Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.wendete sein Zoll- und Verbrauchssteuergesetz gegen die Bewohner der von seinem Aber freilich, die Zeit, wo ein solches Anerbieten allgemein Gehör finden Man hatte ein Beispiel des Einlenkens einzelner Souveräne gehabt, noch Niemand glaubte damals, daß der Schritt Schwarzburg-Sondershausens wendete sein Zoll- und Verbrauchssteuergesetz gegen die Bewohner der von seinem Aber freilich, die Zeit, wo ein solches Anerbieten allgemein Gehör finden Man hatte ein Beispiel des Einlenkens einzelner Souveräne gehabt, noch Niemand glaubte damals, daß der Schritt Schwarzburg-Sondershausens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0574" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283927"/> <p xml:id="ID_1644" prev="#ID_1643"> wendete sein Zoll- und Verbrauchssteuergesetz gegen die Bewohner der von seinem<lb/> Gebiet eingeschlossenen anhaltischen Enclaven wie gegen seine eigenen Unter¬<lb/> thanen an, aber es war bereit, den Herzogen eine Geldentschädigung zu be¬<lb/> willigen, und gestand den betreffenden anhaltischen Unterthanen gleich den preu¬<lb/> ßischen völlige Freiheit des Verkehrs im Innern Preußens zu. Und dasselbe<lb/> war andern Nachbarn dargeboten, ja mehr noch: eine Verbindung mit dem<lb/> preußischen Zollsystem auf Grundlage völliger Gleichheit der Rechte und Pflichten<lb/> und einer Theilung des Einkommens nach der Anzahl der Einwohner.</p><lb/> <p xml:id="ID_1645"> Aber freilich, die Zeit, wo ein solches Anerbieten allgemein Gehör finden<lb/> konnte, war noch nicht da. Wer konnte einem deutschen Souverän zumuthen,<lb/> ein sremdherrliches Zollsystem anzunehmen? Und noch dazu das Zollsystem<lb/> Preußens, welches mit diesem System drohte, mit ihm zwingen wollte. Ja,<lb/> wenn Deutschland, das ganze Deutschland ein solches Verlangen stellte, das<lb/> wäre etwas Anderes!</p><lb/> <p xml:id="ID_1646"> Man hatte ein Beispiel des Einlenkens einzelner Souveräne gehabt, noch<lb/> vor Beginn der wiener Conferenzen, freilich ein sehr winziges. Am 23. October<lb/> 1819 hatte Schwarzburg-Sondershausen einen Staatsvertrag mit Preußen ab¬<lb/> geschlossen, wodurch die Verhältnisse des größeren Theils seiner Besitzungen,<lb/> welcher vom preußischen Gebiet enclavirt ist, hinsichtlich des Zolls und der<lb/> Verbrauchssteuer auf preußischen Fuß gesetzt wurden. Ein würdeloser Vertrag,<lb/> dem man nur der Verzweiflung eines Zwergstaates verzeihen konnte! Was<lb/> heute gegen die Einverleibung der Armee eines deutschen Souveräns in das<lb/> Heer des Königs von Preußen gesagt wird, wurde damals gegen den Eintritt<lb/> in die Zoll- und Steuergemeinschaft mit Preußen gesagt, und mit demselben<lb/> Recht; denn, wie Metternich sich in Karlsbad (vgl. den ersten Artikel) hatte<lb/> vernehmen lassen: „Der Handel, seine Ausdehnung und Beschränkung gehören<lb/> zu den ersten Befugnissen der souveränen Gewalt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1647" next="#ID_1648"> Niemand glaubte damals, daß der Schritt Schwarzburg-Sondershausens<lb/> Nachfolge finden würde, und in der That, die nächsten drei Jahre bestätigten<lb/> diesen Unglauben. Erst im Juni des Jahres 1822 folgte Schwarzburg-Rudol-<lb/> stadt dem Beispiele des Nachbarländchens in Bezug aus die Enclave Franken¬<lb/> hausen. Am 27. Juni 1823 schloß dann Weimar einen Vertrag wegen der<lb/> enclavirten Aemter Allstätt und Oldisleben mit Preußen ab, und im October<lb/> desselben Jahres trat Anhalt-Bernburg mit seinen abgesondert liegenden Be¬<lb/> sitzungen in das preußische Zollsystem ein. Nach und nach kamen auch die<lb/> übrigen Besitzer von Enclaven, zuerst Lippe-Detmold, dann Mecklenburg-Schwerin,<lb/> dann Dessau und Köthen, zuletzt Oldenburg für Birkenfeld. Es hatte Mühe<lb/> gekostet und Schweiß, es hatte zehn volle Jahre gekostet, um auch nur dieses<lb/> Wenige, die Einführung des preußischen Zollsystems in den kleinen Enclaven,<lb/> durchzusetzen. Noch immer bestand die Scheidewand, welche die preußische Zoll-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0574]
wendete sein Zoll- und Verbrauchssteuergesetz gegen die Bewohner der von seinem
Gebiet eingeschlossenen anhaltischen Enclaven wie gegen seine eigenen Unter¬
thanen an, aber es war bereit, den Herzogen eine Geldentschädigung zu be¬
willigen, und gestand den betreffenden anhaltischen Unterthanen gleich den preu¬
ßischen völlige Freiheit des Verkehrs im Innern Preußens zu. Und dasselbe
war andern Nachbarn dargeboten, ja mehr noch: eine Verbindung mit dem
preußischen Zollsystem auf Grundlage völliger Gleichheit der Rechte und Pflichten
und einer Theilung des Einkommens nach der Anzahl der Einwohner.
Aber freilich, die Zeit, wo ein solches Anerbieten allgemein Gehör finden
konnte, war noch nicht da. Wer konnte einem deutschen Souverän zumuthen,
ein sremdherrliches Zollsystem anzunehmen? Und noch dazu das Zollsystem
Preußens, welches mit diesem System drohte, mit ihm zwingen wollte. Ja,
wenn Deutschland, das ganze Deutschland ein solches Verlangen stellte, das
wäre etwas Anderes!
Man hatte ein Beispiel des Einlenkens einzelner Souveräne gehabt, noch
vor Beginn der wiener Conferenzen, freilich ein sehr winziges. Am 23. October
1819 hatte Schwarzburg-Sondershausen einen Staatsvertrag mit Preußen ab¬
geschlossen, wodurch die Verhältnisse des größeren Theils seiner Besitzungen,
welcher vom preußischen Gebiet enclavirt ist, hinsichtlich des Zolls und der
Verbrauchssteuer auf preußischen Fuß gesetzt wurden. Ein würdeloser Vertrag,
dem man nur der Verzweiflung eines Zwergstaates verzeihen konnte! Was
heute gegen die Einverleibung der Armee eines deutschen Souveräns in das
Heer des Königs von Preußen gesagt wird, wurde damals gegen den Eintritt
in die Zoll- und Steuergemeinschaft mit Preußen gesagt, und mit demselben
Recht; denn, wie Metternich sich in Karlsbad (vgl. den ersten Artikel) hatte
vernehmen lassen: „Der Handel, seine Ausdehnung und Beschränkung gehören
zu den ersten Befugnissen der souveränen Gewalt."
Niemand glaubte damals, daß der Schritt Schwarzburg-Sondershausens
Nachfolge finden würde, und in der That, die nächsten drei Jahre bestätigten
diesen Unglauben. Erst im Juni des Jahres 1822 folgte Schwarzburg-Rudol-
stadt dem Beispiele des Nachbarländchens in Bezug aus die Enclave Franken¬
hausen. Am 27. Juni 1823 schloß dann Weimar einen Vertrag wegen der
enclavirten Aemter Allstätt und Oldisleben mit Preußen ab, und im October
desselben Jahres trat Anhalt-Bernburg mit seinen abgesondert liegenden Be¬
sitzungen in das preußische Zollsystem ein. Nach und nach kamen auch die
übrigen Besitzer von Enclaven, zuerst Lippe-Detmold, dann Mecklenburg-Schwerin,
dann Dessau und Köthen, zuletzt Oldenburg für Birkenfeld. Es hatte Mühe
gekostet und Schweiß, es hatte zehn volle Jahre gekostet, um auch nur dieses
Wenige, die Einführung des preußischen Zollsystems in den kleinen Enclaven,
durchzusetzen. Noch immer bestand die Scheidewand, welche die preußische Zoll-
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