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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Verwerfung des mühsam vollendeten Programms beantragte und ein neues
vorlegte. Nach seiner Ansicht kam man der Aufgabe, die Einheit der Slawen
und mit dieser ihre weltbeherrschende Macht vorzubereiten, näher, wenn man
°'ne stetige Agitation unterhielt, als wenn man die Bedingungen eines Bünd¬
nisses erörterte, zu dessen Abschluß es an Vollmachten, und zu dessen Ver¬
wirklichung es an jeder Handhabe fehlte. Er empfahl periodischen Zusammen-
tritt des Kongresses und Gründung eines ständigen Ausschusses zu geregelter
Verwaltung der Geschäfte. An die Stelle des nichtssagenden Glaubensbekennt¬
nisses sollte ein Manifest an die Völker Europas treten. Wolle man noch ein
Uebriges thun, so möge man dem Kaiser eine Petition überreichen, welche die
Veschwerden und Wünsche eines jeden slawischen Stammes darlege.

Man sieht, daß Libell auf größere Uebereinstimmung der Zwecke des Con-
gresses mit den Grundfäden der allgemeinen europäischen Demokratie hinarbeitete
und die prager Versammlung dieser Partei dienstbar machen wollte, die zwar
"ut den Czechen das frankfurter Parlament haßte, weil es ihr zu monarchisch
dachte, und die mit den Kroaten dem ungarischen Ministerium abhold war,
^it in ihm das aristokratische Element überwog, die aber das Betonen des
nationalen Standpunkts als Beschränktheit betrachtete und sich kosmopolitischen
säumen hingab. In der Skizze, die Libell von dem Manifest an die euro¬
päischen Völker lieferte, kommt nichts vor, was nicht ebenso gut wie die Slawen
lever andere Volksstamm begehren konnte, alle Punkte sind erwähnt, welche der
demokratischen Partei des Continents am Herzen lagen, und das Schriftstück
U"t seiner Betonung der absoluten Volkssouveränetät und seiner Aufzählung
er Menschenrechte, welche die ideale Gesellschaft jedem Individuum garantirt,
^ete ebenso gut von Mazzini, von Pierre Leroux, Rüge oder Fröbel, als von
'dell verfaßt sein können. Dagegen mußte es dem im Grunde seines Herzens
^nservativcn Palazky, der den libeltschcn Entwurf, nachdem er allgemeine Zu-
' unmung gefunden, endgiltig festzustellen beauftragt wurde, ziemlich sauer an-
"willen, derartige Gedanken zu adoptiren. stimmten dieselben doch gar nicht mit
en ursprünglichen Tendenzen des Congresses überein. und vernichteten sie doch
Hoffnungen, welche die czechischcn Führer auf die Freundschaft des Adels
^ des Hofes setzten. Allein andrerseits durfte der Welt auch nicht das
chauspiel der Zwietracht gegeben werden, und nachdem die Mehrheit sich ein-
""l dem polnischen Einflüsse gefügt hatte, mußten die Bedenken des Einzelnen
^schwiegen bleiben. Auch Palazky gab nach, nur fügte er dem Manifest der
^vkratischm Politiker ein paar czechische Lieblingsmeinungen hinzu, unter
^neu sich der Ausdruck leidenschaftlichen Nacenhasses neben der zu Anfang und
" Ende vorkommenden Phrase von Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit
Inders komisch ausnahm. Mit demselben Athemzuge wurde die Gleichbe-
° ^'gnug aller Nationalitäten und das höhere Wesen der slawischen Natur,


Grenzboten III. izgs. 62

Verwerfung des mühsam vollendeten Programms beantragte und ein neues
vorlegte. Nach seiner Ansicht kam man der Aufgabe, die Einheit der Slawen
und mit dieser ihre weltbeherrschende Macht vorzubereiten, näher, wenn man
°'ne stetige Agitation unterhielt, als wenn man die Bedingungen eines Bünd¬
nisses erörterte, zu dessen Abschluß es an Vollmachten, und zu dessen Ver¬
wirklichung es an jeder Handhabe fehlte. Er empfahl periodischen Zusammen-
tritt des Kongresses und Gründung eines ständigen Ausschusses zu geregelter
Verwaltung der Geschäfte. An die Stelle des nichtssagenden Glaubensbekennt¬
nisses sollte ein Manifest an die Völker Europas treten. Wolle man noch ein
Uebriges thun, so möge man dem Kaiser eine Petition überreichen, welche die
Veschwerden und Wünsche eines jeden slawischen Stammes darlege.

Man sieht, daß Libell auf größere Uebereinstimmung der Zwecke des Con-
gresses mit den Grundfäden der allgemeinen europäischen Demokratie hinarbeitete
und die prager Versammlung dieser Partei dienstbar machen wollte, die zwar
"ut den Czechen das frankfurter Parlament haßte, weil es ihr zu monarchisch
dachte, und die mit den Kroaten dem ungarischen Ministerium abhold war,
^it in ihm das aristokratische Element überwog, die aber das Betonen des
nationalen Standpunkts als Beschränktheit betrachtete und sich kosmopolitischen
säumen hingab. In der Skizze, die Libell von dem Manifest an die euro¬
päischen Völker lieferte, kommt nichts vor, was nicht ebenso gut wie die Slawen
lever andere Volksstamm begehren konnte, alle Punkte sind erwähnt, welche der
demokratischen Partei des Continents am Herzen lagen, und das Schriftstück
U"t seiner Betonung der absoluten Volkssouveränetät und seiner Aufzählung
er Menschenrechte, welche die ideale Gesellschaft jedem Individuum garantirt,
^ete ebenso gut von Mazzini, von Pierre Leroux, Rüge oder Fröbel, als von
'dell verfaßt sein können. Dagegen mußte es dem im Grunde seines Herzens
^nservativcn Palazky, der den libeltschcn Entwurf, nachdem er allgemeine Zu-
' unmung gefunden, endgiltig festzustellen beauftragt wurde, ziemlich sauer an-
"willen, derartige Gedanken zu adoptiren. stimmten dieselben doch gar nicht mit
en ursprünglichen Tendenzen des Congresses überein. und vernichteten sie doch
Hoffnungen, welche die czechischcn Führer auf die Freundschaft des Adels
^ des Hofes setzten. Allein andrerseits durfte der Welt auch nicht das
chauspiel der Zwietracht gegeben werden, und nachdem die Mehrheit sich ein-
""l dem polnischen Einflüsse gefügt hatte, mußten die Bedenken des Einzelnen
^schwiegen bleiben. Auch Palazky gab nach, nur fügte er dem Manifest der
^vkratischm Politiker ein paar czechische Lieblingsmeinungen hinzu, unter
^neu sich der Ausdruck leidenschaftlichen Nacenhasses neben der zu Anfang und
" Ende vorkommenden Phrase von Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit
Inders komisch ausnahm. Mit demselben Athemzuge wurde die Gleichbe-
° ^'gnug aller Nationalitäten und das höhere Wesen der slawischen Natur,


Grenzboten III. izgs. 62
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[0477] Verwerfung des mühsam vollendeten Programms beantragte und ein neues vorlegte. Nach seiner Ansicht kam man der Aufgabe, die Einheit der Slawen und mit dieser ihre weltbeherrschende Macht vorzubereiten, näher, wenn man °'ne stetige Agitation unterhielt, als wenn man die Bedingungen eines Bünd¬ nisses erörterte, zu dessen Abschluß es an Vollmachten, und zu dessen Ver¬ wirklichung es an jeder Handhabe fehlte. Er empfahl periodischen Zusammen- tritt des Kongresses und Gründung eines ständigen Ausschusses zu geregelter Verwaltung der Geschäfte. An die Stelle des nichtssagenden Glaubensbekennt¬ nisses sollte ein Manifest an die Völker Europas treten. Wolle man noch ein Uebriges thun, so möge man dem Kaiser eine Petition überreichen, welche die Veschwerden und Wünsche eines jeden slawischen Stammes darlege. Man sieht, daß Libell auf größere Uebereinstimmung der Zwecke des Con- gresses mit den Grundfäden der allgemeinen europäischen Demokratie hinarbeitete und die prager Versammlung dieser Partei dienstbar machen wollte, die zwar "ut den Czechen das frankfurter Parlament haßte, weil es ihr zu monarchisch dachte, und die mit den Kroaten dem ungarischen Ministerium abhold war, ^it in ihm das aristokratische Element überwog, die aber das Betonen des nationalen Standpunkts als Beschränktheit betrachtete und sich kosmopolitischen säumen hingab. In der Skizze, die Libell von dem Manifest an die euro¬ päischen Völker lieferte, kommt nichts vor, was nicht ebenso gut wie die Slawen lever andere Volksstamm begehren konnte, alle Punkte sind erwähnt, welche der demokratischen Partei des Continents am Herzen lagen, und das Schriftstück U"t seiner Betonung der absoluten Volkssouveränetät und seiner Aufzählung er Menschenrechte, welche die ideale Gesellschaft jedem Individuum garantirt, ^ete ebenso gut von Mazzini, von Pierre Leroux, Rüge oder Fröbel, als von 'dell verfaßt sein können. Dagegen mußte es dem im Grunde seines Herzens ^nservativcn Palazky, der den libeltschcn Entwurf, nachdem er allgemeine Zu- ' unmung gefunden, endgiltig festzustellen beauftragt wurde, ziemlich sauer an- "willen, derartige Gedanken zu adoptiren. stimmten dieselben doch gar nicht mit en ursprünglichen Tendenzen des Congresses überein. und vernichteten sie doch Hoffnungen, welche die czechischcn Führer auf die Freundschaft des Adels ^ des Hofes setzten. Allein andrerseits durfte der Welt auch nicht das chauspiel der Zwietracht gegeben werden, und nachdem die Mehrheit sich ein- ""l dem polnischen Einflüsse gefügt hatte, mußten die Bedenken des Einzelnen ^schwiegen bleiben. Auch Palazky gab nach, nur fügte er dem Manifest der ^vkratischm Politiker ein paar czechische Lieblingsmeinungen hinzu, unter ^neu sich der Ausdruck leidenschaftlichen Nacenhasses neben der zu Anfang und " Ende vorkommenden Phrase von Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit Inders komisch ausnahm. Mit demselben Athemzuge wurde die Gleichbe- ° ^'gnug aller Nationalitäten und das höhere Wesen der slawischen Natur, Grenzboten III. izgs. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/477>, abgerufen am 15.01.2025.