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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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zu können, wechselte mit völliger Verzagtheit dieser Opposition. Ein "mittel¬
deutscher Gesandte" bei Aegidi (warum nicht deutlicher bezeichnen?) schreibt am
4. Januar 1820: "Ueber Freiheit des Handels scheint man Zeit gewinnen zu
wollen; man spricht, diese Angelegenheit bedürfe langer und reiflicher Erwägung".
Doch belebt sich ihm bis zum 8. Januar der Muth, und er schreibt: "Für
Handel und Wandel geht ein entfernter Hoffnungsstrahl auf; mehre der hier
Anwesenden haben sich das Wort gegeben, sehr stark sich darüber vernehmen
zu lassen und zu versuchen, ob Preußen wanke."

Der Hoffnungsstrahl scheint dem würdigen Herrn aus einer Denkschrift
hervorgeleuchtet zu sein, welche sich "über die Vollziehung des 19. Artikels der
Bundesacte" verbreitete, und in welcher der nassauische Minister v. Marschall,
ein besondrer Liebling Metternichs, sich allerdings sehr stark gegen Preußen
vernehmen ließ. "Während-der 19. Artikel der Bundesacte unvollzogen bleibt,
durchschneidet man Deutschland mit neuen Douanenlinien, trennt, was die
Natur vereinigt hat, gewaltsam und greift in die Eigentumsrechte von Hundert¬
tausenden deutscher Familien ein." Durch solche "Verbote" werde das Eigen¬
thum angegriffen, der Besitz vermindert. "So und nicht anders sind die neuen
Zolleinrichtungen in Deutschland empfunden worden, nur eine Stimme hat sich
gegen diese Neuerung erhoben und vorzugsweise, ja man muß es offen sagen,
mehr als alles andere eine allgemeine Unzufriedenheit erregt und erhöht, und
zwar grade in einem Zeitpunkte, wo Congresse und deutsche Bundesacte allen
Bewohnern der deutschen Staaten die feierliche Versicherung gaben, ihr Zustand
werde in dieser Beziehung nicht verschlimmert, sondern verbessert werden."
"Denjenigen, die zu Karlsbad sich mit den Maßregeln beschäftigten, der Ent-"
Wickelung der Keime einer sich äußernden gefährlichen Gährung in einem großen
Theile Deutschlands Schranken zu setzen, mußten daher auch die neuen Zoll¬
einrichtungen in einzelnen deutschen Staaten als eine der Hauptquellen der
Unzufriedenheit und als eines der Haupthilfsmittel erscheinen, dessen sich die
revolutionäre Partei in Deutschland mit Erfolg wirklich bediente. Es wurde
daher (wir lesen zwischen den Zeilen dieser charakteristischen Stelle: vor allem)
aus diesem Grunde und (wir setzen hinzu: nebenher) wegen der engen Ver¬
bindung dieser Angelegenheit mit dem Wohlstand der einzelnen deutschen
Bundesstaaten beschlossen, sie den gegenwärtigen hier eröffneten Cabinets-
berathungcn zu unterwerfen." So v. Marschalls Denkschrift, die zuletzt vier
Vorschläge machte, von denen die beiden ersten direct nach dem preußischen
Zollsystem aufschlugen. Diese Sätze lauten: "1. Neue Zoll-und Mauthanstalten.
Ausfuhr- und Einfuhrverbote sollen von einzelnen Bundesstaaten an ihren
Grenzen mit andern Bundesstaaten nicht errichtet werden. 2. Die nach dem
ersten Jänner 1814 neuerrichtcien Mauthen und eingeführten Zölle sollen auf¬
gehoben werden." Man sieht, an Deutlichkeit ließ es der nassauische Minister


zu können, wechselte mit völliger Verzagtheit dieser Opposition. Ein „mittel¬
deutscher Gesandte" bei Aegidi (warum nicht deutlicher bezeichnen?) schreibt am
4. Januar 1820: „Ueber Freiheit des Handels scheint man Zeit gewinnen zu
wollen; man spricht, diese Angelegenheit bedürfe langer und reiflicher Erwägung".
Doch belebt sich ihm bis zum 8. Januar der Muth, und er schreibt: „Für
Handel und Wandel geht ein entfernter Hoffnungsstrahl auf; mehre der hier
Anwesenden haben sich das Wort gegeben, sehr stark sich darüber vernehmen
zu lassen und zu versuchen, ob Preußen wanke."

Der Hoffnungsstrahl scheint dem würdigen Herrn aus einer Denkschrift
hervorgeleuchtet zu sein, welche sich „über die Vollziehung des 19. Artikels der
Bundesacte" verbreitete, und in welcher der nassauische Minister v. Marschall,
ein besondrer Liebling Metternichs, sich allerdings sehr stark gegen Preußen
vernehmen ließ. „Während-der 19. Artikel der Bundesacte unvollzogen bleibt,
durchschneidet man Deutschland mit neuen Douanenlinien, trennt, was die
Natur vereinigt hat, gewaltsam und greift in die Eigentumsrechte von Hundert¬
tausenden deutscher Familien ein." Durch solche „Verbote" werde das Eigen¬
thum angegriffen, der Besitz vermindert. „So und nicht anders sind die neuen
Zolleinrichtungen in Deutschland empfunden worden, nur eine Stimme hat sich
gegen diese Neuerung erhoben und vorzugsweise, ja man muß es offen sagen,
mehr als alles andere eine allgemeine Unzufriedenheit erregt und erhöht, und
zwar grade in einem Zeitpunkte, wo Congresse und deutsche Bundesacte allen
Bewohnern der deutschen Staaten die feierliche Versicherung gaben, ihr Zustand
werde in dieser Beziehung nicht verschlimmert, sondern verbessert werden."
„Denjenigen, die zu Karlsbad sich mit den Maßregeln beschäftigten, der Ent-»
Wickelung der Keime einer sich äußernden gefährlichen Gährung in einem großen
Theile Deutschlands Schranken zu setzen, mußten daher auch die neuen Zoll¬
einrichtungen in einzelnen deutschen Staaten als eine der Hauptquellen der
Unzufriedenheit und als eines der Haupthilfsmittel erscheinen, dessen sich die
revolutionäre Partei in Deutschland mit Erfolg wirklich bediente. Es wurde
daher (wir lesen zwischen den Zeilen dieser charakteristischen Stelle: vor allem)
aus diesem Grunde und (wir setzen hinzu: nebenher) wegen der engen Ver¬
bindung dieser Angelegenheit mit dem Wohlstand der einzelnen deutschen
Bundesstaaten beschlossen, sie den gegenwärtigen hier eröffneten Cabinets-
berathungcn zu unterwerfen." So v. Marschalls Denkschrift, die zuletzt vier
Vorschläge machte, von denen die beiden ersten direct nach dem preußischen
Zollsystem aufschlugen. Diese Sätze lauten: „1. Neue Zoll-und Mauthanstalten.
Ausfuhr- und Einfuhrverbote sollen von einzelnen Bundesstaaten an ihren
Grenzen mit andern Bundesstaaten nicht errichtet werden. 2. Die nach dem
ersten Jänner 1814 neuerrichtcien Mauthen und eingeführten Zölle sollen auf¬
gehoben werden." Man sieht, an Deutlichkeit ließ es der nassauische Minister


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/516>, abgerufen am 15.01.2025.