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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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angekommen wären, welche sich unfehlbar bei ihm melden würden. Er sei nicht
zweifelhaft, was er ihnen als kaiserlich östreichischer Minister zu antworten habe;
indeß wünsche er zu vernehmen, ob die Versammlung mit seinen Ansichten
einverstanden sei. Es scheine ihm, daß man so wenig einen Verein deutscher
Kaufleute als einen Verein deutscher Professoren, Studenten, Tischler oder dergl.
anerkennen könne. Ein deutscher Verein, der nirgends eigentlich zu Hause ge¬
höre, sei überdies nicht denkbar, allenfalls ein bayerischer, ein badischer u. s. w.,
wenn die Negierung dazu autorisire. Aus diesen und andern Gründen halte
der Fürst dafür, daß den Deputirten zu erklären sei, man könne mit ihnen in
keine Verhandlung treten." "Niemand, selbst nicht der großherzoglich und
Herzvglich sächsische Gesandte, widersprach dieser Ansicht, vielmehr äußerten sich
Einige noch härter über das Treiben des Vereins und über die angemaßte
Benennung."

Selbstverständlich ist daraus nicht zu schließen, daß der Fürst die Herren
List und Genossen schroff abgewiesen habe; denn von ihm bis auf Halbhuber
war es Regel für den östreichischen Beamten, die deutschen Brüder mit bezau¬
bernder Liebenswürdigkeit zu behandeln und dadurch-zu verblenden. Derselbe
Metternich, der am 10. Januar so geringschätzig über den Handelsverein redete,
verschaffte wenige Wochen nachher dem Professor List eine Audienz bei Kaiser
Franz. Natürlich blieb niemand den Listschen Ideen, so feindselig sie gegen
Preußen waren, und obwohl sie eigentlich auf Ausdehnung des östreichischen
Schutzsystems auf ganz Deutschland hinausliefen, fremder als Metternich. Aber
der Kaiser sprach zu List als ein wahrer Vater des deutschen Vaterlandes und
wollte sogar die ihm überreichten Acten prüfen. Kein Wunder, daß die Depu¬
taten des Handelsvercins bei ihren mitleiderregenden Illusionen über den guten
Willen Oestreichs verblieben.

In der Plenarsitzung vom 8. Januar endlich wurde beschlossen, daß der
zehnte Ausschuß wegen der Handelsverhältnisse sich als constituirt betrachten
könne, und vier Tage später fand bei Graf Bernstorff. dem Präsidirenden, die
erste Sitzung desselben statt. Bernstorff eröffnete sie damit, daß er den Mißgriff
des vorigen wiener Congresses beklagte, aus einer gewissen Liberalität mehre
das Bundesverhältniß nicht berührende Gegenstände zur künstigen Berathung
verstellt zu haben. Insbesondre gehöre dahin Handel und Verkehr, welcher auf
der Autonomie der Einzelstaaten beruhe und mit deren eigenthümlichen Steuer¬
systemen genau zusammenhänge, Preußen könne von seinem Systeme durchaus
nicht ablassen, der Bund als solcher keine Erleichterung gewähren. Nur durch
Verträge einzelner Staaten unter einander lasse sich helfen. Es sei überflüssig'
hier über die Angelegenheit weiter in Berathung zu treten, und er glaube, daß
man sich begnügen könne, dies der Plenarvcrsammlung anzuzeigen. Hierauf
erwiderte Berstett, wenn der Ausschuß diese Ansicht theile, werde er sich dagegen


angekommen wären, welche sich unfehlbar bei ihm melden würden. Er sei nicht
zweifelhaft, was er ihnen als kaiserlich östreichischer Minister zu antworten habe;
indeß wünsche er zu vernehmen, ob die Versammlung mit seinen Ansichten
einverstanden sei. Es scheine ihm, daß man so wenig einen Verein deutscher
Kaufleute als einen Verein deutscher Professoren, Studenten, Tischler oder dergl.
anerkennen könne. Ein deutscher Verein, der nirgends eigentlich zu Hause ge¬
höre, sei überdies nicht denkbar, allenfalls ein bayerischer, ein badischer u. s. w.,
wenn die Negierung dazu autorisire. Aus diesen und andern Gründen halte
der Fürst dafür, daß den Deputirten zu erklären sei, man könne mit ihnen in
keine Verhandlung treten." „Niemand, selbst nicht der großherzoglich und
Herzvglich sächsische Gesandte, widersprach dieser Ansicht, vielmehr äußerten sich
Einige noch härter über das Treiben des Vereins und über die angemaßte
Benennung."

Selbstverständlich ist daraus nicht zu schließen, daß der Fürst die Herren
List und Genossen schroff abgewiesen habe; denn von ihm bis auf Halbhuber
war es Regel für den östreichischen Beamten, die deutschen Brüder mit bezau¬
bernder Liebenswürdigkeit zu behandeln und dadurch-zu verblenden. Derselbe
Metternich, der am 10. Januar so geringschätzig über den Handelsverein redete,
verschaffte wenige Wochen nachher dem Professor List eine Audienz bei Kaiser
Franz. Natürlich blieb niemand den Listschen Ideen, so feindselig sie gegen
Preußen waren, und obwohl sie eigentlich auf Ausdehnung des östreichischen
Schutzsystems auf ganz Deutschland hinausliefen, fremder als Metternich. Aber
der Kaiser sprach zu List als ein wahrer Vater des deutschen Vaterlandes und
wollte sogar die ihm überreichten Acten prüfen. Kein Wunder, daß die Depu¬
taten des Handelsvercins bei ihren mitleiderregenden Illusionen über den guten
Willen Oestreichs verblieben.

In der Plenarsitzung vom 8. Januar endlich wurde beschlossen, daß der
zehnte Ausschuß wegen der Handelsverhältnisse sich als constituirt betrachten
könne, und vier Tage später fand bei Graf Bernstorff. dem Präsidirenden, die
erste Sitzung desselben statt. Bernstorff eröffnete sie damit, daß er den Mißgriff
des vorigen wiener Congresses beklagte, aus einer gewissen Liberalität mehre
das Bundesverhältniß nicht berührende Gegenstände zur künstigen Berathung
verstellt zu haben. Insbesondre gehöre dahin Handel und Verkehr, welcher auf
der Autonomie der Einzelstaaten beruhe und mit deren eigenthümlichen Steuer¬
systemen genau zusammenhänge, Preußen könne von seinem Systeme durchaus
nicht ablassen, der Bund als solcher keine Erleichterung gewähren. Nur durch
Verträge einzelner Staaten unter einander lasse sich helfen. Es sei überflüssig'
hier über die Angelegenheit weiter in Berathung zu treten, und er glaube, daß
man sich begnügen könne, dies der Plenarvcrsammlung anzuzeigen. Hierauf
erwiderte Berstett, wenn der Ausschuß diese Ansicht theile, werde er sich dagegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/518>, abgerufen am 15.01.2025.