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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Die Einheit der Ziele beider Herrscher steht fest. Es ist ein und derselbe
Gedanke, der den Vater wie den Sohn führt und treibt, ein und derselbe
Glaube, der beide bei Erfolgen beglückt, bei Niederlagen emporrichtet. Die
Leitung der gesammten Christenheit in den Ordnungen der mittelalterlichen
Kirche und nach dem mittelalterlichen Staatsideal haben diese spanischen Herrscher
mit allen Mitteln moderner Regierungsweise, mit allen Werkzeugen moderner
Politik angestrebt. Aber Philipp nahm einen andern Anlauf als Karl, er
näherte sich von einer andern Seite seiner Aufgabe. Er griff auf die Politik
Ferdinands zurück. Auch bei Karl war die Grundlage und der Kern seiner
Macht über Europa die Königsgewalt auf der spanischen Halbinsel. Allein diese
spanische Basis tritt bei Philipp, der in Spanien geboren und von Spaniern
erzogen war, in weit höherem Grade hervor. Er war von Jugend aus ein
Spanier vom Scheitel bis zur Sohle, und er hat sich durchaus keiner andern
Denkweise, keiner andern Gefühlsrichtung anzunähern oder gar anzuschließen
bequemt.

Und an dieses spanische Reich fügte sich zunächst die Herrschaft in Italien.
Wie Karl, mehr und mehr auf die spanische Tendenz in den glorreichen Tagen
Ferdinands des Katholischen eingehend, immer deutlicher die Wichtigkeit des
oberitalischen Besitzes einsah, so war es für Philipp von Anfang an feststehendes
Axiom, daß er sich die Hoheit über Italien zu sichern habe, ein Axiom, das
ja schon in den augsburger Verabredungen von 1531 den eigentlichen Kern
der spanischen Forderungen ausgemacht hatte. Die Politik der spanischen Krone
vertrat ja von Jahr zu Jahr einseitiger die römische Kirche, und schon aus
diesem Grunde durfte man der unbedingten Herrschaft über Italien nicht
entsagen.

Die vorzugsweise katholischen Theile Europas also strebte der spanische
Philipp vor allem zusammenzuschmelzen, und in derselben Richtung arbeiteten
die Spanier jenseits des Meeres, auch in dem neuen Welttheil gingen sie als
Eroberer und Missionäre für das katholische Europa vor.

Der weitere Besitz dieser sich aufbauenden Universalmonarchie, von dem
Karl eigentlich ausgegangen war, das burgundische Erbe in den Niederlanden,
gab dann die Stelle ab, auf welcher von Norden her diese Tendenz ihre Hebel
ansetzte. Allerdings waren hier schon Symptome des Widerstandes sichtbar
geworden, welche die spanische Herrschaft bedrohten. Aber andrerseits hatte die
Habsburgische Politik hier in der Nachbarschaft in der letzten Zeit eine Hand¬
habe gefunden, sich in ihrer Stellung zu behaupten : die englische Heirath Phi'
lipps. die ihm dieses Land unter die Füße legen und mit demselben seine
Sicherheit in den Niederlanden verstärken sollte. Von England und den Nie-
verlanden aus den Nebenbuhler in Frankreich von einer andern Seite bedränge"
zu können, war für den der Weltherrschaft zustrebenden Spanier ein weiterer


Die Einheit der Ziele beider Herrscher steht fest. Es ist ein und derselbe
Gedanke, der den Vater wie den Sohn führt und treibt, ein und derselbe
Glaube, der beide bei Erfolgen beglückt, bei Niederlagen emporrichtet. Die
Leitung der gesammten Christenheit in den Ordnungen der mittelalterlichen
Kirche und nach dem mittelalterlichen Staatsideal haben diese spanischen Herrscher
mit allen Mitteln moderner Regierungsweise, mit allen Werkzeugen moderner
Politik angestrebt. Aber Philipp nahm einen andern Anlauf als Karl, er
näherte sich von einer andern Seite seiner Aufgabe. Er griff auf die Politik
Ferdinands zurück. Auch bei Karl war die Grundlage und der Kern seiner
Macht über Europa die Königsgewalt auf der spanischen Halbinsel. Allein diese
spanische Basis tritt bei Philipp, der in Spanien geboren und von Spaniern
erzogen war, in weit höherem Grade hervor. Er war von Jugend aus ein
Spanier vom Scheitel bis zur Sohle, und er hat sich durchaus keiner andern
Denkweise, keiner andern Gefühlsrichtung anzunähern oder gar anzuschließen
bequemt.

Und an dieses spanische Reich fügte sich zunächst die Herrschaft in Italien.
Wie Karl, mehr und mehr auf die spanische Tendenz in den glorreichen Tagen
Ferdinands des Katholischen eingehend, immer deutlicher die Wichtigkeit des
oberitalischen Besitzes einsah, so war es für Philipp von Anfang an feststehendes
Axiom, daß er sich die Hoheit über Italien zu sichern habe, ein Axiom, das
ja schon in den augsburger Verabredungen von 1531 den eigentlichen Kern
der spanischen Forderungen ausgemacht hatte. Die Politik der spanischen Krone
vertrat ja von Jahr zu Jahr einseitiger die römische Kirche, und schon aus
diesem Grunde durfte man der unbedingten Herrschaft über Italien nicht
entsagen.

Die vorzugsweise katholischen Theile Europas also strebte der spanische
Philipp vor allem zusammenzuschmelzen, und in derselben Richtung arbeiteten
die Spanier jenseits des Meeres, auch in dem neuen Welttheil gingen sie als
Eroberer und Missionäre für das katholische Europa vor.

Der weitere Besitz dieser sich aufbauenden Universalmonarchie, von dem
Karl eigentlich ausgegangen war, das burgundische Erbe in den Niederlanden,
gab dann die Stelle ab, auf welcher von Norden her diese Tendenz ihre Hebel
ansetzte. Allerdings waren hier schon Symptome des Widerstandes sichtbar
geworden, welche die spanische Herrschaft bedrohten. Aber andrerseits hatte die
Habsburgische Politik hier in der Nachbarschaft in der letzten Zeit eine Hand¬
habe gefunden, sich in ihrer Stellung zu behaupten : die englische Heirath Phi'
lipps. die ihm dieses Land unter die Füße legen und mit demselben seine
Sicherheit in den Niederlanden verstärken sollte. Von England und den Nie-
verlanden aus den Nebenbuhler in Frankreich von einer andern Seite bedränge»
zu können, war für den der Weltherrschaft zustrebenden Spanier ein weiterer


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[0462] Die Einheit der Ziele beider Herrscher steht fest. Es ist ein und derselbe Gedanke, der den Vater wie den Sohn führt und treibt, ein und derselbe Glaube, der beide bei Erfolgen beglückt, bei Niederlagen emporrichtet. Die Leitung der gesammten Christenheit in den Ordnungen der mittelalterlichen Kirche und nach dem mittelalterlichen Staatsideal haben diese spanischen Herrscher mit allen Mitteln moderner Regierungsweise, mit allen Werkzeugen moderner Politik angestrebt. Aber Philipp nahm einen andern Anlauf als Karl, er näherte sich von einer andern Seite seiner Aufgabe. Er griff auf die Politik Ferdinands zurück. Auch bei Karl war die Grundlage und der Kern seiner Macht über Europa die Königsgewalt auf der spanischen Halbinsel. Allein diese spanische Basis tritt bei Philipp, der in Spanien geboren und von Spaniern erzogen war, in weit höherem Grade hervor. Er war von Jugend aus ein Spanier vom Scheitel bis zur Sohle, und er hat sich durchaus keiner andern Denkweise, keiner andern Gefühlsrichtung anzunähern oder gar anzuschließen bequemt. Und an dieses spanische Reich fügte sich zunächst die Herrschaft in Italien. Wie Karl, mehr und mehr auf die spanische Tendenz in den glorreichen Tagen Ferdinands des Katholischen eingehend, immer deutlicher die Wichtigkeit des oberitalischen Besitzes einsah, so war es für Philipp von Anfang an feststehendes Axiom, daß er sich die Hoheit über Italien zu sichern habe, ein Axiom, das ja schon in den augsburger Verabredungen von 1531 den eigentlichen Kern der spanischen Forderungen ausgemacht hatte. Die Politik der spanischen Krone vertrat ja von Jahr zu Jahr einseitiger die römische Kirche, und schon aus diesem Grunde durfte man der unbedingten Herrschaft über Italien nicht entsagen. Die vorzugsweise katholischen Theile Europas also strebte der spanische Philipp vor allem zusammenzuschmelzen, und in derselben Richtung arbeiteten die Spanier jenseits des Meeres, auch in dem neuen Welttheil gingen sie als Eroberer und Missionäre für das katholische Europa vor. Der weitere Besitz dieser sich aufbauenden Universalmonarchie, von dem Karl eigentlich ausgegangen war, das burgundische Erbe in den Niederlanden, gab dann die Stelle ab, auf welcher von Norden her diese Tendenz ihre Hebel ansetzte. Allerdings waren hier schon Symptome des Widerstandes sichtbar geworden, welche die spanische Herrschaft bedrohten. Aber andrerseits hatte die Habsburgische Politik hier in der Nachbarschaft in der letzten Zeit eine Hand¬ habe gefunden, sich in ihrer Stellung zu behaupten : die englische Heirath Phi' lipps. die ihm dieses Land unter die Füße legen und mit demselben seine Sicherheit in den Niederlanden verstärken sollte. Von England und den Nie- verlanden aus den Nebenbuhler in Frankreich von einer andern Seite bedränge» zu können, war für den der Weltherrschaft zustrebenden Spanier ein weiterer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/462>, abgerufen am 15.01.2025.