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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Hoffnungen, so entsprachen Schwarzer, der Minister der öffentlichen Arbeiten,
und Alexander Bach noch weniger den Erwartungen, mit welchen ihr Eintritt
in das Cabinet begrüßt wurde. In Schwarzers Wahl lag eine Anerkennung
der Presse, wie sie noch vor wenigen Monaten auch die kühnste Phantasie nicht
geträumt hätte. Gegen seine Persönlichkeit ließ sich manches einwenden.
Weder die Stellung, welche er früher eingenommen hatte -- zuerst Feuerwerker
in einem Artillerieregiment, dann untergeordneter Agent bei verschiedenen In¬
dustrie- und Handelsvereinen -- noch seine Bildung verliehen ihm hervor¬
ragende Ansprüche auf den Ministerposten. Auch die Allgemeine Oestreichische
Zeitung, welche jetzt die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, wurde wohl von
Schwarzer herausgegeben, aber nicht geleitet, geschweige denn geschrieben. Jeden¬
falls konnten Bureaukraten, welche sich den Staat als eine unverrückbare Stu¬
fenleiter von Aemtern dachten, wo nur ein bedächtiges Kummer von Sprosse
zu Sprosse gestattet ist, konnten die Freunde des ehrwürdigen Herkommens durch
Schwarzers Berufung sich verletzt fühlen. Am allerwenigsten ließ sich voraus¬
setzen, daß seine Gesinnungsfreunde, daß die Männer der Presse an der Er¬
hebung eines Journalisten Anstoß nehmen würden. Und dennoch kam es so.
Nicht die alten Beamten, sondern die Zeitungsschreiber erklärten das Minister¬
portefeuille in Schwarzers Händen für eine Herabwürdigung der Negierung;
nicht reactionäre, sondern radicale Blätter bespöttelten seine Ernennung mit den
Worten: "Nun sitzt das Proletariat im Ministerium". Der Repräsentant
der Demokratie im Ministerium wurde von den Demokraten in den Bann ge¬
than, wie umgekehrt wieder der Mann, welchem der Eintritt in das Ministerium
gleichbedeutend war mit dem Kampfe gegen die Demokratie, sich von ihnen aus
den Schild gehoben sah.

Alexander Bach, durch Vater und Oheim, zwei der geachtetsten Advo-
caten Wiens, in die Geschäftswelt und die besten bürgerlichen Kreise einge¬
führt, durch eine große Clientel selbständig gestellt, durch wiederholte längere
Reisen der gewöhnlichen Selbstzufriedenheit reicher Wiener entfremdet, nahm
bereits vor der Revolution, so weit es die enggezogenen Polizeischranken erlaubten,
regen Antheil an allen politischen Bestrebungen. Er Pflegte Verbindungen M>t
gleichgesinnten Männern in den Provinzen, übte einen überwiegenden Einfluß
auf die Richtung des juridisch-politischen Lesevcrcins und stand in genauen
Beziehungen zur ständischen Oppositionspartei. In den Mürztagen half Bach
(der spätere gehorsamste Diener der Reaction) den Adressensturm vorbereiten,
den Magistrat vertreiben, die Krisis beschleunigen. Nach der Revolution M
er sich, klüger als seine Freunde, in ein vieldeutiges Halbdunkel zurück. ^
geizte nicht nach der Ehre, eine Woche lang von der Aula vergöttert zu werden,
um schon in der folgenden Woche in Vergessenheit, wenn nicht gar in schnob
Verachtung zu fallen; ihn lockte auch nicht der Eintritt in das erste Revolution^


Hoffnungen, so entsprachen Schwarzer, der Minister der öffentlichen Arbeiten,
und Alexander Bach noch weniger den Erwartungen, mit welchen ihr Eintritt
in das Cabinet begrüßt wurde. In Schwarzers Wahl lag eine Anerkennung
der Presse, wie sie noch vor wenigen Monaten auch die kühnste Phantasie nicht
geträumt hätte. Gegen seine Persönlichkeit ließ sich manches einwenden.
Weder die Stellung, welche er früher eingenommen hatte — zuerst Feuerwerker
in einem Artillerieregiment, dann untergeordneter Agent bei verschiedenen In¬
dustrie- und Handelsvereinen — noch seine Bildung verliehen ihm hervor¬
ragende Ansprüche auf den Ministerposten. Auch die Allgemeine Oestreichische
Zeitung, welche jetzt die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, wurde wohl von
Schwarzer herausgegeben, aber nicht geleitet, geschweige denn geschrieben. Jeden¬
falls konnten Bureaukraten, welche sich den Staat als eine unverrückbare Stu¬
fenleiter von Aemtern dachten, wo nur ein bedächtiges Kummer von Sprosse
zu Sprosse gestattet ist, konnten die Freunde des ehrwürdigen Herkommens durch
Schwarzers Berufung sich verletzt fühlen. Am allerwenigsten ließ sich voraus¬
setzen, daß seine Gesinnungsfreunde, daß die Männer der Presse an der Er¬
hebung eines Journalisten Anstoß nehmen würden. Und dennoch kam es so.
Nicht die alten Beamten, sondern die Zeitungsschreiber erklärten das Minister¬
portefeuille in Schwarzers Händen für eine Herabwürdigung der Negierung;
nicht reactionäre, sondern radicale Blätter bespöttelten seine Ernennung mit den
Worten: „Nun sitzt das Proletariat im Ministerium". Der Repräsentant
der Demokratie im Ministerium wurde von den Demokraten in den Bann ge¬
than, wie umgekehrt wieder der Mann, welchem der Eintritt in das Ministerium
gleichbedeutend war mit dem Kampfe gegen die Demokratie, sich von ihnen aus
den Schild gehoben sah.

Alexander Bach, durch Vater und Oheim, zwei der geachtetsten Advo-
caten Wiens, in die Geschäftswelt und die besten bürgerlichen Kreise einge¬
führt, durch eine große Clientel selbständig gestellt, durch wiederholte längere
Reisen der gewöhnlichen Selbstzufriedenheit reicher Wiener entfremdet, nahm
bereits vor der Revolution, so weit es die enggezogenen Polizeischranken erlaubten,
regen Antheil an allen politischen Bestrebungen. Er Pflegte Verbindungen M>t
gleichgesinnten Männern in den Provinzen, übte einen überwiegenden Einfluß
auf die Richtung des juridisch-politischen Lesevcrcins und stand in genauen
Beziehungen zur ständischen Oppositionspartei. In den Mürztagen half Bach
(der spätere gehorsamste Diener der Reaction) den Adressensturm vorbereiten,
den Magistrat vertreiben, die Krisis beschleunigen. Nach der Revolution M
er sich, klüger als seine Freunde, in ein vieldeutiges Halbdunkel zurück. ^
geizte nicht nach der Ehre, eine Woche lang von der Aula vergöttert zu werden,
um schon in der folgenden Woche in Vergessenheit, wenn nicht gar in schnob
Verachtung zu fallen; ihn lockte auch nicht der Eintritt in das erste Revolution^


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[0482] Hoffnungen, so entsprachen Schwarzer, der Minister der öffentlichen Arbeiten, und Alexander Bach noch weniger den Erwartungen, mit welchen ihr Eintritt in das Cabinet begrüßt wurde. In Schwarzers Wahl lag eine Anerkennung der Presse, wie sie noch vor wenigen Monaten auch die kühnste Phantasie nicht geträumt hätte. Gegen seine Persönlichkeit ließ sich manches einwenden. Weder die Stellung, welche er früher eingenommen hatte — zuerst Feuerwerker in einem Artillerieregiment, dann untergeordneter Agent bei verschiedenen In¬ dustrie- und Handelsvereinen — noch seine Bildung verliehen ihm hervor¬ ragende Ansprüche auf den Ministerposten. Auch die Allgemeine Oestreichische Zeitung, welche jetzt die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, wurde wohl von Schwarzer herausgegeben, aber nicht geleitet, geschweige denn geschrieben. Jeden¬ falls konnten Bureaukraten, welche sich den Staat als eine unverrückbare Stu¬ fenleiter von Aemtern dachten, wo nur ein bedächtiges Kummer von Sprosse zu Sprosse gestattet ist, konnten die Freunde des ehrwürdigen Herkommens durch Schwarzers Berufung sich verletzt fühlen. Am allerwenigsten ließ sich voraus¬ setzen, daß seine Gesinnungsfreunde, daß die Männer der Presse an der Er¬ hebung eines Journalisten Anstoß nehmen würden. Und dennoch kam es so. Nicht die alten Beamten, sondern die Zeitungsschreiber erklärten das Minister¬ portefeuille in Schwarzers Händen für eine Herabwürdigung der Negierung; nicht reactionäre, sondern radicale Blätter bespöttelten seine Ernennung mit den Worten: „Nun sitzt das Proletariat im Ministerium". Der Repräsentant der Demokratie im Ministerium wurde von den Demokraten in den Bann ge¬ than, wie umgekehrt wieder der Mann, welchem der Eintritt in das Ministerium gleichbedeutend war mit dem Kampfe gegen die Demokratie, sich von ihnen aus den Schild gehoben sah. Alexander Bach, durch Vater und Oheim, zwei der geachtetsten Advo- caten Wiens, in die Geschäftswelt und die besten bürgerlichen Kreise einge¬ führt, durch eine große Clientel selbständig gestellt, durch wiederholte längere Reisen der gewöhnlichen Selbstzufriedenheit reicher Wiener entfremdet, nahm bereits vor der Revolution, so weit es die enggezogenen Polizeischranken erlaubten, regen Antheil an allen politischen Bestrebungen. Er Pflegte Verbindungen M>t gleichgesinnten Männern in den Provinzen, übte einen überwiegenden Einfluß auf die Richtung des juridisch-politischen Lesevcrcins und stand in genauen Beziehungen zur ständischen Oppositionspartei. In den Mürztagen half Bach (der spätere gehorsamste Diener der Reaction) den Adressensturm vorbereiten, den Magistrat vertreiben, die Krisis beschleunigen. Nach der Revolution M er sich, klüger als seine Freunde, in ein vieldeutiges Halbdunkel zurück. ^ geizte nicht nach der Ehre, eine Woche lang von der Aula vergöttert zu werden, um schon in der folgenden Woche in Vergessenheit, wenn nicht gar in schnob Verachtung zu fallen; ihn lockte auch nicht der Eintritt in das erste Revolution^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/482>, abgerufen am 15.01.2025.