Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.mehr. Sehr gesund -- oft vergnügt -- aber nie zufrieden. -- Zwar, liebes Feldlager vor Kolberg, 4. Juni 1807. -- Von der Freude, die alle Leute mehr. Sehr gesund — oft vergnügt — aber nie zufrieden. — Zwar, liebes Feldlager vor Kolberg, 4. Juni 1807. — Von der Freude, die alle Leute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283915"/> <p xml:id="ID_1612" prev="#ID_1611"> mehr. Sehr gesund — oft vergnügt — aber nie zufrieden. — Zwar, liebes<lb/> Weib, sind wir hier auf keinem Rosengarten, doch ist es erträglich. — Kein<lb/> Geheimniß kann ich, wie Du weißt, nicht mehr vor Dir haben. Also, gutes<lb/> Weib, wir stehen stark vor dem Feind, seit heute 3 Wochen hat man auf uns<lb/> mit Kanonen geschossen. Gottes Hand hat über uns gewalten, kein Todter,<lb/> kein Blessirter, gestern hatten wir ein Schützengefecht der Schützen unsers Regi¬<lb/> ments, welche im Angesicht des ganzen Corps, welches hier steht, brav fochten. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1613" next="#ID_1614"> Feldlager vor Kolberg, 4. Juni 1807. — Von der Freude, die alle Leute<lb/> des Regiments haben, wenn Briefe aus dem Vaterland kommen (und wir alle<lb/> haben jetzo nur ein Vaterland), kann sich kein Mensch, der es nicht sieht, einen<lb/> Begriff machen. Ueberhaupt ist es jetzo oft rührend anzusehen, mit welcher<lb/> Innigkeit Offiziers und Soldaten dieses so zusammengesetzten Regiments sich<lb/> anschließen; so oft Leute von einem gefährlichen Posten oder aus einem Gefecht<lb/> zurückkommen, so eilt das ganze Lager, welches zurückgeblieben ist, immer mit<lb/> Freudengeschrei ihnen entgegen und führt sie fröhlich zurück, meistens haben<lb/> dann schon die Zurückgebliebenen nothdürftig für sie gekocht, etwas für sie<lb/> aufgehoben, ihre Baracken in Ordnung gebracht, Wasser geholt oder sonst alle<lb/> kleine mögliche Dienste für sie im voraus besorgt. Wenn wir vor unsern<lb/> Augen unsere Kameraden im Feuer der Kanonen oder des kleinen Gewehrs<lb/> sowohl im Gefecht als an der Schanzarbeit sehen, dann versichere ich Dir, daß<lb/> die Zuschauer mehr in Sorgen sein als die Theilnehmer. Gottes allmächtige<lb/> Hand hat noch immer über mir und den mir anvertrauten Soldaten gewaltet,<lb/> noch hat uns kein Unglück gerührt. Den ersten Pfingsitag hatten wir des<lb/> Nachts eine sehr ernsthafte Attaque auf eine preußische Schanze. — Den dritten<lb/> Pfingstfeiertag hatten wir wieder einen harten Stand, wo ein Mann vom<lb/> gothischen Contingent getödtet, einige blessirt und gefangen wurden. Ich für<lb/> meine Person commandirte diesen Tag in einer Redoute, die mit Leuten unseres<lb/> Regiments besetzt war und einige große Kanonen hatte, diese Kanonen ließ ich<lb/> dann fleißig zur Unterstützung unserer Leute auf mehre Punkte gebrauchen.<lb/> Vermuthlich mochte dies den Preußen wichtig scheinen, denn in Zeit von 2<lb/> Stunden zog ich das Feuer mehrer Batterien der Festung auf mich, welches<lb/> von 2 Uhr bis 6 Uhr des Nachmittags dauerte und ziemlich heftig war. —<lb/> Besonders großen Schaden thun uns zwei feindliche Schiffe, wovon eines 36<lb/> und das andere 20 große Kanonen führt, diese legen sich jeden Tag nahe an<lb/> das Ufer, wo grade unsere Arbeit ist und machen ein fürchterliches Feuer,<lb/> welches mit Wahrheit zu sagen gräßlicher aussieht und lautet, als es in der<lb/> Wirklichkeit ist, doch stört es oft unsere Arbeit. Dieses, mein liebes Kind, sind<lb/> die Unannehmlichkeiten meiner Lage, übrigens hat sie sich seit meinem letzten<lb/> Brief an Dich sehr gebessert. Ich lebe jetzo in meiner hübschen geräumigen<lb/> Hütte, habe hinlänglich trocknes Stroh zum Lager, sitze auf einer Bank, habe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0562]
mehr. Sehr gesund — oft vergnügt — aber nie zufrieden. — Zwar, liebes
Weib, sind wir hier auf keinem Rosengarten, doch ist es erträglich. — Kein
Geheimniß kann ich, wie Du weißt, nicht mehr vor Dir haben. Also, gutes
Weib, wir stehen stark vor dem Feind, seit heute 3 Wochen hat man auf uns
mit Kanonen geschossen. Gottes Hand hat über uns gewalten, kein Todter,
kein Blessirter, gestern hatten wir ein Schützengefecht der Schützen unsers Regi¬
ments, welche im Angesicht des ganzen Corps, welches hier steht, brav fochten. —
Feldlager vor Kolberg, 4. Juni 1807. — Von der Freude, die alle Leute
des Regiments haben, wenn Briefe aus dem Vaterland kommen (und wir alle
haben jetzo nur ein Vaterland), kann sich kein Mensch, der es nicht sieht, einen
Begriff machen. Ueberhaupt ist es jetzo oft rührend anzusehen, mit welcher
Innigkeit Offiziers und Soldaten dieses so zusammengesetzten Regiments sich
anschließen; so oft Leute von einem gefährlichen Posten oder aus einem Gefecht
zurückkommen, so eilt das ganze Lager, welches zurückgeblieben ist, immer mit
Freudengeschrei ihnen entgegen und führt sie fröhlich zurück, meistens haben
dann schon die Zurückgebliebenen nothdürftig für sie gekocht, etwas für sie
aufgehoben, ihre Baracken in Ordnung gebracht, Wasser geholt oder sonst alle
kleine mögliche Dienste für sie im voraus besorgt. Wenn wir vor unsern
Augen unsere Kameraden im Feuer der Kanonen oder des kleinen Gewehrs
sowohl im Gefecht als an der Schanzarbeit sehen, dann versichere ich Dir, daß
die Zuschauer mehr in Sorgen sein als die Theilnehmer. Gottes allmächtige
Hand hat noch immer über mir und den mir anvertrauten Soldaten gewaltet,
noch hat uns kein Unglück gerührt. Den ersten Pfingsitag hatten wir des
Nachts eine sehr ernsthafte Attaque auf eine preußische Schanze. — Den dritten
Pfingstfeiertag hatten wir wieder einen harten Stand, wo ein Mann vom
gothischen Contingent getödtet, einige blessirt und gefangen wurden. Ich für
meine Person commandirte diesen Tag in einer Redoute, die mit Leuten unseres
Regiments besetzt war und einige große Kanonen hatte, diese Kanonen ließ ich
dann fleißig zur Unterstützung unserer Leute auf mehre Punkte gebrauchen.
Vermuthlich mochte dies den Preußen wichtig scheinen, denn in Zeit von 2
Stunden zog ich das Feuer mehrer Batterien der Festung auf mich, welches
von 2 Uhr bis 6 Uhr des Nachmittags dauerte und ziemlich heftig war. —
Besonders großen Schaden thun uns zwei feindliche Schiffe, wovon eines 36
und das andere 20 große Kanonen führt, diese legen sich jeden Tag nahe an
das Ufer, wo grade unsere Arbeit ist und machen ein fürchterliches Feuer,
welches mit Wahrheit zu sagen gräßlicher aussieht und lautet, als es in der
Wirklichkeit ist, doch stört es oft unsere Arbeit. Dieses, mein liebes Kind, sind
die Unannehmlichkeiten meiner Lage, übrigens hat sie sich seit meinem letzten
Brief an Dich sehr gebessert. Ich lebe jetzo in meiner hübschen geräumigen
Hütte, habe hinlänglich trocknes Stroh zum Lager, sitze auf einer Bank, habe
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