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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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diesem allen nimm noch, daß mein Herr Hauswirth in der untern Etage eine
Art Kaffeehaus mit einem Billard hat, wo alle Nachmittag sämmtliche Offiziers
unseres Bataillons, wie auch die von Weimar, die jetzo auch hier angekommen
sind, zusammenkommen, daß meine Hausleute die bravsten Leute, die man treffen
kann, sind, daß sie alles thun, was in ihren Kräften steht, um mich zufrieden zu
stellen, daß sie zufrieden sind, endlich einmal eine deutsche Einquartirung zu
haben, daß ich jede Mahlzeit einen Fisch aus der Warthe bekomme, weil ich
mich verlauten ließ, daß dieses ein Leibgericht von mir sei, und daß ich diese
Wohnung mit meinem besten Freund vom Bataillon, dem Hauptmann von
Spiller (Schwager vom Hinkeldey) theile, so kannst Du Dir denken, daß meine
Lage für diesen Augenblick beneidenswerth ist. Da aber keine Freude ungetrübt
genossen werden kann, so geht es auch hier: es hüpft seit meinem Eintritt ins
Haus ein lieber Knabe, grade wie Ferdinand, immer an meiner Hand herum,
sitzt in diesem Augenblick zu meinen Füßen und spielt -- ach und erinnert
mich den ganzen Tag schmerzlich an meine lieben Zurückgelassenen, ost rührt es
mich zu stark und ich muß alles verlassen und mich auf eine Zeit lang ein¬
schließen. -- Das Unangenehmste von unserer Lage ist, daß es scheint, daß der
Herr Oberst von Egglvffstein von den Weimarischen, unter dessen Kommando
wir stehen, uns zu chikaniren sucht, er plagt uns nicht allein gewaltig mit
Exerciren, ohngeachtet wir erst seit zwei Tagen hier stehen, sondern hat auch
heute befohlen, daß zwei Compagnien von uns morgen wieder aufmarschiren
müssen, um die Städte Driesen und Friedeberg zu besetzen, wodurch nun unser
freundliches kleines Bataillon zerrissen wird und die zwei Compagnien, die
hier bleiben, sehr viel Garnisondienst thun müssen. Sein Bataillon behält er
schön zusammen und macht einen großen Unterschied zwischen uns und ihnen,
dieses macht uns alle sehr mißmüthig. und ich glaube immer, die beste Zeit
haben wir verlebt, bis wir wieder von diesem lieben jungen Mann wegkommen.
Ich für meine Person genieße noch immer die größte Achtung und Freundschaft
vom ganzen Bataillon, vom Major an bis zu dem letzten Tambour, wozu
hauptsächlich meine französische Sprache beiträgt, welche ich überhaupt jetzo um
keinen Preis dahingäbe, denn erstlich thue ich damit dem Bataillon stets den
größten Gefallen und ich habe Gelegenheit, eine Menge berühmter französischer
Generale zu sprechen und kennen zu lernen. Vom Krieg erfährt man hier in
der Nähe von den Armeen weniger als bei Euch, wir haben hier in der Gegend
nur einen kleinen Feind, dieses ist ein Apotheker aus der hiesigen Gegend, der
die Deserteurs von den Preußen und von unserer Armee auffängt und mit
diesen eine ordentliche Räuberbande bildet, die den Bauern die Pferde aus dem
Stalle stehlen und sich beritten machen und nun suchen, wo sie etwas zu rauben
bekommen. Diese Woche ließen sich etliche 20 Mann dieser Menschen bei einem
Transport sehen, den unsere Leute (die nicht so stark waren) zu Land nach


diesem allen nimm noch, daß mein Herr Hauswirth in der untern Etage eine
Art Kaffeehaus mit einem Billard hat, wo alle Nachmittag sämmtliche Offiziers
unseres Bataillons, wie auch die von Weimar, die jetzo auch hier angekommen
sind, zusammenkommen, daß meine Hausleute die bravsten Leute, die man treffen
kann, sind, daß sie alles thun, was in ihren Kräften steht, um mich zufrieden zu
stellen, daß sie zufrieden sind, endlich einmal eine deutsche Einquartirung zu
haben, daß ich jede Mahlzeit einen Fisch aus der Warthe bekomme, weil ich
mich verlauten ließ, daß dieses ein Leibgericht von mir sei, und daß ich diese
Wohnung mit meinem besten Freund vom Bataillon, dem Hauptmann von
Spiller (Schwager vom Hinkeldey) theile, so kannst Du Dir denken, daß meine
Lage für diesen Augenblick beneidenswerth ist. Da aber keine Freude ungetrübt
genossen werden kann, so geht es auch hier: es hüpft seit meinem Eintritt ins
Haus ein lieber Knabe, grade wie Ferdinand, immer an meiner Hand herum,
sitzt in diesem Augenblick zu meinen Füßen und spielt — ach und erinnert
mich den ganzen Tag schmerzlich an meine lieben Zurückgelassenen, ost rührt es
mich zu stark und ich muß alles verlassen und mich auf eine Zeit lang ein¬
schließen. — Das Unangenehmste von unserer Lage ist, daß es scheint, daß der
Herr Oberst von Egglvffstein von den Weimarischen, unter dessen Kommando
wir stehen, uns zu chikaniren sucht, er plagt uns nicht allein gewaltig mit
Exerciren, ohngeachtet wir erst seit zwei Tagen hier stehen, sondern hat auch
heute befohlen, daß zwei Compagnien von uns morgen wieder aufmarschiren
müssen, um die Städte Driesen und Friedeberg zu besetzen, wodurch nun unser
freundliches kleines Bataillon zerrissen wird und die zwei Compagnien, die
hier bleiben, sehr viel Garnisondienst thun müssen. Sein Bataillon behält er
schön zusammen und macht einen großen Unterschied zwischen uns und ihnen,
dieses macht uns alle sehr mißmüthig. und ich glaube immer, die beste Zeit
haben wir verlebt, bis wir wieder von diesem lieben jungen Mann wegkommen.
Ich für meine Person genieße noch immer die größte Achtung und Freundschaft
vom ganzen Bataillon, vom Major an bis zu dem letzten Tambour, wozu
hauptsächlich meine französische Sprache beiträgt, welche ich überhaupt jetzo um
keinen Preis dahingäbe, denn erstlich thue ich damit dem Bataillon stets den
größten Gefallen und ich habe Gelegenheit, eine Menge berühmter französischer
Generale zu sprechen und kennen zu lernen. Vom Krieg erfährt man hier in
der Nähe von den Armeen weniger als bei Euch, wir haben hier in der Gegend
nur einen kleinen Feind, dieses ist ein Apotheker aus der hiesigen Gegend, der
die Deserteurs von den Preußen und von unserer Armee auffängt und mit
diesen eine ordentliche Räuberbande bildet, die den Bauern die Pferde aus dem
Stalle stehlen und sich beritten machen und nun suchen, wo sie etwas zu rauben
bekommen. Diese Woche ließen sich etliche 20 Mann dieser Menschen bei einem
Transport sehen, den unsere Leute (die nicht so stark waren) zu Land nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/560>, abgerufen am 15.01.2025.