Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Korn schlug, so hieß es: "Die Engel fahren über das Feld und segnen es". Das Kornfeld kann auch gebannt werden. Wer z. B. ein fremdes Feld 7g.
Korn schlug, so hieß es: „Die Engel fahren über das Feld und segnen es". Das Kornfeld kann auch gebannt werden. Wer z. B. ein fremdes Feld 7g.
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Korn schlug, so hieß es: „Die Engel fahren über das Feld und segnen es".
Jetzt, zur Erntezeit, „fahren die Schafe über das Korn" oder „der Wolf läuft
durchs Saatfeld, die Sau läuft in der Frucht, die wilden Schweine jagen sich,
der Wind Sanct im Korn, das Korn waltet". Hebt aber ein Wirbel oder
Windstoß bereits ausgebreitetes Getreide unordentlich in die Höhe, daß er eS
„verhadert", so wird er mit dem Zuruf beschworen: „Alte Hexe! werft ihr die
Sichel nach!" Aeltere Leute behaupten noch, solche Sicheln gesehen zu haben,
die Von dem Blute der Windsbrauthexen, nach welchen sie geworfen worden,
rothgefärbt waren. Um die Kinder vom Betreten des Getreides abzuhalten,
warnt man sie vor dem darin lauernden „Kornhansli". Sie wissen indessen
auch noch von dem Wolf, der im Getreide haust; man warnt sie förmlich auch
vor diesem; und ein Nein, den sie zu einem ihrer Fangspiele immer noch
fortsingen, lautet:
Das Kornfeld kann auch gebannt werden. Wer z. B. ein fremdes Feld
zur Nachtzeit betritt, findet leicht den Ausgang nicht mehr, bis ihn der Eigen¬
thümer selbst aus dem Bann befreit. Nur ein Mittel giebt es, sich selber zu
befreien: Der Gebannte muß seinen Nock ausziehn, ihn umgewendet auf den
Boden legen, darauf treten und so vorwärts rutschen, ohne mit seinen Füßen
den Boden zu berühren. — Das Mutterkorn, dieser dunkelviolette, gekrümmte
Kornpilz, heißt Roggenzahn, Roggennägeli und Tüselschrcueli (Teufelskralle).
Mit großer Scheu betrachten die Schnitter die häufig im Getreide wachsende
rothe Kornrade (I^otras MwLo): sie bedeutet ein nahes Sterben im Hause
des Bauers. Dagegen freuen sie sich über das sogenannte Glückshäfeli, ein
pilzartiges kelchförmiges Pflänzchen. So viele Samenkörner es enthält, so
manchen Gulden wird Heuer der Müde Kernen gelten — oder: so manches Tausend
Gulden ist der Acker werth, auf dem es steht. Die Körner selbst heißen Brötchen.
In die Schuhe gelegt, verhelfen sie zu einem glücklichen Fund. Ebenso vor-
bedeutend sind die Schläge der Wachtel im Getreidefelde; sie bestimmen die
Zahl der Batzen, welche das Brot im kommenden Frühling gelten wird. Im
Jahr 1816 soll die Wachtel geschlagen haben, bis ihr der Athem ausging. —
Was etwa am Nosatag gesät wurde, das ergab lauter kleine taube Aehren,
die nun „Rösli" heißen. „Ghurig" d. h. stehend und liegend durcheinander
verwachsen ist die Frucht, welche an Fronfasten gesäet wurde. — Gern bindet
man wo möglich in jede Garbe etwas Wollkraut ein; es schützt sie gegen die
Mäuse in der Scheune. — Der letzte Acker, auf welchem geschnitten wird, heißt
der „Mucheiacker" (anderwärts Mockel Kuh, auch schweizerisch Mauchli ----
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