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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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nicht fehlen, und an Courage mangelte es ihm auch nicht; denn er stellte sein
Elaborat dem preußischen Minister Bernstorff zu, von dem es jedoch "zurück¬
gegeben" wurde.

Inzwischen war die Handclsfrage von zwei verschiedenen Seiten außerhalb
der Conferenz lebhafter angeregt worden, vom Herzog von Cöthen, der Mitte
December nach Wien gekommen war, um in der Hoffnung auf östreichische
Unterstützung gegen die "preußischen Zoll- und Steuerbedrückungen" zu pro-
testiren, "ein einsichtsvoller, trefflich gesinnter Herr", der an v. Berg "wahr¬
haftig einen muthigen Kämpfer" zur Seite hatte, dann von den rührigen Ver¬
tretern des deutschen Handelsvereins*), die, Friedrich List an der Spitze, am 6. Ja¬
nuar in der östreichischen Hauptstadt eingetroffen waren. Die Vertrauensselig¬
keit und Gutmüthigkeit der letzteren wirkt, wenn man sie mit der Stimmung
in der Conferenz zusammenhält, überaus komisch. "Sämmtliche Regierungen,"
will List am 10. Januar durch Privatertundigungen in Erfahrung gebracht
haben, "mit Ausnahme von Oestreich, Preußen und Hannover, werden sich
unumwunden für unsre Sache (Aufhebung der Zolliinien im Innern Deutsch¬
lands) erklären, und auch von jenen ist noch das Beste zu hoffen." Und um
dieselbe Zeit schrieb er an seine Frau: "Wir sind auf dem Wege, die östreichische
Regierung auf andere Ansichten zu bringen und uns geneigt zu machen; unsre
Sache macht gewaltiges Aufsehen sowohl am Congreß als in der Hauptstadt;
der Congreß hat zu unsern Gunsten schon einige Beschlüsse gefaßt." -- Dagegen
sagt der Bericht eines der Conferenzmitglieder vom 10. Januar (wohl zu be¬
merken, der Berichterstatter gehörte zu den Freisinnigsten unter den versammelten
Herren): "Die Ankunft der Abgeordneten des Handelsvereins gab dem Fürsten
Metternich die Veranlassung zu der Anfrage, welcher Bescheid ihnen zu ertheilen
sei. Man bemerkte, daß ein Verein von Handelsleuten verschiedener Bundes-
staaten keineswegs als Corporation, als verfassungs- und gesetzmäßige Genossen¬
schaft zu betrachten sei. Der Handelsstand jedes einzelnen Landes habe sich an
seinen Landesherr" zu wenden und dessen Vertretung zu erbitten -- ein Verein
deutscher Handelsleute sei ebenso wenig anzuerkennen als jeder andere Verein,
der nicht die Sanction des Landesherrn erhalten und von diesem vertreten
werde. Infolge dieser Bemerkungen wurde beschlossen, den angeblichen Bevoll¬
mächtigten anzudeuten, daß man sie nicht anerkenne, ihre Anträge nicht auf¬
nehmen könne. Fürst Metternich übernahm es. ihnen diese Eröffnung zu machen."
Ein anderer Gesandtschaftsbericht meldet hierüber Genaueres: "Endlich regte der
Fürst noch an, daß hier Deputirte des sogenannten deutschen Handelsvereins



') Es waren Kaufleute des südlichen und mittleren Deutschland, welche auf der Früh-
l'ngsmesse vou Z81!> zu Frankfurt a, M, zusammentraten, Nürnberg zu ihrem Mittelpunkt
Zählten, sich zuerst mit einer Bittschrift n" den Bundestag wandten, dann Abgeordnete an
verschiedene deutsche Höfe sandten und zulejzt auch in Wien mit einer Deputation erschienen.

nicht fehlen, und an Courage mangelte es ihm auch nicht; denn er stellte sein
Elaborat dem preußischen Minister Bernstorff zu, von dem es jedoch „zurück¬
gegeben" wurde.

Inzwischen war die Handclsfrage von zwei verschiedenen Seiten außerhalb
der Conferenz lebhafter angeregt worden, vom Herzog von Cöthen, der Mitte
December nach Wien gekommen war, um in der Hoffnung auf östreichische
Unterstützung gegen die „preußischen Zoll- und Steuerbedrückungen" zu pro-
testiren, „ein einsichtsvoller, trefflich gesinnter Herr", der an v. Berg „wahr¬
haftig einen muthigen Kämpfer" zur Seite hatte, dann von den rührigen Ver¬
tretern des deutschen Handelsvereins*), die, Friedrich List an der Spitze, am 6. Ja¬
nuar in der östreichischen Hauptstadt eingetroffen waren. Die Vertrauensselig¬
keit und Gutmüthigkeit der letzteren wirkt, wenn man sie mit der Stimmung
in der Conferenz zusammenhält, überaus komisch. „Sämmtliche Regierungen,"
will List am 10. Januar durch Privatertundigungen in Erfahrung gebracht
haben, „mit Ausnahme von Oestreich, Preußen und Hannover, werden sich
unumwunden für unsre Sache (Aufhebung der Zolliinien im Innern Deutsch¬
lands) erklären, und auch von jenen ist noch das Beste zu hoffen." Und um
dieselbe Zeit schrieb er an seine Frau: „Wir sind auf dem Wege, die östreichische
Regierung auf andere Ansichten zu bringen und uns geneigt zu machen; unsre
Sache macht gewaltiges Aufsehen sowohl am Congreß als in der Hauptstadt;
der Congreß hat zu unsern Gunsten schon einige Beschlüsse gefaßt." — Dagegen
sagt der Bericht eines der Conferenzmitglieder vom 10. Januar (wohl zu be¬
merken, der Berichterstatter gehörte zu den Freisinnigsten unter den versammelten
Herren): „Die Ankunft der Abgeordneten des Handelsvereins gab dem Fürsten
Metternich die Veranlassung zu der Anfrage, welcher Bescheid ihnen zu ertheilen
sei. Man bemerkte, daß ein Verein von Handelsleuten verschiedener Bundes-
staaten keineswegs als Corporation, als verfassungs- und gesetzmäßige Genossen¬
schaft zu betrachten sei. Der Handelsstand jedes einzelnen Landes habe sich an
seinen Landesherr» zu wenden und dessen Vertretung zu erbitten — ein Verein
deutscher Handelsleute sei ebenso wenig anzuerkennen als jeder andere Verein,
der nicht die Sanction des Landesherrn erhalten und von diesem vertreten
werde. Infolge dieser Bemerkungen wurde beschlossen, den angeblichen Bevoll¬
mächtigten anzudeuten, daß man sie nicht anerkenne, ihre Anträge nicht auf¬
nehmen könne. Fürst Metternich übernahm es. ihnen diese Eröffnung zu machen."
Ein anderer Gesandtschaftsbericht meldet hierüber Genaueres: „Endlich regte der
Fürst noch an, daß hier Deputirte des sogenannten deutschen Handelsvereins



') Es waren Kaufleute des südlichen und mittleren Deutschland, welche auf der Früh-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/517>, abgerufen am 15.01.2025.