Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.diese. Das Gesetz, ein Segen für Preußen, schien ein Fluch für das übrige Freilich waren schon längst alle großen Staaten mit Zolllinien umgeben, 66
diese. Das Gesetz, ein Segen für Preußen, schien ein Fluch für das übrige Freilich waren schon längst alle großen Staaten mit Zolllinien umgeben, 66
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0513" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283866"/> <p xml:id="ID_1473" prev="#ID_1472"> diese. Das Gesetz, ein Segen für Preußen, schien ein Fluch für das übrige<lb/> Deutschland werden zu sollen. Und dazu trat noch ein anderes Moment. Drei-<lb/> zehn deutsche Staaten hatten Landestheile, die von preußischem Gebiet um¬<lb/> schlossen waren. Letzteres gegen unbesteuerten Eingang fremder Erzeugnisse zu<lb/> schließen, war auch hier Aufgabe der neuen Gesetzgebung, wenn sie ein allge¬<lb/> mein durchgreifendes Verbrauchssteucrsystcm einführen sollte. Andrerseits aber,<lb/> wie konnte Preußen sich daran wagen, solche Enclaven, solche Theile unab¬<lb/> hängiger Nachbarstaaten in seine Zollgrenzen einzuschließen, den Verkehr der-<lb/> selben mit den übrigen Gliedern ihrer Staaten zu unterbrechen, die Unterthanen<lb/> andrer deutscher Souveräne seiner Verbrauchsbesteuerung zu unterwerfen? War<lb/> die Benachtheiligung der Völker in der Störung ihrer natürlichen Handelsver.<lb/> Bindungen durch das neue preußische System vom Uebel, so war diese Krän¬<lb/> kung der Fürsten geradezu empörend. Ein Schrei der Entrüstung, des Ent¬<lb/> setzens über solche Anmaßung, solchen doppelten Frevel am Nützlichen und am<lb/> Heiligen, an den Interessen des Volkes und am Hoheitsrecht seiner Fürsten<lb/> Wiederhallte durch das ganze nichtpreußische Deutschland.</p><lb/> <p xml:id="ID_1474" next="#ID_1475"> Freilich waren schon längst alle großen Staaten mit Zolllinien umgeben,<lb/> und Oestreich huldigte sogar dem strengsten Prohibitivsystem. Freilich entsagte<lb/> Preußen jetzt allen Prohibitivmaßregeln und befreite Ein- und Ausfuhr wie<lb/> kein zweiter Großstaat. Aber indem es diesen großen Fortschritt in seinem<lb/> wirthschaftlichen Leben machte, bewirkte seine Lage und sein ganzes Verhältniß<lb/> Zu Deutschland, daß dieses in seinen Interessen auf das empfindlichste verletzt<lb/> wurde. Auch gute Patrioten stimmten in jenen Schrei des Unwillens ein;<lb/> denn diese nur auf Bereicherung der preußischen Staatskasse berechnete, nur<lb/> das Interesse des preußischen Handels und Gewerbes im Auge habende<lb/> Politik stand im schroffsten Gegensatz gegen die Aufgaben einer deutschen<lb/> Handelspolitik, welche Aufhebung aller Mauthlinien im Innern Deutschland»<lb/> und Verlegung der Aus- und Eingangszölle an die Grenzen des Bundes gebot.<lb/> Wenn jemals so mußte dieses Ziel jetzt, Angesichts der neuen Scheidewand,<lb/> welche Preußen errichtet, der Nation zum Bewußtsein kommen. Und so geschah<lb/> °s denn auch. Aber allerdings ließ sich an der Ausführbarkeit dieser Idee<lb/> Weiseln. Denn wenn die deutschen Staaten ihre Zölle aufgaben, wo fanden<lb/> Ersatz für die Einbuße ihrer Finanzen? Nahm der Handel eine größere<lb/> Freiheit als die bisherige in Anspruch, so waren andrerseits auch die Bedürfnisse<lb/> der Staaten gestiegen und forderten eine größere Summe indirecter. nicht ohne<lb/> Belästigung aufzubringender Abgaben. Schon jeder Einzelstaat hatte und diesem<lb/> Widerstreit zu kämpfen, aber noch weit weniger leicht ließen sich die Interessen<lb/> versöhnen, wenn etwas Gemeinsames geschehen sollte. Eins jedoch schien fest,<lb/> zustehen: zunächst mußte der. Eigenwille Preußens gebrochen und in seine<lb/> Schranken zurückgewiesen werden, und zwar hatte dies, da es sich um allgemein</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 66</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0513]
diese. Das Gesetz, ein Segen für Preußen, schien ein Fluch für das übrige
Deutschland werden zu sollen. Und dazu trat noch ein anderes Moment. Drei-
zehn deutsche Staaten hatten Landestheile, die von preußischem Gebiet um¬
schlossen waren. Letzteres gegen unbesteuerten Eingang fremder Erzeugnisse zu
schließen, war auch hier Aufgabe der neuen Gesetzgebung, wenn sie ein allge¬
mein durchgreifendes Verbrauchssteucrsystcm einführen sollte. Andrerseits aber,
wie konnte Preußen sich daran wagen, solche Enclaven, solche Theile unab¬
hängiger Nachbarstaaten in seine Zollgrenzen einzuschließen, den Verkehr der-
selben mit den übrigen Gliedern ihrer Staaten zu unterbrechen, die Unterthanen
andrer deutscher Souveräne seiner Verbrauchsbesteuerung zu unterwerfen? War
die Benachtheiligung der Völker in der Störung ihrer natürlichen Handelsver.
Bindungen durch das neue preußische System vom Uebel, so war diese Krän¬
kung der Fürsten geradezu empörend. Ein Schrei der Entrüstung, des Ent¬
setzens über solche Anmaßung, solchen doppelten Frevel am Nützlichen und am
Heiligen, an den Interessen des Volkes und am Hoheitsrecht seiner Fürsten
Wiederhallte durch das ganze nichtpreußische Deutschland.
Freilich waren schon längst alle großen Staaten mit Zolllinien umgeben,
und Oestreich huldigte sogar dem strengsten Prohibitivsystem. Freilich entsagte
Preußen jetzt allen Prohibitivmaßregeln und befreite Ein- und Ausfuhr wie
kein zweiter Großstaat. Aber indem es diesen großen Fortschritt in seinem
wirthschaftlichen Leben machte, bewirkte seine Lage und sein ganzes Verhältniß
Zu Deutschland, daß dieses in seinen Interessen auf das empfindlichste verletzt
wurde. Auch gute Patrioten stimmten in jenen Schrei des Unwillens ein;
denn diese nur auf Bereicherung der preußischen Staatskasse berechnete, nur
das Interesse des preußischen Handels und Gewerbes im Auge habende
Politik stand im schroffsten Gegensatz gegen die Aufgaben einer deutschen
Handelspolitik, welche Aufhebung aller Mauthlinien im Innern Deutschland»
und Verlegung der Aus- und Eingangszölle an die Grenzen des Bundes gebot.
Wenn jemals so mußte dieses Ziel jetzt, Angesichts der neuen Scheidewand,
welche Preußen errichtet, der Nation zum Bewußtsein kommen. Und so geschah
°s denn auch. Aber allerdings ließ sich an der Ausführbarkeit dieser Idee
Weiseln. Denn wenn die deutschen Staaten ihre Zölle aufgaben, wo fanden
Ersatz für die Einbuße ihrer Finanzen? Nahm der Handel eine größere
Freiheit als die bisherige in Anspruch, so waren andrerseits auch die Bedürfnisse
der Staaten gestiegen und forderten eine größere Summe indirecter. nicht ohne
Belästigung aufzubringender Abgaben. Schon jeder Einzelstaat hatte und diesem
Widerstreit zu kämpfen, aber noch weit weniger leicht ließen sich die Interessen
versöhnen, wenn etwas Gemeinsames geschehen sollte. Eins jedoch schien fest,
zustehen: zunächst mußte der. Eigenwille Preußens gebrochen und in seine
Schranken zurückgewiesen werden, und zwar hatte dies, da es sich um allgemein
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