Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

War nicht unbedingt die Wünsche der herrschenden Partei. Außer Doblhoff
und Messender", waren auch noch Kraus und Latour aus dem alten Cabinet
>n das neue herübergenommen worden. Das Verbleiben des Finanzministers
fand geringen Widerspruch, da niemand ihn um seinen Posten beneidete, die
Leitung der östreichischen Finanzen mehr die Sache des verzweifelt Muthigen
als des Ehrgeizigen erschien. Desto größeren Anstoß erregte Latonrs Verbleiben
Amte. Nur die dringendsten Vorstellungen von seiner Unentbehrlichkeit,
Von der nothwendigen Rücksicht, die man auf die Armee und ihre Führer
nehmen müsse, verhinderten den offenen Ausbruch der Parteileidenschaft. Die
Radicalen konnten übrigens die Gegenwart der alten Minister im Cabinet leicht
dulden, da ihnen die Mehrzahl der Cabinetsmitgliedcr: Doblhoff, Hornbostel,
Schwarzer, Bach eine sichere Gewähr demokratischen Wirkens boten, und da das
Ministerium in seinem Programm die "Gründung einer volkstümlichen Mon¬
archie auf Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Volkswillcns" versprach
und das Bekenntniß ablegte, daß "eine Regierung nur dann kräftig sei, wenn
s'e im Volke wurzele".

"Doblhoff insbesondre wurde als das Muster eines Volksministers ge¬
feiert. Wenn zu den Merkmalen eines solchen die vollständige Unkenntniß der
Staatsgeschäfte, ein schweres Begreifen, ein langsames Sichentschließcn, eine
unbedingte Ziellosigkeit des Handelns gehört, dann war jene Bezeichnung richtig,
/''aber das Wohl des Staates gefördert wurde, wenn man dem Reichstag
Wien Mann gegenüberstellte, der im Privatleben allerdings makellos war, im
^ntlichen Leben dagegen höchstens zum Präsidenten eines landwirthschaftlichen
ererns taugte, ist eine andere Frage. Doblhoff hatte unter dem alten Negi-
'Amte die ständische Opposition, die jetzt zu den Conservativen zählte, niege-
^'u Das machte ihn den höhern Kreisen genehm. Er hatte in Innsbruck
uut Entschiedenheit einer versöhnenden Politik das Wort geredet und die schien-
"'ge Rückkehr des Hofes empfohlen. Das sicherte ihm das Wohlwollen der
'N'aler. Diese Verdienste waren nicht unbedeutend, es waren aber die letzten,
^lebe er sich j" Oestreich erwarb.

Hornbostel, der neue Handelsminister, ein tüchtiger Industrieller, schwärmte
^ als Minister für den allgemeinen Fortschritt, wie er es als Privatmann
^ han. blieb aber auch als Minister so harmlos wie früher. Seine Wahlrede
^ denn auch im Reichstage saß er als Abgeordneter für Wien -- hatte mit
^. Versicherung begonnen, daß er "von Politik und Speculationen dieser Art
^ verstehe". Seine Ernennung schmeichelte dem wiener Lokalpatriotismus.
^ überhaupt die Stärke des neuen Cabinets in der reichen Vertretung des
euer Elements ruhte, aber dem Staate selbst trug sie begreiflicherweise
^'nge Früchte.

. Tauschten schon Doblhoff und Hornbostel vielfach die auf sie gesetzten


War nicht unbedingt die Wünsche der herrschenden Partei. Außer Doblhoff
und Messender«, waren auch noch Kraus und Latour aus dem alten Cabinet
>n das neue herübergenommen worden. Das Verbleiben des Finanzministers
fand geringen Widerspruch, da niemand ihn um seinen Posten beneidete, die
Leitung der östreichischen Finanzen mehr die Sache des verzweifelt Muthigen
als des Ehrgeizigen erschien. Desto größeren Anstoß erregte Latonrs Verbleiben
Amte. Nur die dringendsten Vorstellungen von seiner Unentbehrlichkeit,
Von der nothwendigen Rücksicht, die man auf die Armee und ihre Führer
nehmen müsse, verhinderten den offenen Ausbruch der Parteileidenschaft. Die
Radicalen konnten übrigens die Gegenwart der alten Minister im Cabinet leicht
dulden, da ihnen die Mehrzahl der Cabinetsmitgliedcr: Doblhoff, Hornbostel,
Schwarzer, Bach eine sichere Gewähr demokratischen Wirkens boten, und da das
Ministerium in seinem Programm die „Gründung einer volkstümlichen Mon¬
archie auf Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Volkswillcns" versprach
und das Bekenntniß ablegte, daß „eine Regierung nur dann kräftig sei, wenn
s'e im Volke wurzele".

»Doblhoff insbesondre wurde als das Muster eines Volksministers ge¬
feiert. Wenn zu den Merkmalen eines solchen die vollständige Unkenntniß der
Staatsgeschäfte, ein schweres Begreifen, ein langsames Sichentschließcn, eine
unbedingte Ziellosigkeit des Handelns gehört, dann war jene Bezeichnung richtig,
/''aber das Wohl des Staates gefördert wurde, wenn man dem Reichstag
Wien Mann gegenüberstellte, der im Privatleben allerdings makellos war, im
^ntlichen Leben dagegen höchstens zum Präsidenten eines landwirthschaftlichen
ererns taugte, ist eine andere Frage. Doblhoff hatte unter dem alten Negi-
'Amte die ständische Opposition, die jetzt zu den Conservativen zählte, niege-
^'u Das machte ihn den höhern Kreisen genehm. Er hatte in Innsbruck
uut Entschiedenheit einer versöhnenden Politik das Wort geredet und die schien-
"'ge Rückkehr des Hofes empfohlen. Das sicherte ihm das Wohlwollen der
'N'aler. Diese Verdienste waren nicht unbedeutend, es waren aber die letzten,
^lebe er sich j„ Oestreich erwarb.

Hornbostel, der neue Handelsminister, ein tüchtiger Industrieller, schwärmte
^ als Minister für den allgemeinen Fortschritt, wie er es als Privatmann
^ han. blieb aber auch als Minister so harmlos wie früher. Seine Wahlrede
^ denn auch im Reichstage saß er als Abgeordneter für Wien — hatte mit
^. Versicherung begonnen, daß er „von Politik und Speculationen dieser Art
^ verstehe". Seine Ernennung schmeichelte dem wiener Lokalpatriotismus.
^ überhaupt die Stärke des neuen Cabinets in der reichen Vertretung des
euer Elements ruhte, aber dem Staate selbst trug sie begreiflicherweise
^'nge Früchte.

. Tauschten schon Doblhoff und Hornbostel vielfach die auf sie gesetzten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283834"/>
          <p xml:id="ID_1382" prev="#ID_1381"> War nicht unbedingt die Wünsche der herrschenden Partei. Außer Doblhoff<lb/>
und Messender«, waren auch noch Kraus und Latour aus dem alten Cabinet<lb/>
&gt;n das neue herübergenommen worden. Das Verbleiben des Finanzministers<lb/>
fand geringen Widerspruch, da niemand ihn um seinen Posten beneidete, die<lb/>
Leitung der östreichischen Finanzen mehr die Sache des verzweifelt Muthigen<lb/>
als des Ehrgeizigen erschien. Desto größeren Anstoß erregte Latonrs Verbleiben<lb/>
Amte. Nur die dringendsten Vorstellungen von seiner Unentbehrlichkeit,<lb/>
Von der nothwendigen Rücksicht, die man auf die Armee und ihre Führer<lb/>
nehmen müsse, verhinderten den offenen Ausbruch der Parteileidenschaft. Die<lb/>
Radicalen konnten übrigens die Gegenwart der alten Minister im Cabinet leicht<lb/>
dulden, da ihnen die Mehrzahl der Cabinetsmitgliedcr: Doblhoff, Hornbostel,<lb/>
Schwarzer, Bach eine sichere Gewähr demokratischen Wirkens boten, und da das<lb/>
Ministerium in seinem Programm die &#x201E;Gründung einer volkstümlichen Mon¬<lb/>
archie auf Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Volkswillcns" versprach<lb/>
und das Bekenntniß ablegte, daß &#x201E;eine Regierung nur dann kräftig sei, wenn<lb/>
s'e im Volke wurzele".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1383"> »Doblhoff insbesondre wurde als das Muster eines Volksministers ge¬<lb/>
feiert. Wenn zu den Merkmalen eines solchen die vollständige Unkenntniß der<lb/>
Staatsgeschäfte, ein schweres Begreifen, ein langsames Sichentschließcn, eine<lb/>
unbedingte Ziellosigkeit des Handelns gehört, dann war jene Bezeichnung richtig,<lb/>
/''aber das Wohl des Staates gefördert wurde, wenn man dem Reichstag<lb/>
Wien Mann gegenüberstellte, der im Privatleben allerdings makellos war, im<lb/>
^ntlichen Leben dagegen höchstens zum Präsidenten eines landwirthschaftlichen<lb/>
ererns taugte, ist eine andere Frage. Doblhoff hatte unter dem alten Negi-<lb/>
'Amte die ständische Opposition, die jetzt zu den Conservativen zählte, niege-<lb/>
^'u Das machte ihn den höhern Kreisen genehm. Er hatte in Innsbruck<lb/>
uut Entschiedenheit einer versöhnenden Politik das Wort geredet und die schien-<lb/>
"'ge Rückkehr des Hofes empfohlen.  Das sicherte ihm das Wohlwollen der<lb/>
'N'aler. Diese Verdienste waren nicht unbedeutend, es waren aber die letzten,<lb/>
^lebe er sich j&#x201E; Oestreich erwarb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1384"> Hornbostel, der neue Handelsminister, ein tüchtiger Industrieller, schwärmte<lb/>
^ als Minister für den allgemeinen Fortschritt, wie er es als Privatmann<lb/>
^ han. blieb aber auch als Minister so harmlos wie früher. Seine Wahlrede<lb/>
^ denn auch im Reichstage saß er als Abgeordneter für Wien &#x2014; hatte mit<lb/>
^. Versicherung begonnen, daß er &#x201E;von Politik und Speculationen dieser Art<lb/>
^ verstehe". Seine Ernennung schmeichelte dem wiener Lokalpatriotismus.<lb/>
^ überhaupt die Stärke des neuen Cabinets in der reichen Vertretung des<lb/>
euer Elements ruhte, aber dem Staate selbst trug sie begreiflicherweise<lb/>
^'nge Früchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1385" next="#ID_1386"> . Tauschten schon Doblhoff und Hornbostel vielfach die auf sie gesetzten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0481] War nicht unbedingt die Wünsche der herrschenden Partei. Außer Doblhoff und Messender«, waren auch noch Kraus und Latour aus dem alten Cabinet >n das neue herübergenommen worden. Das Verbleiben des Finanzministers fand geringen Widerspruch, da niemand ihn um seinen Posten beneidete, die Leitung der östreichischen Finanzen mehr die Sache des verzweifelt Muthigen als des Ehrgeizigen erschien. Desto größeren Anstoß erregte Latonrs Verbleiben Amte. Nur die dringendsten Vorstellungen von seiner Unentbehrlichkeit, Von der nothwendigen Rücksicht, die man auf die Armee und ihre Führer nehmen müsse, verhinderten den offenen Ausbruch der Parteileidenschaft. Die Radicalen konnten übrigens die Gegenwart der alten Minister im Cabinet leicht dulden, da ihnen die Mehrzahl der Cabinetsmitgliedcr: Doblhoff, Hornbostel, Schwarzer, Bach eine sichere Gewähr demokratischen Wirkens boten, und da das Ministerium in seinem Programm die „Gründung einer volkstümlichen Mon¬ archie auf Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Volkswillcns" versprach und das Bekenntniß ablegte, daß „eine Regierung nur dann kräftig sei, wenn s'e im Volke wurzele". »Doblhoff insbesondre wurde als das Muster eines Volksministers ge¬ feiert. Wenn zu den Merkmalen eines solchen die vollständige Unkenntniß der Staatsgeschäfte, ein schweres Begreifen, ein langsames Sichentschließcn, eine unbedingte Ziellosigkeit des Handelns gehört, dann war jene Bezeichnung richtig, /''aber das Wohl des Staates gefördert wurde, wenn man dem Reichstag Wien Mann gegenüberstellte, der im Privatleben allerdings makellos war, im ^ntlichen Leben dagegen höchstens zum Präsidenten eines landwirthschaftlichen ererns taugte, ist eine andere Frage. Doblhoff hatte unter dem alten Negi- 'Amte die ständische Opposition, die jetzt zu den Conservativen zählte, niege- ^'u Das machte ihn den höhern Kreisen genehm. Er hatte in Innsbruck uut Entschiedenheit einer versöhnenden Politik das Wort geredet und die schien- "'ge Rückkehr des Hofes empfohlen. Das sicherte ihm das Wohlwollen der 'N'aler. Diese Verdienste waren nicht unbedeutend, es waren aber die letzten, ^lebe er sich j„ Oestreich erwarb. Hornbostel, der neue Handelsminister, ein tüchtiger Industrieller, schwärmte ^ als Minister für den allgemeinen Fortschritt, wie er es als Privatmann ^ han. blieb aber auch als Minister so harmlos wie früher. Seine Wahlrede ^ denn auch im Reichstage saß er als Abgeordneter für Wien — hatte mit ^. Versicherung begonnen, daß er „von Politik und Speculationen dieser Art ^ verstehe". Seine Ernennung schmeichelte dem wiener Lokalpatriotismus. ^ überhaupt die Stärke des neuen Cabinets in der reichen Vertretung des euer Elements ruhte, aber dem Staate selbst trug sie begreiflicherweise ^'nge Früchte. . Tauschten schon Doblhoff und Hornbostel vielfach die auf sie gesetzten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/481
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/481>, abgerufen am 15.01.2025.