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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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ganze Wirksamkeit gelegt, die große Masse der übrigen Mitglieder mußte sich
damit begnügen, heilige Messen auf öffentlichen Plätzen und in Kirchen, nach
griechischem und lateinischen Ritus gelesen, zu hören. Ballfesten beizuwohnen
und durch schmucke Tracht und reiche Waffe die Aufmerksamkeit, besonders der
Straßenjugend, zu erregen."

Die Nichtöstreicher in der Versammlung sollten nach dem Programm nur
als Gäste betrachtet werden, in Wirklichkeit aber übten sie auf die Verhandlungen
den Haupteinfluß. Die Geschäftsordnung entwarf ein Wende aus der Lausitz,
die Grundzüge zu den wichtigsten Denkschriften ein fürstlich serbischer Beamter.
Libell aus Posen und der Russe Bakunin waren die Hauptredner in den ver¬
traulichen Sitzungen der Sectionen.

Die Gegenstände der Berathungen hatte bereits das provisorische Conn6
festgestellt. Zuerst wollte man die Stellung der Slawen zum östreichischen
Staatswesen erörtert haben. "Wir Slawen," sagte das Programm, "dürfen
">ehe ruhige Zuschauer bei Begebenheiten bleiben, welche die Existenz der Mon¬
archie in Frage stellen und uns am Ende selbst in den Abgrund der Ver-
nichtung reißen, wenn wir nicht außerordentliche Anstrengungen machen. Auf
die Minister ist kein Vertrauen zu setzen, sie haben keinen Einfluß bei Hose,
^e hegen eine exclusive deutsche Gesinnung und unterordnen sich einer slawen-
seindlichen Partei. Es ist überhaupt zu bezweifeln, ob jetzt dieses oder jenes
Ministerium die Monarchie zu retten vermag. Die Rettung liegt allein in
"nein innigen Anschluß der Völker aneinander. Die Völker müssen erkennen,
daß ihre staatliche Existenz wie ihre constitutionelle Freiheit nur gewahrt sei,
wenn sie sich ^ ximin östreichischen Bundesstaate vereinigen. Wir schlagen
daher den slawischen Völkern der Monarchie vor, in einen Volksbund zu treten,
Unter sich ein Schutz- und Trutzbündniß abzuschließen und die östreichische Mon-
^chic als Bundesstaat wieder aufzubauen." Das klang nun allerdings, als
°v die Slawen allein über Oestreich zu verfügen hätten, und um die Furcht
^ beschwichtigen, als wollten dieselben jetzt ihrerseits die Politik der Unter-
rückung üben, über die sie sich bisher so laut beschwert hatten, gab der Con-
Sreß im zweiten Punkte des Programms Aufklärung über die Art, wie die
Slawen ihre Stellung zu den übrigen Völkern des Kaiserstaats auffassen wollten.
'"^Händigen wir uns auf einem Völkertage in Wien durch eine gleiche An-
M)l von Vertretern über unsre gemeinschaftlichen Völkerinteressen."' Daß die
agyaren sich zu den Grundsätzen nationaler Gleichberechtigung bekennen und
^" slawischen Idiomen auf dem Landtage, vor Gericht und in der Schule gleiche
it/!""g. ""t dem magyarischen zugestehen müßten, nahm man als selbstver-
ndlich a". "Das Verständniß mehrer Sprachen gehört in den östreichischen
liet" ^" unabweisbaren Bedingungen für jene, welche sich dem öffcnt-
Leben widmen. Sollten die Magyaren dieser billigen Forderung wider-


ganze Wirksamkeit gelegt, die große Masse der übrigen Mitglieder mußte sich
damit begnügen, heilige Messen auf öffentlichen Plätzen und in Kirchen, nach
griechischem und lateinischen Ritus gelesen, zu hören. Ballfesten beizuwohnen
und durch schmucke Tracht und reiche Waffe die Aufmerksamkeit, besonders der
Straßenjugend, zu erregen."

Die Nichtöstreicher in der Versammlung sollten nach dem Programm nur
als Gäste betrachtet werden, in Wirklichkeit aber übten sie auf die Verhandlungen
den Haupteinfluß. Die Geschäftsordnung entwarf ein Wende aus der Lausitz,
die Grundzüge zu den wichtigsten Denkschriften ein fürstlich serbischer Beamter.
Libell aus Posen und der Russe Bakunin waren die Hauptredner in den ver¬
traulichen Sitzungen der Sectionen.

Die Gegenstände der Berathungen hatte bereits das provisorische Conn6
festgestellt. Zuerst wollte man die Stellung der Slawen zum östreichischen
Staatswesen erörtert haben. „Wir Slawen," sagte das Programm, „dürfen
">ehe ruhige Zuschauer bei Begebenheiten bleiben, welche die Existenz der Mon¬
archie in Frage stellen und uns am Ende selbst in den Abgrund der Ver-
nichtung reißen, wenn wir nicht außerordentliche Anstrengungen machen. Auf
die Minister ist kein Vertrauen zu setzen, sie haben keinen Einfluß bei Hose,
^e hegen eine exclusive deutsche Gesinnung und unterordnen sich einer slawen-
seindlichen Partei. Es ist überhaupt zu bezweifeln, ob jetzt dieses oder jenes
Ministerium die Monarchie zu retten vermag. Die Rettung liegt allein in
"nein innigen Anschluß der Völker aneinander. Die Völker müssen erkennen,
daß ihre staatliche Existenz wie ihre constitutionelle Freiheit nur gewahrt sei,
wenn sie sich ^ ximin östreichischen Bundesstaate vereinigen. Wir schlagen
daher den slawischen Völkern der Monarchie vor, in einen Volksbund zu treten,
Unter sich ein Schutz- und Trutzbündniß abzuschließen und die östreichische Mon-
^chic als Bundesstaat wieder aufzubauen." Das klang nun allerdings, als
°v die Slawen allein über Oestreich zu verfügen hätten, und um die Furcht
^ beschwichtigen, als wollten dieselben jetzt ihrerseits die Politik der Unter-
rückung üben, über die sie sich bisher so laut beschwert hatten, gab der Con-
Sreß im zweiten Punkte des Programms Aufklärung über die Art, wie die
Slawen ihre Stellung zu den übrigen Völkern des Kaiserstaats auffassen wollten.
'"^Händigen wir uns auf einem Völkertage in Wien durch eine gleiche An-
M)l von Vertretern über unsre gemeinschaftlichen Völkerinteressen."' Daß die
agyaren sich zu den Grundsätzen nationaler Gleichberechtigung bekennen und
^" slawischen Idiomen auf dem Landtage, vor Gericht und in der Schule gleiche
it/!""g. ""t dem magyarischen zugestehen müßten, nahm man als selbstver-
ndlich a«. „Das Verständniß mehrer Sprachen gehört in den östreichischen
liet" ^" unabweisbaren Bedingungen für jene, welche sich dem öffcnt-
Leben widmen. Sollten die Magyaren dieser billigen Forderung wider-


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[0475] ganze Wirksamkeit gelegt, die große Masse der übrigen Mitglieder mußte sich damit begnügen, heilige Messen auf öffentlichen Plätzen und in Kirchen, nach griechischem und lateinischen Ritus gelesen, zu hören. Ballfesten beizuwohnen und durch schmucke Tracht und reiche Waffe die Aufmerksamkeit, besonders der Straßenjugend, zu erregen." Die Nichtöstreicher in der Versammlung sollten nach dem Programm nur als Gäste betrachtet werden, in Wirklichkeit aber übten sie auf die Verhandlungen den Haupteinfluß. Die Geschäftsordnung entwarf ein Wende aus der Lausitz, die Grundzüge zu den wichtigsten Denkschriften ein fürstlich serbischer Beamter. Libell aus Posen und der Russe Bakunin waren die Hauptredner in den ver¬ traulichen Sitzungen der Sectionen. Die Gegenstände der Berathungen hatte bereits das provisorische Conn6 festgestellt. Zuerst wollte man die Stellung der Slawen zum östreichischen Staatswesen erörtert haben. „Wir Slawen," sagte das Programm, „dürfen ">ehe ruhige Zuschauer bei Begebenheiten bleiben, welche die Existenz der Mon¬ archie in Frage stellen und uns am Ende selbst in den Abgrund der Ver- nichtung reißen, wenn wir nicht außerordentliche Anstrengungen machen. Auf die Minister ist kein Vertrauen zu setzen, sie haben keinen Einfluß bei Hose, ^e hegen eine exclusive deutsche Gesinnung und unterordnen sich einer slawen- seindlichen Partei. Es ist überhaupt zu bezweifeln, ob jetzt dieses oder jenes Ministerium die Monarchie zu retten vermag. Die Rettung liegt allein in "nein innigen Anschluß der Völker aneinander. Die Völker müssen erkennen, daß ihre staatliche Existenz wie ihre constitutionelle Freiheit nur gewahrt sei, wenn sie sich ^ ximin östreichischen Bundesstaate vereinigen. Wir schlagen daher den slawischen Völkern der Monarchie vor, in einen Volksbund zu treten, Unter sich ein Schutz- und Trutzbündniß abzuschließen und die östreichische Mon- ^chic als Bundesstaat wieder aufzubauen." Das klang nun allerdings, als °v die Slawen allein über Oestreich zu verfügen hätten, und um die Furcht ^ beschwichtigen, als wollten dieselben jetzt ihrerseits die Politik der Unter- rückung üben, über die sie sich bisher so laut beschwert hatten, gab der Con- Sreß im zweiten Punkte des Programms Aufklärung über die Art, wie die Slawen ihre Stellung zu den übrigen Völkern des Kaiserstaats auffassen wollten. '"^Händigen wir uns auf einem Völkertage in Wien durch eine gleiche An- M)l von Vertretern über unsre gemeinschaftlichen Völkerinteressen."' Daß die agyaren sich zu den Grundsätzen nationaler Gleichberechtigung bekennen und ^" slawischen Idiomen auf dem Landtage, vor Gericht und in der Schule gleiche it/!""g. ""t dem magyarischen zugestehen müßten, nahm man als selbstver- ndlich a«. „Das Verständniß mehrer Sprachen gehört in den östreichischen liet" ^" unabweisbaren Bedingungen für jene, welche sich dem öffcnt- Leben widmen. Sollten die Magyaren dieser billigen Forderung wider-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/475>, abgerufen am 15.01.2025.