Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Alpstier, Zuchtochs), ebenso derjenige, welcher die letzten Halme schneidet, der I. Grimm. ") "Aus solchen Bräuchen leuchtet die Milde des Alterthums; der Mensch will sich nicht
alles zueignen, was ihm gewachsen ist; dankbar läßt, er einen Theil für die Götter zurück, welche auch serner seine Saat schützen. Die Habsucht nahm zu, als die Opfer aufhörten." Alpstier, Zuchtochs), ebenso derjenige, welcher die letzten Halme schneidet, der I. Grimm. ") „Aus solchen Bräuchen leuchtet die Milde des Alterthums; der Mensch will sich nicht
alles zueignen, was ihm gewachsen ist; dankbar läßt, er einen Theil für die Götter zurück, welche auch serner seine Saat schützen. Die Habsucht nahm zu, als die Opfer aufhörten." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0588" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283941"/> <p xml:id="ID_1697" prev="#ID_1696" next="#ID_1698"> Alpstier, Zuchtochs), ebenso derjenige, welcher die letzten Halme schneidet, der<lb/> Schnittermuchel, oder, je nach der betreffenden Getreideart, der Korn-, Weizen-,<lb/> Gersten-, Hnfcrmuchel (auch Muffel und Michel) oder auch „Stütz" und „Sau".<lb/> Das Häuflein Geschnittenes, weiches bisweilen auf dem Felde zurückgelassen<lb/> wird, damit der Segen des folgenden Jahres nicht ausbleibe, heißt mit bild¬<lb/> licher Anwendung des Verfahrens beim Teigkneter „Hebel" (Sauerteig). Die<lb/> mannigfaltigsten, offenbar am meisten mit mythologischen Beziehungen erfüllten<lb/> Namen erhält die letzte Garbe. „Drei Schnitt es Hämpveli (kleine Hand<lb/> voll), drü Hämpveli e Hampvle, drei Hampvle es Hüfeli, und drü Hüfeli e<lb/> Garb" — das ist sprichwörtlich die Zusammensetzung jeder regelrecht geschaffenen<lb/> Garbe. Wenn nun schließlich statt jener drei oder vier Häuschen nur noch eins<lb/> bis zwei übrigbleiben, so wird diese kleinere Garbe unter Zujauchzen sämmt¬<lb/> licher Schnitter als „Wiege" begrüßt, wobei es nicht an Neckereien und Beglück¬<lb/> wünschungen zwischen Schnittern und Schnitterinnen fehlt. Bisweilen wird<lb/> auch eine solche Wiege dahin gedeutet, daß der Bauer nächstens werde „erfreut",<lb/> d.h. mit einem Nachkommen gesegnet werden. Andere Namen der letzten Garbe<lb/> sind Glücksgarbe. Glückshämpveli, Großmütterli, Rätschvogei. Güggel (Gockel),<lb/> Has, Fuchs. Früher gab man ihr auch wirklich oft Thiergestalt. In ihr liegt<lb/> eine vornehmlich schützende und segnende Kraft geborgen. Traf man während<lb/> des Schneidens Sauerampfer an, so hob man ihn auf und bindet ihn nun<lb/> mit in diese letzte Garbe ein, oder man thut ebendasselbe mit einem Stein und<lb/> glaubt beidemal einen vortrefflichen Talisman zu haben, der das Vieh vor<lb/> verschiedenen Krankheiten bewahre. Zum Gedeihen des Viehes muß auch etwas<lb/> von der letzten Garbe in die Krippe gelegt werden; ganz besonders fett aber<lb/> und milchreich wird es, wenn es am Wcihnachtsmorgen während des „Ein-<lb/> läutens" mit den Aehren der letzten Garbe gefüttert wird. Noch unlängst<lb/> bestand auch da und dort der Brauch, die erste und die letzte Garbe unter dem<lb/> Vordache der Scheune zu befestigen, „damit sie den Vögeln zur Speise dienten"/)<lb/> Bleibt aus Versehen ein Häufchen Getreide auf dem Felde liegen, so geht die<lb/> Rede, eine von den Personen, welche gehänselt haben, müsse „Windeln bereit<lb/> machen". Beim Schneiden der letzten Halme flechten endlich die Schnitter eine<lb/> Kornkrvne, die sie dem Bauer oder der Bäuerin um den Hals werfen, worauf<lb/> sie erst den üblichen Schlußtrunk erhalten. Ueber den Lohn an Geld hinaus<lb/> bekommt der Binder als bevorzugte Ehrenperson zwei Brote, die er an einem<lb/> an beiden Enden zugespitzten Stab auf der Schulter nach Hause trägt;<lb/> oder er erhält statt dessen das Zeug zu einer neuen Zwillichhose. Auch die</p><lb/> <note xml:id="FID_39" place="foot"> ") „Aus solchen Bräuchen leuchtet die Milde des Alterthums; der Mensch will sich nicht<lb/> alles zueignen, was ihm gewachsen ist; dankbar läßt, er einen Theil für die Götter zurück,<lb/> welche auch serner seine Saat schützen. Die Habsucht nahm zu, als die Opfer aufhörten."</note><lb/> <note type="byline"> I. Grimm.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0588]
Alpstier, Zuchtochs), ebenso derjenige, welcher die letzten Halme schneidet, der
Schnittermuchel, oder, je nach der betreffenden Getreideart, der Korn-, Weizen-,
Gersten-, Hnfcrmuchel (auch Muffel und Michel) oder auch „Stütz" und „Sau".
Das Häuflein Geschnittenes, weiches bisweilen auf dem Felde zurückgelassen
wird, damit der Segen des folgenden Jahres nicht ausbleibe, heißt mit bild¬
licher Anwendung des Verfahrens beim Teigkneter „Hebel" (Sauerteig). Die
mannigfaltigsten, offenbar am meisten mit mythologischen Beziehungen erfüllten
Namen erhält die letzte Garbe. „Drei Schnitt es Hämpveli (kleine Hand
voll), drü Hämpveli e Hampvle, drei Hampvle es Hüfeli, und drü Hüfeli e
Garb" — das ist sprichwörtlich die Zusammensetzung jeder regelrecht geschaffenen
Garbe. Wenn nun schließlich statt jener drei oder vier Häuschen nur noch eins
bis zwei übrigbleiben, so wird diese kleinere Garbe unter Zujauchzen sämmt¬
licher Schnitter als „Wiege" begrüßt, wobei es nicht an Neckereien und Beglück¬
wünschungen zwischen Schnittern und Schnitterinnen fehlt. Bisweilen wird
auch eine solche Wiege dahin gedeutet, daß der Bauer nächstens werde „erfreut",
d.h. mit einem Nachkommen gesegnet werden. Andere Namen der letzten Garbe
sind Glücksgarbe. Glückshämpveli, Großmütterli, Rätschvogei. Güggel (Gockel),
Has, Fuchs. Früher gab man ihr auch wirklich oft Thiergestalt. In ihr liegt
eine vornehmlich schützende und segnende Kraft geborgen. Traf man während
des Schneidens Sauerampfer an, so hob man ihn auf und bindet ihn nun
mit in diese letzte Garbe ein, oder man thut ebendasselbe mit einem Stein und
glaubt beidemal einen vortrefflichen Talisman zu haben, der das Vieh vor
verschiedenen Krankheiten bewahre. Zum Gedeihen des Viehes muß auch etwas
von der letzten Garbe in die Krippe gelegt werden; ganz besonders fett aber
und milchreich wird es, wenn es am Wcihnachtsmorgen während des „Ein-
läutens" mit den Aehren der letzten Garbe gefüttert wird. Noch unlängst
bestand auch da und dort der Brauch, die erste und die letzte Garbe unter dem
Vordache der Scheune zu befestigen, „damit sie den Vögeln zur Speise dienten"/)
Bleibt aus Versehen ein Häufchen Getreide auf dem Felde liegen, so geht die
Rede, eine von den Personen, welche gehänselt haben, müsse „Windeln bereit
machen". Beim Schneiden der letzten Halme flechten endlich die Schnitter eine
Kornkrvne, die sie dem Bauer oder der Bäuerin um den Hals werfen, worauf
sie erst den üblichen Schlußtrunk erhalten. Ueber den Lohn an Geld hinaus
bekommt der Binder als bevorzugte Ehrenperson zwei Brote, die er an einem
an beiden Enden zugespitzten Stab auf der Schulter nach Hause trägt;
oder er erhält statt dessen das Zeug zu einer neuen Zwillichhose. Auch die
I. Grimm.
") „Aus solchen Bräuchen leuchtet die Milde des Alterthums; der Mensch will sich nicht
alles zueignen, was ihm gewachsen ist; dankbar läßt, er einen Theil für die Götter zurück,
welche auch serner seine Saat schützen. Die Habsucht nahm zu, als die Opfer aufhörten."
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