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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Wohnende einen Mittelpunkt schaffen, sich selbst erst föderiren; dann erst konnte
man an die Föderation aller Völker gehen. Die Slowaken und Kroaten fühlten
ihre Jsolirung gegenüber den magyarischen Feinden am stärksten, bei ihnen
nahm der Gedanke eines slawischen Schutz, und TruiMndnisses am frühesten
greifbare Form an. Wie die Magyaren mit dem frankfurter Parlament Ver.
bindungen anknüpften, so bemühten sich die kroatischen Patrioten, sich mit den
Czechen zu verständigen. Iwan Kukuljewic regte in der illyrischen Zeitung die
Idee einer allgemeinen Slawenverbrüderung an. der slowakische Prediger Seur
wirkte in Prag in der gleichen Richtung.

Am 1. Mai 1848 überraschten die bisher fast nur geheim thätigen Agita.
loren die Welt mit einem pomphaften Ausruf an die ..Slawenbrüder", welcher
aber seine Spitze wesentlich gegen das frankfurter Parlament richtete. "Dieses
besteht daraus, daß der östreichische Staat auf seine Souveränität verzichte, daß
das Kaiserreich mit allen seinen nichtungarischen Provinzen dem deutschen
Bundesstaat beitrete. Ein solcher Schritt würde nicht nur die Einheit Oestreichs,
sondern auch die Selbständigkeit der slawischen Volksstämme vernichten. An
uns ist es. männlich zu schützen, was uns das Heiligste ist. uns mit einander
W verständigen und gemeinschaftlich zu berathen, was das Beste unsrer Natron
erfordert."

Handelte es sich wirklich nur um eine Verwahrung gegen Frankfurt, so
^°den allerdings dem konservativen Interesse durch den Slawencongreß keine
Gefahr. Aber konnte das ..Beste unsrer Nation" nicht andern Plänen als
Deckmantel dienen, nicht eine Slawisirung Oestreichs bedingen? Was hatten
d'c nicht zu Deutschland gehörenden Serben. Kroaten, Ruthenen und Slowaken
Segen das frankfurter Parlament zu Protestiren? Wie rechtfertigte man d.e
Umladung auch ..nichtöstreichischer Slawen" zur Theilnahme am Congresse?
Die Czechen. durch die Entwickelung der Verhältnisse mit der Negierungsvarter
augenblicklich enger verknüpft, fürchteten für den Erfolg ihrer Politik, wenn der
verdacht radicaler Pläne Wurzel faßte. Sie veröffentlichten daher zur Berühr-
Kung der nichtslawischen Oestreicher am 5. Mai ein Glaubensbekenntmß. in
welchem sie ihre Anhänglichkeit an die Dynastie versicherten, d.e Behauptung,
"is °b sie dem Panslawismus huldigten oder gar im Solde Rußlands standen,
S"b zurückwiesen und nichts als die Gleichberechtigung aller Nationalitäten in
Östreich zu erstreben vorgaben. Der Kongreß sollte, wie sie sagten, nur die
Integrität und Souveränität des Kaiserstaates schirmen. Damit gelang es ihnen
'" °er That, namentlich unter dem Adel Böhmens. Anhänger zu gewinnen,
zahlreiche Repräsentanten derselben ließen ihre Namen in die Listen des Con-
Kusses eintragen, und Gras Leo Thun, der Gubernialpräsident. nahm sogar an
vorberathenden Versammlung theil. Das wiener Ministerium verhielt sich
Segen den Slawencongreß gleichgiltig. da er die Verhältnisse der Hauptstadt


Wohnende einen Mittelpunkt schaffen, sich selbst erst föderiren; dann erst konnte
man an die Föderation aller Völker gehen. Die Slowaken und Kroaten fühlten
ihre Jsolirung gegenüber den magyarischen Feinden am stärksten, bei ihnen
nahm der Gedanke eines slawischen Schutz, und TruiMndnisses am frühesten
greifbare Form an. Wie die Magyaren mit dem frankfurter Parlament Ver.
bindungen anknüpften, so bemühten sich die kroatischen Patrioten, sich mit den
Czechen zu verständigen. Iwan Kukuljewic regte in der illyrischen Zeitung die
Idee einer allgemeinen Slawenverbrüderung an. der slowakische Prediger Seur
wirkte in Prag in der gleichen Richtung.

Am 1. Mai 1848 überraschten die bisher fast nur geheim thätigen Agita.
loren die Welt mit einem pomphaften Ausruf an die ..Slawenbrüder", welcher
aber seine Spitze wesentlich gegen das frankfurter Parlament richtete. „Dieses
besteht daraus, daß der östreichische Staat auf seine Souveränität verzichte, daß
das Kaiserreich mit allen seinen nichtungarischen Provinzen dem deutschen
Bundesstaat beitrete. Ein solcher Schritt würde nicht nur die Einheit Oestreichs,
sondern auch die Selbständigkeit der slawischen Volksstämme vernichten. An
uns ist es. männlich zu schützen, was uns das Heiligste ist. uns mit einander
W verständigen und gemeinschaftlich zu berathen, was das Beste unsrer Natron
erfordert."

Handelte es sich wirklich nur um eine Verwahrung gegen Frankfurt, so
^°den allerdings dem konservativen Interesse durch den Slawencongreß keine
Gefahr. Aber konnte das ..Beste unsrer Nation" nicht andern Plänen als
Deckmantel dienen, nicht eine Slawisirung Oestreichs bedingen? Was hatten
d'c nicht zu Deutschland gehörenden Serben. Kroaten, Ruthenen und Slowaken
Segen das frankfurter Parlament zu Protestiren? Wie rechtfertigte man d.e
Umladung auch ..nichtöstreichischer Slawen" zur Theilnahme am Congresse?
Die Czechen. durch die Entwickelung der Verhältnisse mit der Negierungsvarter
augenblicklich enger verknüpft, fürchteten für den Erfolg ihrer Politik, wenn der
verdacht radicaler Pläne Wurzel faßte. Sie veröffentlichten daher zur Berühr-
Kung der nichtslawischen Oestreicher am 5. Mai ein Glaubensbekenntmß. in
welchem sie ihre Anhänglichkeit an die Dynastie versicherten, d.e Behauptung,
"is °b sie dem Panslawismus huldigten oder gar im Solde Rußlands standen,
S"b zurückwiesen und nichts als die Gleichberechtigung aller Nationalitäten in
Östreich zu erstreben vorgaben. Der Kongreß sollte, wie sie sagten, nur die
Integrität und Souveränität des Kaiserstaates schirmen. Damit gelang es ihnen
'» °er That, namentlich unter dem Adel Böhmens. Anhänger zu gewinnen,
zahlreiche Repräsentanten derselben ließen ihre Namen in die Listen des Con-
Kusses eintragen, und Gras Leo Thun, der Gubernialpräsident. nahm sogar an
vorberathenden Versammlung theil. Das wiener Ministerium verhielt sich
Segen den Slawencongreß gleichgiltig. da er die Verhältnisse der Hauptstadt


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[0473] Wohnende einen Mittelpunkt schaffen, sich selbst erst föderiren; dann erst konnte man an die Föderation aller Völker gehen. Die Slowaken und Kroaten fühlten ihre Jsolirung gegenüber den magyarischen Feinden am stärksten, bei ihnen nahm der Gedanke eines slawischen Schutz, und TruiMndnisses am frühesten greifbare Form an. Wie die Magyaren mit dem frankfurter Parlament Ver. bindungen anknüpften, so bemühten sich die kroatischen Patrioten, sich mit den Czechen zu verständigen. Iwan Kukuljewic regte in der illyrischen Zeitung die Idee einer allgemeinen Slawenverbrüderung an. der slowakische Prediger Seur wirkte in Prag in der gleichen Richtung. Am 1. Mai 1848 überraschten die bisher fast nur geheim thätigen Agita. loren die Welt mit einem pomphaften Ausruf an die ..Slawenbrüder", welcher aber seine Spitze wesentlich gegen das frankfurter Parlament richtete. „Dieses besteht daraus, daß der östreichische Staat auf seine Souveränität verzichte, daß das Kaiserreich mit allen seinen nichtungarischen Provinzen dem deutschen Bundesstaat beitrete. Ein solcher Schritt würde nicht nur die Einheit Oestreichs, sondern auch die Selbständigkeit der slawischen Volksstämme vernichten. An uns ist es. männlich zu schützen, was uns das Heiligste ist. uns mit einander W verständigen und gemeinschaftlich zu berathen, was das Beste unsrer Natron erfordert." Handelte es sich wirklich nur um eine Verwahrung gegen Frankfurt, so ^°den allerdings dem konservativen Interesse durch den Slawencongreß keine Gefahr. Aber konnte das ..Beste unsrer Nation" nicht andern Plänen als Deckmantel dienen, nicht eine Slawisirung Oestreichs bedingen? Was hatten d'c nicht zu Deutschland gehörenden Serben. Kroaten, Ruthenen und Slowaken Segen das frankfurter Parlament zu Protestiren? Wie rechtfertigte man d.e Umladung auch ..nichtöstreichischer Slawen" zur Theilnahme am Congresse? Die Czechen. durch die Entwickelung der Verhältnisse mit der Negierungsvarter augenblicklich enger verknüpft, fürchteten für den Erfolg ihrer Politik, wenn der verdacht radicaler Pläne Wurzel faßte. Sie veröffentlichten daher zur Berühr- Kung der nichtslawischen Oestreicher am 5. Mai ein Glaubensbekenntmß. in welchem sie ihre Anhänglichkeit an die Dynastie versicherten, d.e Behauptung, "is °b sie dem Panslawismus huldigten oder gar im Solde Rußlands standen, S"b zurückwiesen und nichts als die Gleichberechtigung aller Nationalitäten in Östreich zu erstreben vorgaben. Der Kongreß sollte, wie sie sagten, nur die Integrität und Souveränität des Kaiserstaates schirmen. Damit gelang es ihnen '» °er That, namentlich unter dem Adel Böhmens. Anhänger zu gewinnen, zahlreiche Repräsentanten derselben ließen ihre Namen in die Listen des Con- Kusses eintragen, und Gras Leo Thun, der Gubernialpräsident. nahm sogar an vorberathenden Versammlung theil. Das wiener Ministerium verhielt sich Segen den Slawencongreß gleichgiltig. da er die Verhältnisse der Hauptstadt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/473>, abgerufen am 15.01.2025.