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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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mir nach und drängten mich auf der Flucht in die Schenkstube, die von be¬
trunkenen Bauern wimmelte. Ich drängte mich, den Kopf nach unten haltend,
durch sie hindurch, um hinter den Schenktisch zu gelangen, aber Niezgoda hielt
mich fest und rief dem Krüger zu: „Gieb die Stricke her, wir müssen den
Racker aufhängen!" Alsbald legte man mir eine Schlinge um den Hals, und
als ich mich in Todesangst dagegen sträubte. hieb der trunkene Haufe auf mich
los. Ein fürchterlicher Schlag über den Hirnschädel betäubte mich fast, ein heißer
Strom Blutes rann mir über das Gesicht. Doch behielt ich — was vermag
der Mensch nicht in solcher Gefahr? — noch so viel Kraft und Besinnung,
daß ich die Hand in die Schleife steckte, die ohnehin an meinem Rockkragen
anhatte, so daß ich dadurch vor der Erdrosselung geschützt wurde. Wüthend
rissen mich die Bestien an dem Stricke hin und her, und ein vierschrötiger
Kerl hieb mir mit einem Faustschläge die vier obern Borderzähne ein, so daß
ich sie ausspie. In meiner Angst und bei dem namenlosen Schmerze, den mir
namentlich der Verlust der Zähne verursachte, die an den Wurzeln abgebrochen
waren, schrie ich alles durcheinander, was mir an Worten einfiel, die sie viel¬
leicht zur Milde stimmen konnten. Doch endlich versagte mir die Stimme, der
Strick zog sich trotz aller Gegenwehr fester und fester, und ich wäre sicherlich
erstickt, wenn nicht ein alter, weißhaariger Bauer in die Stube getreten wäre,
der meine letzten Worte hörte und sich beschwichtigend an seine Kameraden
wandte: „Ich war," sagte er, „im französischen Kriege; da haben wir es so
gemacht, wenn einer Pardon rief, dann haben wir ihm das Leben geschenkt!"
Mit diesen Worten wehrte er die Andern ab, indem er sich breitbeinig über
mich stellte, schleppte mich, da mich meine Kräfte verließen, auf eine Bank im
Winkel der Stube nahe dem Schenktisch, und nahm schnell den Strick vom
Halse. Will, so hieß mein Retter, setzte sich vor mich und wehrte die Andern,
die nach einem Augenblick verdutzter Scheu, wieder mit wildem Geschrei nach
meinem Leben verlangten, mit Ruhe ab. Dennoch wäre Will wohl nicht im
Stande gewesen, mich dauernd zu schützen, wäre nicht zum Glück in dem
Augenblick vor der Thür ein Lärm entstanden, der die Bauern veranlaßte, hin¬
auszulaufen, um zu sehen, was es gebe. Nur vier Mann blieben als Wache
zurück, welche mit dem Strick mir die Arme im Ellbogengelenk auf eine bar¬
barische Weise zusammenschnürten; einer der Kerle stellte sich in seiner Be¬
trunkenheit auf den Tisch und hielt das andere Ende des Strickes, als wenn
er ein Schwein zu Markte triebe.

Bald kam der Haufe zurück und brachte außer einem andern Gefangenen,
der draußen bleiben mußte, einen der Dorfgeschwornen mit, den der selbst schon
gefangne Graf, als er von meinem Unglück gehört, ersucht hatte, sich nach
meinem Namen zu erkundigen und fernere Mißhandlungen zu verhindern. Als
dieser meinen kläglichen Zustand sah, stellte er die Bauern und namentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/54>, abgerufen am 24.01.2025.