initiative Oestreichs hatte den Berg kreisen gemacht, aber die
erwünschte Geburt war nicht erfolgt. Mißgestimmt, aber um eine Belehrung
reicher — so dürfen wir aus seinem späteren Verhalten in der Schleswig-hol¬
steinischen Angelegenheit schließen, welches die ertheilte Lehre mit einer andern
vergalt — reiste der Kaiser Franz Joseph in seine Hofburg zurück.
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