Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.blieb, aber sie blieb unter dem nationalen Gesichtspunkt einer allgemeinen Die Hauptsache aber kommt nach: die Staaten des Vereins verpflichteten Kurhessen war dem preußischen Zollsystem von 1818 zuerst entgegengetreten So hatte Kurhessen, immer energisch, den Vernichtungskampf gegen das blieb, aber sie blieb unter dem nationalen Gesichtspunkt einer allgemeinen Die Hauptsache aber kommt nach: die Staaten des Vereins verpflichteten Kurhessen war dem preußischen Zollsystem von 1818 zuerst entgegengetreten So hatte Kurhessen, immer energisch, den Vernichtungskampf gegen das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283931"/> <p xml:id="ID_1659" prev="#ID_1658"> blieb, aber sie blieb unter dem nationalen Gesichtspunkt einer allgemeinen<lb/> deutschen Handelsfreiheit."</p><lb/> <p xml:id="ID_1660"> Die Hauptsache aber kommt nach: die Staaten des Vereins verpflichteten<lb/> sich, ohne ausdrückliche Einwilligung des letzteren mit keinem Staate, der nicht<lb/> zu ihm gehöre, in einen Zollverband zu treten — sie verpflichteten sich — das<lb/> war der eigentliche Zweck des Vereins — in Bezug auf das Zollwesen nicht<lb/> preußisch zu werden. Nach einem Jahre schloß man einen neuen Vertrag, der<lb/> die Dauer des Vereins bis zum Jahre 1841 erstreckte. Aber dieser weiteren<lb/> Ausdehnung ihrer Verbindlichkeit traten schon einige Staaten nicht mehr bei,<lb/> und im Hinblick auf den Ablauf der ursprünglichen sechs Jahre schlössen erst<lb/> die Fürsten von Neuß und später Weimar Verträge mit Preußen ab. Im<lb/> Innern zeigte sich der Verein bildungsunfähig, und so entwickelten sich innerhalb<lb/> desselben Sondervereine wie der, welcher 1830 durch den eimbccker Vertrag<lb/> zwischen Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Kurhessen gestiftet wurde.<lb/> Ehe dieser jedoch zur Ausführung kam, fand in Kurhessen der Umschwung<lb/> statt, in welchem Aegidi mit Recht „die Katastrophe der gesammten Vor¬<lb/> geschichte des deutschen Zollvereins" erblickt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1661"> Kurhessen war dem preußischen Zollsystem von 1818 zuerst entgegengetreten<lb/> und nicht blos mit Worten. Am 17. September war in Kassel ein förmlicher<lb/> Handelskrieg gegen Preußen erklärt worden. Das betreffende Gesetz äußerte<lb/> sich im Eingang leidenschaftlich über die neuen preußischen Einrichtungen, hob<lb/> dann das Bedürfniß von Repressalien hervor, machte das Recht dazu geltend<lb/> und setzte diese Repressalien sofort ins Werk. Es erhöhte die Abgaben einer<lb/> ganzen Reihe preußischer Fabrikerzeugnisse um 2 bis 8 Thaler für den Centner,<lb/> verbot die Einfuhr von andern Artikeln aus Preußen gänzlich und legte auf<lb/> hessischen Pfeifenthon, der für einige benachbarte preußische Fabriken kaum zu<lb/> entbehren war, einen beträchtlichen Ausgangszoll. Es fügte Preußen damit<lb/> in der That einige Nachtheile zu, aber dieses war in der Lage, sich vornehm<lb/> über die Maßregel hinwegsetzen zu können. Darauf gerieth man in Kassel in<lb/> Verlegenheit, wie man mit Anstand den Rückzug antreten könnte. Ein Vor¬<lb/> wand fand sich: allgemeine Revision des Zolltarifs, und siehe da, die Retor-<lb/> sionsmaßregeln verschwanden bis auf einen geringen Rest.</p><lb/> <p xml:id="ID_1662" next="#ID_1663"> So hatte Kurhessen, immer energisch, den Vernichtungskampf gegen das<lb/> preußische System eröffnet. Dann hatte es, wie wir sahen, auf den wiener<lb/> Conferenzen durch seine Weigerung, dem Berstett-Marschallschen Sonderbunde<lb/> beizutreten, diesen im Entstehen beinahe vereitelt und ihn, da er ohne Kurhessen<lb/> auf Bayern angewiesen war und Bayern hohe Zölle wollte, jedenfalls fast<lb/> inhaltlos gemacht. Jetzt nun war Kurhessen seiner ganzen Lage nach für die<lb/> gegen Preußen gerichtete Tendenz des mitteldeutschen Handelsvereins Kern- und<lb/> Hcbelpuntt. Aber die Bevölkerung fand diese Stellung des Landes unbequem,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0578]
blieb, aber sie blieb unter dem nationalen Gesichtspunkt einer allgemeinen
deutschen Handelsfreiheit."
Die Hauptsache aber kommt nach: die Staaten des Vereins verpflichteten
sich, ohne ausdrückliche Einwilligung des letzteren mit keinem Staate, der nicht
zu ihm gehöre, in einen Zollverband zu treten — sie verpflichteten sich — das
war der eigentliche Zweck des Vereins — in Bezug auf das Zollwesen nicht
preußisch zu werden. Nach einem Jahre schloß man einen neuen Vertrag, der
die Dauer des Vereins bis zum Jahre 1841 erstreckte. Aber dieser weiteren
Ausdehnung ihrer Verbindlichkeit traten schon einige Staaten nicht mehr bei,
und im Hinblick auf den Ablauf der ursprünglichen sechs Jahre schlössen erst
die Fürsten von Neuß und später Weimar Verträge mit Preußen ab. Im
Innern zeigte sich der Verein bildungsunfähig, und so entwickelten sich innerhalb
desselben Sondervereine wie der, welcher 1830 durch den eimbccker Vertrag
zwischen Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Kurhessen gestiftet wurde.
Ehe dieser jedoch zur Ausführung kam, fand in Kurhessen der Umschwung
statt, in welchem Aegidi mit Recht „die Katastrophe der gesammten Vor¬
geschichte des deutschen Zollvereins" erblickt.
Kurhessen war dem preußischen Zollsystem von 1818 zuerst entgegengetreten
und nicht blos mit Worten. Am 17. September war in Kassel ein förmlicher
Handelskrieg gegen Preußen erklärt worden. Das betreffende Gesetz äußerte
sich im Eingang leidenschaftlich über die neuen preußischen Einrichtungen, hob
dann das Bedürfniß von Repressalien hervor, machte das Recht dazu geltend
und setzte diese Repressalien sofort ins Werk. Es erhöhte die Abgaben einer
ganzen Reihe preußischer Fabrikerzeugnisse um 2 bis 8 Thaler für den Centner,
verbot die Einfuhr von andern Artikeln aus Preußen gänzlich und legte auf
hessischen Pfeifenthon, der für einige benachbarte preußische Fabriken kaum zu
entbehren war, einen beträchtlichen Ausgangszoll. Es fügte Preußen damit
in der That einige Nachtheile zu, aber dieses war in der Lage, sich vornehm
über die Maßregel hinwegsetzen zu können. Darauf gerieth man in Kassel in
Verlegenheit, wie man mit Anstand den Rückzug antreten könnte. Ein Vor¬
wand fand sich: allgemeine Revision des Zolltarifs, und siehe da, die Retor-
sionsmaßregeln verschwanden bis auf einen geringen Rest.
So hatte Kurhessen, immer energisch, den Vernichtungskampf gegen das
preußische System eröffnet. Dann hatte es, wie wir sahen, auf den wiener
Conferenzen durch seine Weigerung, dem Berstett-Marschallschen Sonderbunde
beizutreten, diesen im Entstehen beinahe vereitelt und ihn, da er ohne Kurhessen
auf Bayern angewiesen war und Bayern hohe Zölle wollte, jedenfalls fast
inhaltlos gemacht. Jetzt nun war Kurhessen seiner ganzen Lage nach für die
gegen Preußen gerichtete Tendenz des mitteldeutschen Handelsvereins Kern- und
Hcbelpuntt. Aber die Bevölkerung fand diese Stellung des Landes unbequem,
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