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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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deutschen Angelegenheit Fortschritte zum Bessern absolut unmöglich sind, und
daß daher der Weg der Separatverträge zu betreten ist, wenn man vorwärts
kommen will; daß zweitens Separatbündnisse der kleinern deutschen Staaten
unter einander, zu denen Furcht oder Haß gegen Preußen gelegentlich hin¬
drängen, vor der Macht der Thatsachen stets zerfallen müssen, und daß drittens
ein entschlossener und unerschütterlicher Egoismus Preußens,
wie sehr er auch auf den ersten Blick die Interessen der übrigen Bundesstaaten
zu verletzen scheine, schließlich immer zum wahren Heile der ganzen
Nation ausschlagen wird.

Das Gesetz vom 26. Mai 1818 schuf für Preußen ein neues Zoll- und
Steuersystem, welches, alle Binnenzölle aufhebend, die Zolllinien an die Lan¬
desgrenzen verlegend, jede Beschränkung des Gewerbebetriebes aus bestimmte
Ortsclassen wegschaffend, eine vollkommen neue volkswirtschaftliche Aera be¬
gründete, dem Staate reiche, stets wachsende Einnahmen sicherte und die ver¬
schiedenen Theile desselben, die bis dahin eine Herrschaft gebildet, zu einer
Lebensgemeinschaft umgestaltete.

Dieser neuen nationalökonomischen Einheit gab dasselbe Gesetz eine durch¬
aus neue Stellung zum Auslande. England hatte nach dem Kriege unsre
Märkte mit seinen Waaren überschwemmt, unsrer Industrie verhängnißvolle
Concurrenz gemacht und durch die Korngesetze von 1813 unsre Urproduktion
von seinen Grenzen ausgeschlossen. Frankreich und Holland waren in ähnlicher
Weise gegen unser wirthschaftliches Leben vorgegangen. Alle Länder Europas
hatten ihre Zolllinien, nur Deutschland stand jeder fremden Waare offen. Das
wurde jetzt für Preußen anders. Zollgrenze trat der Zollgrenze gegenüber, und
der preußische Gewerbfleiß war fortan geschützt gegen die Länder, welche uns
von ihrem Markt ausschlossen und den unsern mit ihren Producten überflutheten-
Damit sollte jedoch keineswegs die Zahl der mit Prohibitivgesetzen verschanzten
Staaten um einen neuen vermehrt, keineswegs das Merkantilsystem, das man
in den innern Einrichtungen verlassen, an den Grenzen festgehalten werden-
Das genannte Gesetz war im Princip verschieden von dem Prohibitivsystem,
es> hatte die offenkundige Tendenz, den allgemeinen Handel zu entfesseln und
zu fördern, es ließ alle fremden Erzeugnisse mit alleiniger Ausnahme von Salz
und Spielkarten einbringen, verbrauchen und durchführen, alle inländischen fre>
exportiren, die nothwendigen Zölle endlich, welche von den importirten Waaren
erhoben wurden, waren mäßig und nach rationellen Grundsätzen bestimmt.

Nur einen Fehler schien das treffliche Gesetz zu haben: es war ein Gehet)
für den preußischen Staat, und Preußen war nicht Deutschland. Es trennte
daher in handelspolitischer Beziehung die Bevölkerung der nichtpreußischen
Staaten des letzteren von der preußischen ganz ebenso wie die Bevölkerung der
nichtdeutschen Länder, und es traf damit selbstverständlich jene viel härter als


deutschen Angelegenheit Fortschritte zum Bessern absolut unmöglich sind, und
daß daher der Weg der Separatverträge zu betreten ist, wenn man vorwärts
kommen will; daß zweitens Separatbündnisse der kleinern deutschen Staaten
unter einander, zu denen Furcht oder Haß gegen Preußen gelegentlich hin¬
drängen, vor der Macht der Thatsachen stets zerfallen müssen, und daß drittens
ein entschlossener und unerschütterlicher Egoismus Preußens,
wie sehr er auch auf den ersten Blick die Interessen der übrigen Bundesstaaten
zu verletzen scheine, schließlich immer zum wahren Heile der ganzen
Nation ausschlagen wird.

Das Gesetz vom 26. Mai 1818 schuf für Preußen ein neues Zoll- und
Steuersystem, welches, alle Binnenzölle aufhebend, die Zolllinien an die Lan¬
desgrenzen verlegend, jede Beschränkung des Gewerbebetriebes aus bestimmte
Ortsclassen wegschaffend, eine vollkommen neue volkswirtschaftliche Aera be¬
gründete, dem Staate reiche, stets wachsende Einnahmen sicherte und die ver¬
schiedenen Theile desselben, die bis dahin eine Herrschaft gebildet, zu einer
Lebensgemeinschaft umgestaltete.

Dieser neuen nationalökonomischen Einheit gab dasselbe Gesetz eine durch¬
aus neue Stellung zum Auslande. England hatte nach dem Kriege unsre
Märkte mit seinen Waaren überschwemmt, unsrer Industrie verhängnißvolle
Concurrenz gemacht und durch die Korngesetze von 1813 unsre Urproduktion
von seinen Grenzen ausgeschlossen. Frankreich und Holland waren in ähnlicher
Weise gegen unser wirthschaftliches Leben vorgegangen. Alle Länder Europas
hatten ihre Zolllinien, nur Deutschland stand jeder fremden Waare offen. Das
wurde jetzt für Preußen anders. Zollgrenze trat der Zollgrenze gegenüber, und
der preußische Gewerbfleiß war fortan geschützt gegen die Länder, welche uns
von ihrem Markt ausschlossen und den unsern mit ihren Producten überflutheten-
Damit sollte jedoch keineswegs die Zahl der mit Prohibitivgesetzen verschanzten
Staaten um einen neuen vermehrt, keineswegs das Merkantilsystem, das man
in den innern Einrichtungen verlassen, an den Grenzen festgehalten werden-
Das genannte Gesetz war im Princip verschieden von dem Prohibitivsystem,
es> hatte die offenkundige Tendenz, den allgemeinen Handel zu entfesseln und
zu fördern, es ließ alle fremden Erzeugnisse mit alleiniger Ausnahme von Salz
und Spielkarten einbringen, verbrauchen und durchführen, alle inländischen fre>
exportiren, die nothwendigen Zölle endlich, welche von den importirten Waaren
erhoben wurden, waren mäßig und nach rationellen Grundsätzen bestimmt.

Nur einen Fehler schien das treffliche Gesetz zu haben: es war ein Gehet)
für den preußischen Staat, und Preußen war nicht Deutschland. Es trennte
daher in handelspolitischer Beziehung die Bevölkerung der nichtpreußischen
Staaten des letzteren von der preußischen ganz ebenso wie die Bevölkerung der
nichtdeutschen Länder, und es traf damit selbstverständlich jene viel härter als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/512>, abgerufen am 15.01.2025.