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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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im Grunde seiner Seele auch von der Religiösität seines Spanien ergriffen, es
ist in ihm die wunderbarste Mischung weltlichen und geistlichen Wesens. Wer
in dem Kaiser nur den Eroberer und Gewaltherrscher sieht, hat die Eigenthüm¬
lichkeit seiner Natur nicht begriffen, was freilich auch von dem gilt, dem er
vorwiegend ein religiöser Eiferer ist. Beide Eigenschaften halten sich vielmehr
in dem Charakter Karls die Wage. Als der Kaiser sich zu dem letzten großen
Schlage gegen Frankreich erhob, gönnte er dem Sohne einen Blick in seine
Seele. Die betreffenden Schreiben Karls sind durchgehend von einem gewissen
schwermüthigen Gefühle und einer ernsten Resignation angehaucht, die durch alle
seine kunstverständigen politischen Anweisungen Kindurchbricht. Er. der die
Nebenbuhlerschaft des französischen Mitbewerbers um die Weltherrschaft nieder¬
zuwerfen hat. erinnert sich doch auch sehr deutlich, daß ihm die Erhaltung der
allein wahren Kirche aufgegeben ist. Durch alle Windungen seiner Politik,
trotz seiner Zerwürfnisse mit dem päpstlichen Stuhle, verfolgt er ebenso sehr
wie das eine auch das andere Ziel, die Kirche in alter Macht und Herrlichkeit
wieder herzustellen und sie unbefleckt aus den Händen des Protestantismus
zu retten.

Häusig nimmt Karls kirchlicher Sinn die Farbe des spanischen Fanatismus
an: den religiösen Uebungen der katholischen Kirche in devotester Weise zuge¬
than, ist er vom glühendsten Hasse gegen jede Neuerung beseelt; wo er die
Macht dazu besitzt, geht er mit den schärfsten Edicten, mit Inquisition und
Todesstrafe gegen die Ketzer vor; noch am Abend seines Lebens flammt die fast
erloschene Gluth seiner Seele von neuem hoch auf, als er Spuren von Ketzerei
in seiner Nähe entdeckt. Und keinen Krieg sehen wir den Kaiser mit solcher
Wuth und Leidenschaft führen, als den Protestantenkrieg in Sachsen und Hessen.
Gichtkrank und bleich wie der Tod stürzt er sich bei Mühlberg persönlich in den
Kampf, zu Gott flehend, daß er seine Beleidiger selbst strafen wolle, und zuletzt
den Erfolg mit den Worten feiernd: "Gott hat gesiegt!"

In der That, die Vernichtung der deutschen Ketzer war von Jahr zu Jahr
mehr das Losungswort seiner Politik geworden. Hatten zu Anfang seiner
Laufbahn als Kaiser die politischen Gesichtspunkte vorgewaltet, hatte er, i"
Spanien weilend, vielleicht die Bedeutung der Borgänge in Deutschland unter¬
schätzt, so beherrschte später die hier ihm vorschwebende Aufgabe alle anderen
Tendenzen der kaiserlichen Staatskunst. Schon 1538 halte er im Kriege mit
König Franz innegehalten, um einen Bersuch zur Beschwichtigung der deutschen
Protestanten zu machen, und 1544 bewog ihn ohne allen Zweifel nur die
Absicht, diese Gegner der Kirche mit ven Waffen niederzuwerfen, zu dem über¬
raschenden Frieden von Crespy.

Aber wie seltsam erscheint dieses geistlich-politische Auftreten Karls, wenn
wir Zweck und Mittel seiner Thätigkeit miteinander vergleichen. Keineswegs


im Grunde seiner Seele auch von der Religiösität seines Spanien ergriffen, es
ist in ihm die wunderbarste Mischung weltlichen und geistlichen Wesens. Wer
in dem Kaiser nur den Eroberer und Gewaltherrscher sieht, hat die Eigenthüm¬
lichkeit seiner Natur nicht begriffen, was freilich auch von dem gilt, dem er
vorwiegend ein religiöser Eiferer ist. Beide Eigenschaften halten sich vielmehr
in dem Charakter Karls die Wage. Als der Kaiser sich zu dem letzten großen
Schlage gegen Frankreich erhob, gönnte er dem Sohne einen Blick in seine
Seele. Die betreffenden Schreiben Karls sind durchgehend von einem gewissen
schwermüthigen Gefühle und einer ernsten Resignation angehaucht, die durch alle
seine kunstverständigen politischen Anweisungen Kindurchbricht. Er. der die
Nebenbuhlerschaft des französischen Mitbewerbers um die Weltherrschaft nieder¬
zuwerfen hat. erinnert sich doch auch sehr deutlich, daß ihm die Erhaltung der
allein wahren Kirche aufgegeben ist. Durch alle Windungen seiner Politik,
trotz seiner Zerwürfnisse mit dem päpstlichen Stuhle, verfolgt er ebenso sehr
wie das eine auch das andere Ziel, die Kirche in alter Macht und Herrlichkeit
wieder herzustellen und sie unbefleckt aus den Händen des Protestantismus
zu retten.

Häusig nimmt Karls kirchlicher Sinn die Farbe des spanischen Fanatismus
an: den religiösen Uebungen der katholischen Kirche in devotester Weise zuge¬
than, ist er vom glühendsten Hasse gegen jede Neuerung beseelt; wo er die
Macht dazu besitzt, geht er mit den schärfsten Edicten, mit Inquisition und
Todesstrafe gegen die Ketzer vor; noch am Abend seines Lebens flammt die fast
erloschene Gluth seiner Seele von neuem hoch auf, als er Spuren von Ketzerei
in seiner Nähe entdeckt. Und keinen Krieg sehen wir den Kaiser mit solcher
Wuth und Leidenschaft führen, als den Protestantenkrieg in Sachsen und Hessen.
Gichtkrank und bleich wie der Tod stürzt er sich bei Mühlberg persönlich in den
Kampf, zu Gott flehend, daß er seine Beleidiger selbst strafen wolle, und zuletzt
den Erfolg mit den Worten feiernd: „Gott hat gesiegt!"

In der That, die Vernichtung der deutschen Ketzer war von Jahr zu Jahr
mehr das Losungswort seiner Politik geworden. Hatten zu Anfang seiner
Laufbahn als Kaiser die politischen Gesichtspunkte vorgewaltet, hatte er, i»
Spanien weilend, vielleicht die Bedeutung der Borgänge in Deutschland unter¬
schätzt, so beherrschte später die hier ihm vorschwebende Aufgabe alle anderen
Tendenzen der kaiserlichen Staatskunst. Schon 1538 halte er im Kriege mit
König Franz innegehalten, um einen Bersuch zur Beschwichtigung der deutschen
Protestanten zu machen, und 1544 bewog ihn ohne allen Zweifel nur die
Absicht, diese Gegner der Kirche mit ven Waffen niederzuwerfen, zu dem über¬
raschenden Frieden von Crespy.

Aber wie seltsam erscheint dieses geistlich-politische Auftreten Karls, wenn
wir Zweck und Mittel seiner Thätigkeit miteinander vergleichen. Keineswegs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/460>, abgerufen am 15.01.2025.