Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Ihr Chaldun erblickt in der Religion nur das Einigungsmittel der arabischen Man wird nun einwerfe", sagt der Verfasser, allerdings habe Mohammad Dieses neue Moment, welches dem Glauben einen düstern Ernst verlieh, Ihr Chaldun erblickt in der Religion nur das Einigungsmittel der arabischen Man wird nun einwerfe», sagt der Verfasser, allerdings habe Mohammad Dieses neue Moment, welches dem Glauben einen düstern Ernst verlieh, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0492" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283845"/> <p xml:id="ID_1420" prev="#ID_1419"> Ihr Chaldun erblickt in der Religion nur das Einigungsmittel der arabischen<lb/> Stämme zum Kampfe gegen das Ausland.</p><lb/> <p xml:id="ID_1421"> Man wird nun einwerfe», sagt der Verfasser, allerdings habe Mohammad<lb/> Konstantinopel nicht erobert und Wien nicht belagert, aber er habe die Lehre<lb/> gepredigt, die den Orient zu solchen Thaten entflammt, es sei also doch in ihm<lb/> etwas Uebermenschliches gewesen. Dagegen Sprenger: Der Islam ist ganz<lb/> vorzüglich die Religion nomadischer und halbnomadischer Völker. Im anter^<lb/> bauenden Persien nahm er schon früh eine eigenthümliche Form an, und selbst<lb/> unter den seßhaft gewordenen Nomaden verlor er sehr bald seine Einfachheit.<lb/> In Arabien dagegen, seiner Heimath, wurde er noch in neuester Zeit (durch<lb/> Abd al Wachab) zu seiner ursprünglichen Reinheit zurückgeführt. Es scheint also<lb/> etwas im Boden zu sein, was seiner Entwickelung günstig ist. Jeder Reisende,<lb/> welcher so glücklich gewesen ist, einige Zeil in der Wüste zuzubringen, schwärmt<lb/> über den Einfluß der Luft aus die geistige Stimmung. Man fühlt sich von<lb/> Wonne berauscht und von jeder Bürde des Lebens befreit. Ein solches Klima<lb/> kann nicht ohne mächtigen Einfluß auf die geistigen Eigenschaften derer sein,<lb/> die unter ihm wohnen. Allerdings wächst der durchsichtige Monotheismus, den<lb/> wir im Islam finden, aus dem Boden hervor und paßt ganz für die Idiosyn¬<lb/> krasie der Nomaden. Allein selten beschäftigen sich die Araber mit Spekulationen<lb/> über höhere Dinge. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat es unter ihnen schon in den<lb/> ältesten Zeiten den einen und den andern Melchisedek oder Jethro gegeben, der<lb/> an einen Gott glaubte. Aber der Monotheismus ist an sich noch keine Reli¬<lb/> gion. Das Volk bedarf Feste, und zur Veranstaltung derselben ist der Aber¬<lb/> glaube, der ungeachtet des Bodens und der Luft unter den Massen im Ueber¬<lb/> fluß vorhanden ist, besser als eine ungreifbare Idee. So huldigten nicht nur<lb/> die handeltreibenden Stamme, welche so entartet waren, daß sie jüdischen Etno-<lb/> graphen für Kuschiten galten, sondern auch die reinen Araber Jahrtausende<lb/> lang einem sonnenlosen Polytheismus, und die, welche bessere Ueberzeugungen<lb/> hatten, sahen keinen Grund dagegen zu protestiren^, so lange nicht ein anderes<lb/> Moment hinzutrat, ohne welches, wie Mohammad meinte, die Religion für die<lb/> Araber ein Spiel und Zeitvertreib geblieben wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1422" next="#ID_1423"> Dieses neue Moment, welches dem Glauben einen düstern Ernst verlieh,<lb/> kam von außen. In der Zeit, in welcher der Prophet lebte, gab es überall<lb/> im Morgenlande Einstedler und Büßer, und eine große Anzahl von Menschen<lb/> schien einzig und allein darauf bedacht zu sein, sich diesseits für das Jenseits<lb/> vorzubereiten. Die Furcht vor der ewigen Strafe bewegte die Gemüther der¬<lb/> selben noch mehr als die Aussicht auf die Freuden des Paradieses, und obschon<lb/> die Araber viel schwächere Ahnungen von einem Fortleben nach dem Tode<lb/> haben als andere Nationen, so wurden doch auch sie von dieser Furcht ergriffen-<lb/> Die Aufgeklärten unter ihnen wurden nachdenklich und sannen aus Vorsicht^</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0492]
Ihr Chaldun erblickt in der Religion nur das Einigungsmittel der arabischen
Stämme zum Kampfe gegen das Ausland.
Man wird nun einwerfe», sagt der Verfasser, allerdings habe Mohammad
Konstantinopel nicht erobert und Wien nicht belagert, aber er habe die Lehre
gepredigt, die den Orient zu solchen Thaten entflammt, es sei also doch in ihm
etwas Uebermenschliches gewesen. Dagegen Sprenger: Der Islam ist ganz
vorzüglich die Religion nomadischer und halbnomadischer Völker. Im anter^
bauenden Persien nahm er schon früh eine eigenthümliche Form an, und selbst
unter den seßhaft gewordenen Nomaden verlor er sehr bald seine Einfachheit.
In Arabien dagegen, seiner Heimath, wurde er noch in neuester Zeit (durch
Abd al Wachab) zu seiner ursprünglichen Reinheit zurückgeführt. Es scheint also
etwas im Boden zu sein, was seiner Entwickelung günstig ist. Jeder Reisende,
welcher so glücklich gewesen ist, einige Zeil in der Wüste zuzubringen, schwärmt
über den Einfluß der Luft aus die geistige Stimmung. Man fühlt sich von
Wonne berauscht und von jeder Bürde des Lebens befreit. Ein solches Klima
kann nicht ohne mächtigen Einfluß auf die geistigen Eigenschaften derer sein,
die unter ihm wohnen. Allerdings wächst der durchsichtige Monotheismus, den
wir im Islam finden, aus dem Boden hervor und paßt ganz für die Idiosyn¬
krasie der Nomaden. Allein selten beschäftigen sich die Araber mit Spekulationen
über höhere Dinge. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat es unter ihnen schon in den
ältesten Zeiten den einen und den andern Melchisedek oder Jethro gegeben, der
an einen Gott glaubte. Aber der Monotheismus ist an sich noch keine Reli¬
gion. Das Volk bedarf Feste, und zur Veranstaltung derselben ist der Aber¬
glaube, der ungeachtet des Bodens und der Luft unter den Massen im Ueber¬
fluß vorhanden ist, besser als eine ungreifbare Idee. So huldigten nicht nur
die handeltreibenden Stamme, welche so entartet waren, daß sie jüdischen Etno-
graphen für Kuschiten galten, sondern auch die reinen Araber Jahrtausende
lang einem sonnenlosen Polytheismus, und die, welche bessere Ueberzeugungen
hatten, sahen keinen Grund dagegen zu protestiren^, so lange nicht ein anderes
Moment hinzutrat, ohne welches, wie Mohammad meinte, die Religion für die
Araber ein Spiel und Zeitvertreib geblieben wäre.
Dieses neue Moment, welches dem Glauben einen düstern Ernst verlieh,
kam von außen. In der Zeit, in welcher der Prophet lebte, gab es überall
im Morgenlande Einstedler und Büßer, und eine große Anzahl von Menschen
schien einzig und allein darauf bedacht zu sein, sich diesseits für das Jenseits
vorzubereiten. Die Furcht vor der ewigen Strafe bewegte die Gemüther der¬
selben noch mehr als die Aussicht auf die Freuden des Paradieses, und obschon
die Araber viel schwächere Ahnungen von einem Fortleben nach dem Tode
haben als andere Nationen, so wurden doch auch sie von dieser Furcht ergriffen-
Die Aufgeklärten unter ihnen wurden nachdenklich und sannen aus Vorsicht^
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