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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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noch eine gewisse Rücksicht gezeigt, so waren diese neu angekommenen, vielleicht
durch Nachrichten aus Kolbuszow mehr aufgeregt, offenbar zu jeder Gewaltthat
aufgelegt. Sie bemächtigten sich des Schlittens, führten ihn in den Stall des
Kruges und schleppten mich, der ich mich vor ihnen auf den Hof geflüchtet hatte,
ebenfalls dorthin. "Verräther! Schuft! Aas! -- Was hast du im Schlitten?"
riefen sie und schritten sofort zur Untersuchung desselben. Ohne auf meine
Einrede zu hören, rissen sie zuerst meine Reisetasche aus dem Schlitten und
wollten sie aufschneiden, als ich noch schnell genug die Schlüssel fand. Oben¬
auf lagen meine geladenen Pistolen. Eine riß sogleich ein Bauer an sich und
lief mit den Worten: "Oho, die ist gut für mich!" davon. Ein zweiter Bauer
nahm die andere, zog den Hahn und drückte, nach der Herzgrube zielend, mit
den Worten: "Wollen Probiren, ob sie geladen ist!" auf mich ab. Glücklicher¬
weise hatte ich kein Zündhütchen ausgesteckt, sonst hätte er mich unfehlbar nie¬
dergeschossen. Während der Bauer die Pistole noch besah, die er auf mich ver¬
geblich angelegt hatte, schrie ein dritter, dessen Name, wie ich erfuhr, Niezgoda,
war: "Wozu hast du die Pistole, du Schuft? Du willst uns tödten! da hast
du was!" wobei er mir einen Faustschlag hinters Ohr versetzte. Da ich Miene
machte, mich zu wehren, schlug der Haufe mit Stöcken und Flegeln aus mich
los, indem sie riefen: "Schlagt ihn todt, den Hund, wie den Bilanski!" So
gut ich konnte, parirte ich die Schläge, indem ich meine Arme über den Kopf
hielt, um diesen wenigstens zu schützen. Aber endlich drangen die Hiebe auch
hier durch, blutend und vor Schmerzen schreiend, stürzte ich an der Stallthür
nieder. So lange ich noch schrie, schlugen sie zu, endlich siel ich in Ohn¬
macht.

Nun ließen sie mich liegen und gingen vor die Thür, Wache zu halten.
Nach einer Weile kam ich wieder zu mir. Es war inzwischen dunkel geworden,
und ich überlegte, was ich thun sollte, ob es besser wäre, ins Freie zu flüchten
und im Schutze der Dunkelheit den Bauern zu entwischen, oder mich in den
Krug zu begeben und beim Krüger oder irgendeinem Verständigem unter den
Bauern Schutz zu erbitten. In dem Gaststalle konnte ich nicht bleiben, in der
Winterkälte, ohne Nahrung und Wärme, aus Kopfwunden blutend, hätte ich
von dem Ersten Besten, der allein in den Stall gekommen wäre, niedergeschlagen
werden können; im Freien hätte ich vielleicht eine der benachbarten Hütten
erreichen und mich bei einem mitleidigen Menschen verstecken können, vielleicht
aber auch nicht, und wäre ich fliehend erreicht worden, so würde der Tod mein
sicheres Loos gewesen sein. Ich beschloß also durch eine vom Stall direct in
den Krug führende Thür in die Hinterstube des Krügers zu schleichen und mich
dort oder irgendwo anders von demselben verstecken zu lassen. Aber in dem
Augenblick, wo ich mich aufraffte, Mußten meine Bewegungen wohl von einem
der wachehaltenden Bauern bemerkt worden sein; denn sie stürzten mit Geschrei


noch eine gewisse Rücksicht gezeigt, so waren diese neu angekommenen, vielleicht
durch Nachrichten aus Kolbuszow mehr aufgeregt, offenbar zu jeder Gewaltthat
aufgelegt. Sie bemächtigten sich des Schlittens, führten ihn in den Stall des
Kruges und schleppten mich, der ich mich vor ihnen auf den Hof geflüchtet hatte,
ebenfalls dorthin. „Verräther! Schuft! Aas! — Was hast du im Schlitten?"
riefen sie und schritten sofort zur Untersuchung desselben. Ohne auf meine
Einrede zu hören, rissen sie zuerst meine Reisetasche aus dem Schlitten und
wollten sie aufschneiden, als ich noch schnell genug die Schlüssel fand. Oben¬
auf lagen meine geladenen Pistolen. Eine riß sogleich ein Bauer an sich und
lief mit den Worten: „Oho, die ist gut für mich!" davon. Ein zweiter Bauer
nahm die andere, zog den Hahn und drückte, nach der Herzgrube zielend, mit
den Worten: „Wollen Probiren, ob sie geladen ist!" auf mich ab. Glücklicher¬
weise hatte ich kein Zündhütchen ausgesteckt, sonst hätte er mich unfehlbar nie¬
dergeschossen. Während der Bauer die Pistole noch besah, die er auf mich ver¬
geblich angelegt hatte, schrie ein dritter, dessen Name, wie ich erfuhr, Niezgoda,
war: „Wozu hast du die Pistole, du Schuft? Du willst uns tödten! da hast
du was!" wobei er mir einen Faustschlag hinters Ohr versetzte. Da ich Miene
machte, mich zu wehren, schlug der Haufe mit Stöcken und Flegeln aus mich
los, indem sie riefen: „Schlagt ihn todt, den Hund, wie den Bilanski!" So
gut ich konnte, parirte ich die Schläge, indem ich meine Arme über den Kopf
hielt, um diesen wenigstens zu schützen. Aber endlich drangen die Hiebe auch
hier durch, blutend und vor Schmerzen schreiend, stürzte ich an der Stallthür
nieder. So lange ich noch schrie, schlugen sie zu, endlich siel ich in Ohn¬
macht.

Nun ließen sie mich liegen und gingen vor die Thür, Wache zu halten.
Nach einer Weile kam ich wieder zu mir. Es war inzwischen dunkel geworden,
und ich überlegte, was ich thun sollte, ob es besser wäre, ins Freie zu flüchten
und im Schutze der Dunkelheit den Bauern zu entwischen, oder mich in den
Krug zu begeben und beim Krüger oder irgendeinem Verständigem unter den
Bauern Schutz zu erbitten. In dem Gaststalle konnte ich nicht bleiben, in der
Winterkälte, ohne Nahrung und Wärme, aus Kopfwunden blutend, hätte ich
von dem Ersten Besten, der allein in den Stall gekommen wäre, niedergeschlagen
werden können; im Freien hätte ich vielleicht eine der benachbarten Hütten
erreichen und mich bei einem mitleidigen Menschen verstecken können, vielleicht
aber auch nicht, und wäre ich fliehend erreicht worden, so würde der Tod mein
sicheres Loos gewesen sein. Ich beschloß also durch eine vom Stall direct in
den Krug führende Thür in die Hinterstube des Krügers zu schleichen und mich
dort oder irgendwo anders von demselben verstecken zu lassen. Aber in dem
Augenblick, wo ich mich aufraffte, Mußten meine Bewegungen wohl von einem
der wachehaltenden Bauern bemerkt worden sein; denn sie stürzten mit Geschrei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/53>, abgerufen am 15.01.2025.