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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Verschiedenheiten über Durchgangszoll, Tarisirungsgrundsätze und Lagerhaus¬
system, besonders aber der Streit über das Stimmenverhältniß bei der zu
bildenden Hauptinstanz für Zoll- und Handelsgesetzgcbung stellten sich der Ei¬
nigung entgegen. Die Tariffragcn wurden zu denen gerechnet, über welche
Stimmenmehrheit entscheiden sollte. Als auf Grund der von Baden gemachten
Entwürfe und auf den Vorschlag, für je eine halbe Million Bevölkerung eine
Stimme zu rechnen, wonach Bayern 7, Würtemberg 3, die übrigen Mitglieder
zusammen 8 Stimmen erhalten hätten, zu keiner Verständigung zu gelangen
war, legte Würtemberg am 22. November 1822 einen andern Plan vor, worin
Revenüentheilung nach der Volkszahl und hinsichtlich des Stimmrechts für
Bayern 6, für Würtemberg und Baden je 3, für beide Hessen je 2 und für
die übrigen Betheiligten je 1 Stimme vorgeschlagen waren. Hierdurch besorgten
die letzteren alles Einflusses beraubt zu werden und begannen zurückzutreten,
während auch Bayern diese Basis der Unterhandlungen beanstandete. Endlich
wurde noch ein letzter Vorschlag gemacht, der dahin ging, daß bei elf Stimmen
im Ganzen Bayern zwei, die andern Staaten bis einschließlich Nassau und
Weimar je eine Virilstimme und die kleineren Staaten zusammen drei Curiat-
stimmcn haben sollten, aber auch dies gefiel nicht, und ebenso wenig wie über
die Stimmenvertheilung konnte man sich über den anzunehmenden Tarif einigen.

Vergeblich hatte der würtenbergische Minister v. Wangenheim zu vermitteln
versucht. Es kam zu keiner Verständigung. Hessen-Darmstadt mit Rücksicht
auf seinen Landtag verlangte dringend Beschleunigung des Abschlusses. Bayern
zögerte. Da sagte sich am S. Juli 1823 die darmstädtische Regierung von den
Verhandlungen los. Sie wollte den Ständen ein eignes Zollsystem vorlegen
und erst nach Vollendung desselben den Versuch einer Vereinbarung mit Bayern
und Genossen wieder aufnehmen. Sie handelte, wie man sieht, hierin genau
so wie Preußen, welches darob so schwer getadelt worden war.

Im Jahre 1825 begannen zwischen Bayern, Würtemberg, Baden und
Hessen-Darmstadt neue Verhandlungen, diesmal zu Stuttgart, die dadurch ver¬
eitelt wurden, daß Baden den von Bayern vorgeschlagnen Zolltarif als zu hoch
verwarf. Ncbenius, der Baden hier vertrat, wurde dabei von der Ueberzeugung
geleitet, "daß, wenn der süddeutsche Verein mit Einschluß Badens zu Stande
gekommen wäre und nur zehn Jahre mit hohen Schutzzöllen bestanden hätte,
eine Vereinigung mit dem nördlichen Deutschland, namentlich mit Preußen und
Sachsen, die größten Schwierigkeiten gefunden haben würde." "Dieses Ziel
aber," sagt derselbe weitblickende Staatsmann, "die Bildung eines großen
Vereins, mußte stets im Auge behalten werden, wenn etwas wirklich Großes
und für die deutsche Nation wahrhaft Nützliches zu Stande kommen sollte."
Er erschrak nicht, als Bayern und Würtemberg ihm erklärten, wenn Baden
zurückträte, würden sie sich mit einander vereinigen, auch nicht,'als Darmstadt


Verschiedenheiten über Durchgangszoll, Tarisirungsgrundsätze und Lagerhaus¬
system, besonders aber der Streit über das Stimmenverhältniß bei der zu
bildenden Hauptinstanz für Zoll- und Handelsgesetzgcbung stellten sich der Ei¬
nigung entgegen. Die Tariffragcn wurden zu denen gerechnet, über welche
Stimmenmehrheit entscheiden sollte. Als auf Grund der von Baden gemachten
Entwürfe und auf den Vorschlag, für je eine halbe Million Bevölkerung eine
Stimme zu rechnen, wonach Bayern 7, Würtemberg 3, die übrigen Mitglieder
zusammen 8 Stimmen erhalten hätten, zu keiner Verständigung zu gelangen
war, legte Würtemberg am 22. November 1822 einen andern Plan vor, worin
Revenüentheilung nach der Volkszahl und hinsichtlich des Stimmrechts für
Bayern 6, für Würtemberg und Baden je 3, für beide Hessen je 2 und für
die übrigen Betheiligten je 1 Stimme vorgeschlagen waren. Hierdurch besorgten
die letzteren alles Einflusses beraubt zu werden und begannen zurückzutreten,
während auch Bayern diese Basis der Unterhandlungen beanstandete. Endlich
wurde noch ein letzter Vorschlag gemacht, der dahin ging, daß bei elf Stimmen
im Ganzen Bayern zwei, die andern Staaten bis einschließlich Nassau und
Weimar je eine Virilstimme und die kleineren Staaten zusammen drei Curiat-
stimmcn haben sollten, aber auch dies gefiel nicht, und ebenso wenig wie über
die Stimmenvertheilung konnte man sich über den anzunehmenden Tarif einigen.

Vergeblich hatte der würtenbergische Minister v. Wangenheim zu vermitteln
versucht. Es kam zu keiner Verständigung. Hessen-Darmstadt mit Rücksicht
auf seinen Landtag verlangte dringend Beschleunigung des Abschlusses. Bayern
zögerte. Da sagte sich am S. Juli 1823 die darmstädtische Regierung von den
Verhandlungen los. Sie wollte den Ständen ein eignes Zollsystem vorlegen
und erst nach Vollendung desselben den Versuch einer Vereinbarung mit Bayern
und Genossen wieder aufnehmen. Sie handelte, wie man sieht, hierin genau
so wie Preußen, welches darob so schwer getadelt worden war.

Im Jahre 1825 begannen zwischen Bayern, Würtemberg, Baden und
Hessen-Darmstadt neue Verhandlungen, diesmal zu Stuttgart, die dadurch ver¬
eitelt wurden, daß Baden den von Bayern vorgeschlagnen Zolltarif als zu hoch
verwarf. Ncbenius, der Baden hier vertrat, wurde dabei von der Ueberzeugung
geleitet, „daß, wenn der süddeutsche Verein mit Einschluß Badens zu Stande
gekommen wäre und nur zehn Jahre mit hohen Schutzzöllen bestanden hätte,
eine Vereinigung mit dem nördlichen Deutschland, namentlich mit Preußen und
Sachsen, die größten Schwierigkeiten gefunden haben würde." „Dieses Ziel
aber," sagt derselbe weitblickende Staatsmann, „die Bildung eines großen
Vereins, mußte stets im Auge behalten werden, wenn etwas wirklich Großes
und für die deutsche Nation wahrhaft Nützliches zu Stande kommen sollte."
Er erschrak nicht, als Bayern und Würtemberg ihm erklärten, wenn Baden
zurückträte, würden sie sich mit einander vereinigen, auch nicht,'als Darmstadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/576>, abgerufen am 15.01.2025.