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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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ein großes Brett zum Tisch und esse mich jeden Tag recht satt in Eierspeisen
oder Seefische, trinke jeden Tag IV2 Bouteillen mittelmäßiges Bier und mit
meinen 4 Herren Tischgenossen, die ich Dir in meinem letzten Brief genannt
habe, eine Bouteille Wein, welche wir glauben unserer Gesundheit schuldig zu
sein, da das Wasser aus einem schmutzigen Morast geschöpft wird. -- Unsere
Freistunden wenden wir auf vielerlei Art an. So haben die Unteroffiziers
meiner Compagnie unter meiner Aufsicht ein schönes großes Monument zu
Ehren unserer Frau Herzogin, von Erde vor der Front unseres Lagers errichtet,
wo auf einem großen Postament ein Würfel steht, dessen 4 Seiten wir mit
den Namen und Vivat der Frau Herzogin, des Prinzen und der beiden Prin¬
zessinnen mit Seesteinen, (die meistens durchsichtig sind und wir alle aus der
See geholt haben) besetzt haben. Dieses Denkmal steht grade vor Kolberg im
Angesicht der ganzen Belagerung und ist so groß, daß sich die Offiziers vom
ganzen Regiment darauf setzen und alles was geschieht beobachten können,
eine schlechte Zeichnung davon will ich Dir schicken, sobald ich von hier erlöst
bin und in eine Stube komme. Den 1. Mai haben alle meine Herren Kame¬
raden meinen Geburtstag gefeiert und unter großem Jubel einen großen runden
Kuchen (nur leider von Rasen gestochen) mit 37 Seeblumen besteckt auf meine
Hütte gesetzt. --

Feldlager vor Kolberg. 22. Juni 1807, Nachts 11 Uhr. -- Mein geliebtes
theures Weib, soeben komme ich wieder gesund und glücklich aus den Lauf¬
gräben, die wir gegen die Stadt eröffnet haben, zurück. -- Zwar Dein Brief
hat mich ein wenig erschüttert, indem Du mir die Sonne meines geliebten
Ferdinands in dem englischen Garten so rührend geschildert hattest, und in
Wahrheit, ich ging nicht ganz mit meinem sonstigen muthigen Herzen ins
Feuer, allein das Vertrauen zur Vorsehung, die gewiß das Gebet der Unschuld
und der lallender Lippen erhört, stärkte mich in der ersten Stunde schon wieder
so, daß ich vollkommen heiter wurde, und hatte auch das Glück, meine 1S0
Mann alle wieder gesund und glücklich ins Lager zurückzuführen. -- Den 24.
Ein starkes Regenwetter, welchem mein Hüttchen nicht widerstehen konnte, hat
mich verhindert weiter zuschreiben und Weinreich ist heute früh fort, ohne daß
ich ihm einen Brief mitgeben konnte. -- Dieser Mann hat mich die zwei ersten
Tage außerordentlich genirt, indem er mein Hüttchen so einnahm, daß ich ganz
daraus vertrieben war, zwei Stabsoffiziere von uns nehmen nicht so viel Platz
ein als dieser Mensch allein, der sich noch so wenig Bequemlichkeit versagen
kann. Da ich ihm es ein wenig merken ließ, so schien ihn dieses zu verdrießen,
und sein Betragen war überhaupt nicht ganz das anständige eines Offiziers;
so z. B. sahe er einer Affaire von weitem zu, wo wir auch 150 Mann dabei
hatten, leider hatten wir einige Todte und BlFstrte. Unter andern einem sehr
braven Lieutenant von Henning (dessen Vater, unser braver Oberst, erst zwei


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ein großes Brett zum Tisch und esse mich jeden Tag recht satt in Eierspeisen
oder Seefische, trinke jeden Tag IV2 Bouteillen mittelmäßiges Bier und mit
meinen 4 Herren Tischgenossen, die ich Dir in meinem letzten Brief genannt
habe, eine Bouteille Wein, welche wir glauben unserer Gesundheit schuldig zu
sein, da das Wasser aus einem schmutzigen Morast geschöpft wird. — Unsere
Freistunden wenden wir auf vielerlei Art an. So haben die Unteroffiziers
meiner Compagnie unter meiner Aufsicht ein schönes großes Monument zu
Ehren unserer Frau Herzogin, von Erde vor der Front unseres Lagers errichtet,
wo auf einem großen Postament ein Würfel steht, dessen 4 Seiten wir mit
den Namen und Vivat der Frau Herzogin, des Prinzen und der beiden Prin¬
zessinnen mit Seesteinen, (die meistens durchsichtig sind und wir alle aus der
See geholt haben) besetzt haben. Dieses Denkmal steht grade vor Kolberg im
Angesicht der ganzen Belagerung und ist so groß, daß sich die Offiziers vom
ganzen Regiment darauf setzen und alles was geschieht beobachten können,
eine schlechte Zeichnung davon will ich Dir schicken, sobald ich von hier erlöst
bin und in eine Stube komme. Den 1. Mai haben alle meine Herren Kame¬
raden meinen Geburtstag gefeiert und unter großem Jubel einen großen runden
Kuchen (nur leider von Rasen gestochen) mit 37 Seeblumen besteckt auf meine
Hütte gesetzt. —

Feldlager vor Kolberg. 22. Juni 1807, Nachts 11 Uhr. — Mein geliebtes
theures Weib, soeben komme ich wieder gesund und glücklich aus den Lauf¬
gräben, die wir gegen die Stadt eröffnet haben, zurück. — Zwar Dein Brief
hat mich ein wenig erschüttert, indem Du mir die Sonne meines geliebten
Ferdinands in dem englischen Garten so rührend geschildert hattest, und in
Wahrheit, ich ging nicht ganz mit meinem sonstigen muthigen Herzen ins
Feuer, allein das Vertrauen zur Vorsehung, die gewiß das Gebet der Unschuld
und der lallender Lippen erhört, stärkte mich in der ersten Stunde schon wieder
so, daß ich vollkommen heiter wurde, und hatte auch das Glück, meine 1S0
Mann alle wieder gesund und glücklich ins Lager zurückzuführen. — Den 24.
Ein starkes Regenwetter, welchem mein Hüttchen nicht widerstehen konnte, hat
mich verhindert weiter zuschreiben und Weinreich ist heute früh fort, ohne daß
ich ihm einen Brief mitgeben konnte. — Dieser Mann hat mich die zwei ersten
Tage außerordentlich genirt, indem er mein Hüttchen so einnahm, daß ich ganz
daraus vertrieben war, zwei Stabsoffiziere von uns nehmen nicht so viel Platz
ein als dieser Mensch allein, der sich noch so wenig Bequemlichkeit versagen
kann. Da ich ihm es ein wenig merken ließ, so schien ihn dieses zu verdrießen,
und sein Betragen war überhaupt nicht ganz das anständige eines Offiziers;
so z. B. sahe er einer Affaire von weitem zu, wo wir auch 150 Mann dabei
hatten, leider hatten wir einige Todte und BlFstrte. Unter andern einem sehr
braven Lieutenant von Henning (dessen Vater, unser braver Oberst, erst zwei


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[0563] ein großes Brett zum Tisch und esse mich jeden Tag recht satt in Eierspeisen oder Seefische, trinke jeden Tag IV2 Bouteillen mittelmäßiges Bier und mit meinen 4 Herren Tischgenossen, die ich Dir in meinem letzten Brief genannt habe, eine Bouteille Wein, welche wir glauben unserer Gesundheit schuldig zu sein, da das Wasser aus einem schmutzigen Morast geschöpft wird. — Unsere Freistunden wenden wir auf vielerlei Art an. So haben die Unteroffiziers meiner Compagnie unter meiner Aufsicht ein schönes großes Monument zu Ehren unserer Frau Herzogin, von Erde vor der Front unseres Lagers errichtet, wo auf einem großen Postament ein Würfel steht, dessen 4 Seiten wir mit den Namen und Vivat der Frau Herzogin, des Prinzen und der beiden Prin¬ zessinnen mit Seesteinen, (die meistens durchsichtig sind und wir alle aus der See geholt haben) besetzt haben. Dieses Denkmal steht grade vor Kolberg im Angesicht der ganzen Belagerung und ist so groß, daß sich die Offiziers vom ganzen Regiment darauf setzen und alles was geschieht beobachten können, eine schlechte Zeichnung davon will ich Dir schicken, sobald ich von hier erlöst bin und in eine Stube komme. Den 1. Mai haben alle meine Herren Kame¬ raden meinen Geburtstag gefeiert und unter großem Jubel einen großen runden Kuchen (nur leider von Rasen gestochen) mit 37 Seeblumen besteckt auf meine Hütte gesetzt. — Feldlager vor Kolberg. 22. Juni 1807, Nachts 11 Uhr. — Mein geliebtes theures Weib, soeben komme ich wieder gesund und glücklich aus den Lauf¬ gräben, die wir gegen die Stadt eröffnet haben, zurück. — Zwar Dein Brief hat mich ein wenig erschüttert, indem Du mir die Sonne meines geliebten Ferdinands in dem englischen Garten so rührend geschildert hattest, und in Wahrheit, ich ging nicht ganz mit meinem sonstigen muthigen Herzen ins Feuer, allein das Vertrauen zur Vorsehung, die gewiß das Gebet der Unschuld und der lallender Lippen erhört, stärkte mich in der ersten Stunde schon wieder so, daß ich vollkommen heiter wurde, und hatte auch das Glück, meine 1S0 Mann alle wieder gesund und glücklich ins Lager zurückzuführen. — Den 24. Ein starkes Regenwetter, welchem mein Hüttchen nicht widerstehen konnte, hat mich verhindert weiter zuschreiben und Weinreich ist heute früh fort, ohne daß ich ihm einen Brief mitgeben konnte. — Dieser Mann hat mich die zwei ersten Tage außerordentlich genirt, indem er mein Hüttchen so einnahm, daß ich ganz daraus vertrieben war, zwei Stabsoffiziere von uns nehmen nicht so viel Platz ein als dieser Mensch allein, der sich noch so wenig Bequemlichkeit versagen kann. Da ich ihm es ein wenig merken ließ, so schien ihn dieses zu verdrießen, und sein Betragen war überhaupt nicht ganz das anständige eines Offiziers; so z. B. sahe er einer Affaire von weitem zu, wo wir auch 150 Mann dabei hatten, leider hatten wir einige Todte und BlFstrte. Unter andern einem sehr braven Lieutenant von Henning (dessen Vater, unser braver Oberst, erst zwei 72*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/563>, abgerufen am 15.01.2025.