Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.streben, sollte es zu einem blutigen Kampfe zwischen ihnen und den Südslawcn Als die Sectionsberathungen über das Programm begannen, zeigte sich Libell aus Posen zerschnitt den Knoten, indem er am 7. Juni vollständige ') In der Lausitz, i" Sachsen circa 40,000, in Preußen etwa S0.000 Köpfe stark. Ein
guter Junge baute damals dem harmlosen Vauernvölkchen eine wendische (serbische) Marseillaise- welche uns im Original gedruckt vorliegt, und deren Refrain in deutscher Uebersetzung lautet- "Auf. junges Serbenland, erkämpfe dir die Nationalität." streben, sollte es zu einem blutigen Kampfe zwischen ihnen und den Südslawcn Als die Sectionsberathungen über das Programm begannen, zeigte sich Libell aus Posen zerschnitt den Knoten, indem er am 7. Juni vollständige ') In der Lausitz, i» Sachsen circa 40,000, in Preußen etwa S0.000 Köpfe stark. Ein
guter Junge baute damals dem harmlosen Vauernvölkchen eine wendische (serbische) Marseillaise- welche uns im Original gedruckt vorliegt, und deren Refrain in deutscher Uebersetzung lautet- „Auf. junges Serbenland, erkämpfe dir die Nationalität." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283829"/> <p xml:id="ID_1368" prev="#ID_1367"> streben, sollte es zu einem blutigen Kampfe zwischen ihnen und den Südslawcn<lb/> kommen, so erklären wir feierlich, daß wir für unsre Stammgenossen Partei<lb/> nehmen werden." Der dritte Punkt des Programms beschäftigte sich mit den<lb/> außeröstreichischen Slawen. Zwischen Polen und Russen, so hieß es da. handle<lb/> eS sich vorzüglich um die Gleichstellung beider Nationalitäten. Sei diese be¬<lb/> wirkt und auch Rußland zu einer freisinnigen Politik bekehrt, so folge ein<lb/> innigeres Verständniß zwischen diesen beiden Völkern von selbst nach. Der<lb/> Türkei wurde ihr naher Sturz prophezeit. „Haben die Slawen in der Türkei<lb/> ihre Unabhängigkeit erkämpft, dann umschlingt auch sie das brüderliche Band<lb/> eines slawischen Bundesstaates." Dem „aufgeklärten Sachsenvolke" sprach man<lb/> die Erwartung aus, es werde die wendische Nationalität*) fernerhin nicht mehr<lb/> unterdrücken, und an die Preußen wurde dasselbe Ansinnen gestellt. Bei dieser<lb/> Gelegenheit wurde die Pflege slawischer Kunst und Wissenschaft, die Gründung<lb/> slawischer Akademien und Universitäten und die Einführung slawischer Gelehrten-<lb/> congresse warm empfohlen. Der vierte Punkt des Programms endlich protestirte<lb/> mit scharfen Worten gegen das deutsche Parlament: nie und nimmer wollte<lb/> man die Souveränetät Deutschlands über die innerhalb des deutschen Bundes<lb/> wohnenden Slawen dulden, nie den frankfurter Beschlüssen für diese bindende<lb/> Kraft zuerkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1369"> Als die Sectionsberathungen über das Programm begannen, zeigte sich<lb/> sofort, daß dasselbe völlig unbrauchbar war. Die czecho-slowakische Section<lb/> faßte eine volltönende Resolution, welche bei dem Mangel eines ExecutivorganS<lb/> zwar (wie später und noch heute alle solche Stilübungen) die Luft etwas er¬<lb/> schütterte, sonst aber nichts bedeutete. „Die versammelten Abgesandten der<lb/> slawischen Gemeinden und Völkerschaften treten auf der Basis der konstitutio¬<lb/> nellen Freiheiten in einen Verein zur Wahrung ihrer Nationalität und wollen<lb/> zu diesem Zweck alle Mittel gebrauchen, welche einer gesetzlich errichteten Ver¬<lb/> bindung zum Schutze angeborener Rechte gegen die Bedrücker möglich und<lb/> giltig sind." Die südslawische Section verlangte, in den entgegengesetzten Fehler<lb/> verfallend, von dem Congresse unmittelbare Intervention in dem Streite der<lb/> Kroaten und Serben mit der ungarischen Regierung durch Absendung einer Ge¬<lb/> sandtschaft an den Kaiser in Innsbruck. Der Congreß gerieth durch diese Be¬<lb/> schlüsse in Gefahr, je nachdem er dem einen oder dem andern folgte, sich ent¬<lb/> weder in philosophischem Nebel zu verlieren oder einen einseitig östreichische«<lb/> Charakter anzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1370" next="#ID_1371"> Libell aus Posen zerschnitt den Knoten, indem er am 7. Juni vollständige</p><lb/> <note xml:id="FID_32" place="foot"> ') In der Lausitz, i» Sachsen circa 40,000, in Preußen etwa S0.000 Köpfe stark. Ein<lb/> guter Junge baute damals dem harmlosen Vauernvölkchen eine wendische (serbische) Marseillaise-<lb/> welche uns im Original gedruckt vorliegt, und deren Refrain in deutscher Uebersetzung lautet-<lb/> „Auf. junges Serbenland, erkämpfe dir die Nationalität."</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
streben, sollte es zu einem blutigen Kampfe zwischen ihnen und den Südslawcn
kommen, so erklären wir feierlich, daß wir für unsre Stammgenossen Partei
nehmen werden." Der dritte Punkt des Programms beschäftigte sich mit den
außeröstreichischen Slawen. Zwischen Polen und Russen, so hieß es da. handle
eS sich vorzüglich um die Gleichstellung beider Nationalitäten. Sei diese be¬
wirkt und auch Rußland zu einer freisinnigen Politik bekehrt, so folge ein
innigeres Verständniß zwischen diesen beiden Völkern von selbst nach. Der
Türkei wurde ihr naher Sturz prophezeit. „Haben die Slawen in der Türkei
ihre Unabhängigkeit erkämpft, dann umschlingt auch sie das brüderliche Band
eines slawischen Bundesstaates." Dem „aufgeklärten Sachsenvolke" sprach man
die Erwartung aus, es werde die wendische Nationalität*) fernerhin nicht mehr
unterdrücken, und an die Preußen wurde dasselbe Ansinnen gestellt. Bei dieser
Gelegenheit wurde die Pflege slawischer Kunst und Wissenschaft, die Gründung
slawischer Akademien und Universitäten und die Einführung slawischer Gelehrten-
congresse warm empfohlen. Der vierte Punkt des Programms endlich protestirte
mit scharfen Worten gegen das deutsche Parlament: nie und nimmer wollte
man die Souveränetät Deutschlands über die innerhalb des deutschen Bundes
wohnenden Slawen dulden, nie den frankfurter Beschlüssen für diese bindende
Kraft zuerkennen.
Als die Sectionsberathungen über das Programm begannen, zeigte sich
sofort, daß dasselbe völlig unbrauchbar war. Die czecho-slowakische Section
faßte eine volltönende Resolution, welche bei dem Mangel eines ExecutivorganS
zwar (wie später und noch heute alle solche Stilübungen) die Luft etwas er¬
schütterte, sonst aber nichts bedeutete. „Die versammelten Abgesandten der
slawischen Gemeinden und Völkerschaften treten auf der Basis der konstitutio¬
nellen Freiheiten in einen Verein zur Wahrung ihrer Nationalität und wollen
zu diesem Zweck alle Mittel gebrauchen, welche einer gesetzlich errichteten Ver¬
bindung zum Schutze angeborener Rechte gegen die Bedrücker möglich und
giltig sind." Die südslawische Section verlangte, in den entgegengesetzten Fehler
verfallend, von dem Congresse unmittelbare Intervention in dem Streite der
Kroaten und Serben mit der ungarischen Regierung durch Absendung einer Ge¬
sandtschaft an den Kaiser in Innsbruck. Der Congreß gerieth durch diese Be¬
schlüsse in Gefahr, je nachdem er dem einen oder dem andern folgte, sich ent¬
weder in philosophischem Nebel zu verlieren oder einen einseitig östreichische«
Charakter anzunehmen.
Libell aus Posen zerschnitt den Knoten, indem er am 7. Juni vollständige
') In der Lausitz, i» Sachsen circa 40,000, in Preußen etwa S0.000 Köpfe stark. Ein
guter Junge baute damals dem harmlosen Vauernvölkchen eine wendische (serbische) Marseillaise-
welche uns im Original gedruckt vorliegt, und deren Refrain in deutscher Uebersetzung lautet-
„Auf. junges Serbenland, erkämpfe dir die Nationalität."
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