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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Person ab. Trotzdem war er eigentlich .nicht zum Diplomaten geschaffen, da
seine reizbare Natur ihn oft zu Aeußerungen hinriß, die sich weder mit dem
Ernst der Sache noch mit seiner Würde vertrugen. 1536 unterbrach er in Rom
heftig auffahrend den Papst in seiner Rede. 1541 ersuchte Granvella den
päpstlichen Legaten ausdrücklich darum, bei persönlichen Besprechungen mit dem
Kaiser dessen Heftigkeit zu entschuldigen und in seinen Berichten an den Papst
die von demselben gebrauchten Ausdrücke zu mildern. In allerdings gerecht¬
fertigten Aerger sagte Karl 1547, als der Papst ihm die italienische Unter-
stützung entzogen, dem Nuntius desselben sehr bittere Dinge ins Gesicht: er
kenne die "französische Krankheit" des Papstes, sein schlechtes Leben sei Welt-
bekannt, wohl werde er fortfahren, den heiligen Petrus zu verehren, nicht aber
^eher Papst Paul u. d. in. Und wie nun gar der päpstliche Antrag einlief,
auf die Bekehrung Englands mit allen Mitteln hinzuwirken, so äußerte sich der
Kaiser noch gereizter: er werde nie mehr eine Sache anfassen, die auf Wunsch
"der zum Nutzen dieses Papstes zu geschehen habe, derselbe lasse ihn jetzt im
Stiche, aber dennoch hoffe er, auch ohne ihn, auch zum Aerger Sr. Heiligkeit
Sieg in Deutschland zu vollenden, wie er ihn mit Gottes Hilfe begonnen,
l'ut wolle der Papst ihm nur Legaten und Nuntien zu seinem Beistande schicken,
so werde Karl erproben, was diese Priester, in die erste Schlachtrcihe gestellt.-
"ut ihrem Segen gegen die feindlichen Waffen auszurichten im Stande seien.
Derartige Aufwallungen waren gewiß nicht der Art, Karls Politik zu fördern,
und es scheint, daß man dies am Hofe des Kaisers alimähli g eingesehen habe;
denn in den späteren Jahren überließ Karl mehr und mehr die Verhandlungen
seinen Ministern und trat nur in den außergewöhnlichsten Fällen selbst auf.

Auch im alltäglichen Verkehr zeigte der Kaiser dieses hitzige Wesen bei
leben Anlaß. Die Heftigkeit seiner Natur konnte sich zu furchtbarer Höhe
steige"". Leidenschaftlich schimpfend und tobend fuhr er oft seine Gegner an,
und dabei war er eigensinnig und hielt zäh an dem einmal gefaßten Gedanken
fest- Eine Beleidigung vergaß er nie. Aber im Grunde war er doch ein durch¬
aus ernster Character, dem Tiefe des Gefühls und des Gedankens nicht abzu¬
stechen ist. Er hatte sich ganz mit der Vorstellung erfüllt, daß er ein Kaiser
^ wie die großen Herrscher des Mittelalters. Ihm gebührte, wie sein Stolz
Währte, nicht nur der erste Rang in der Christenheit, sondern geradezu die
Oberhoheit über alle andern Länder Europas, und sehr ernstlich verbat er sichs
^40, als König Heinrich von England zu ihm als Seinesgleichen redete. Die
deutschen Fürsten sah er natürlich nur etwa wie spanische Granden an, die
^enthümlich geartete Natur seiner deutschen Herrschaft wollte ihm niemals i"
den Sinn.

Aber neben diesem Stolz des Pantokratvrs ging doch auch noch ein anderes
wichtiges Gefühl her. Dieser Herrscher des Abendlandes war bei allem Ehrgeiz


Grenzboten III. 1865. 60

Person ab. Trotzdem war er eigentlich .nicht zum Diplomaten geschaffen, da
seine reizbare Natur ihn oft zu Aeußerungen hinriß, die sich weder mit dem
Ernst der Sache noch mit seiner Würde vertrugen. 1536 unterbrach er in Rom
heftig auffahrend den Papst in seiner Rede. 1541 ersuchte Granvella den
päpstlichen Legaten ausdrücklich darum, bei persönlichen Besprechungen mit dem
Kaiser dessen Heftigkeit zu entschuldigen und in seinen Berichten an den Papst
die von demselben gebrauchten Ausdrücke zu mildern. In allerdings gerecht¬
fertigten Aerger sagte Karl 1547, als der Papst ihm die italienische Unter-
stützung entzogen, dem Nuntius desselben sehr bittere Dinge ins Gesicht: er
kenne die „französische Krankheit" des Papstes, sein schlechtes Leben sei Welt-
bekannt, wohl werde er fortfahren, den heiligen Petrus zu verehren, nicht aber
^eher Papst Paul u. d. in. Und wie nun gar der päpstliche Antrag einlief,
auf die Bekehrung Englands mit allen Mitteln hinzuwirken, so äußerte sich der
Kaiser noch gereizter: er werde nie mehr eine Sache anfassen, die auf Wunsch
"der zum Nutzen dieses Papstes zu geschehen habe, derselbe lasse ihn jetzt im
Stiche, aber dennoch hoffe er, auch ohne ihn, auch zum Aerger Sr. Heiligkeit
Sieg in Deutschland zu vollenden, wie er ihn mit Gottes Hilfe begonnen,
l'ut wolle der Papst ihm nur Legaten und Nuntien zu seinem Beistande schicken,
so werde Karl erproben, was diese Priester, in die erste Schlachtrcihe gestellt.-
"ut ihrem Segen gegen die feindlichen Waffen auszurichten im Stande seien.
Derartige Aufwallungen waren gewiß nicht der Art, Karls Politik zu fördern,
und es scheint, daß man dies am Hofe des Kaisers alimähli g eingesehen habe;
denn in den späteren Jahren überließ Karl mehr und mehr die Verhandlungen
seinen Ministern und trat nur in den außergewöhnlichsten Fällen selbst auf.

Auch im alltäglichen Verkehr zeigte der Kaiser dieses hitzige Wesen bei
leben Anlaß. Die Heftigkeit seiner Natur konnte sich zu furchtbarer Höhe
steige»». Leidenschaftlich schimpfend und tobend fuhr er oft seine Gegner an,
und dabei war er eigensinnig und hielt zäh an dem einmal gefaßten Gedanken
fest- Eine Beleidigung vergaß er nie. Aber im Grunde war er doch ein durch¬
aus ernster Character, dem Tiefe des Gefühls und des Gedankens nicht abzu¬
stechen ist. Er hatte sich ganz mit der Vorstellung erfüllt, daß er ein Kaiser
^ wie die großen Herrscher des Mittelalters. Ihm gebührte, wie sein Stolz
Währte, nicht nur der erste Rang in der Christenheit, sondern geradezu die
Oberhoheit über alle andern Länder Europas, und sehr ernstlich verbat er sichs
^40, als König Heinrich von England zu ihm als Seinesgleichen redete. Die
deutschen Fürsten sah er natürlich nur etwa wie spanische Granden an, die
^enthümlich geartete Natur seiner deutschen Herrschaft wollte ihm niemals i»
den Sinn.

Aber neben diesem Stolz des Pantokratvrs ging doch auch noch ein anderes
wichtiges Gefühl her. Dieser Herrscher des Abendlandes war bei allem Ehrgeiz


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[0459] Person ab. Trotzdem war er eigentlich .nicht zum Diplomaten geschaffen, da seine reizbare Natur ihn oft zu Aeußerungen hinriß, die sich weder mit dem Ernst der Sache noch mit seiner Würde vertrugen. 1536 unterbrach er in Rom heftig auffahrend den Papst in seiner Rede. 1541 ersuchte Granvella den päpstlichen Legaten ausdrücklich darum, bei persönlichen Besprechungen mit dem Kaiser dessen Heftigkeit zu entschuldigen und in seinen Berichten an den Papst die von demselben gebrauchten Ausdrücke zu mildern. In allerdings gerecht¬ fertigten Aerger sagte Karl 1547, als der Papst ihm die italienische Unter- stützung entzogen, dem Nuntius desselben sehr bittere Dinge ins Gesicht: er kenne die „französische Krankheit" des Papstes, sein schlechtes Leben sei Welt- bekannt, wohl werde er fortfahren, den heiligen Petrus zu verehren, nicht aber ^eher Papst Paul u. d. in. Und wie nun gar der päpstliche Antrag einlief, auf die Bekehrung Englands mit allen Mitteln hinzuwirken, so äußerte sich der Kaiser noch gereizter: er werde nie mehr eine Sache anfassen, die auf Wunsch "der zum Nutzen dieses Papstes zu geschehen habe, derselbe lasse ihn jetzt im Stiche, aber dennoch hoffe er, auch ohne ihn, auch zum Aerger Sr. Heiligkeit Sieg in Deutschland zu vollenden, wie er ihn mit Gottes Hilfe begonnen, l'ut wolle der Papst ihm nur Legaten und Nuntien zu seinem Beistande schicken, so werde Karl erproben, was diese Priester, in die erste Schlachtrcihe gestellt.- "ut ihrem Segen gegen die feindlichen Waffen auszurichten im Stande seien. Derartige Aufwallungen waren gewiß nicht der Art, Karls Politik zu fördern, und es scheint, daß man dies am Hofe des Kaisers alimähli g eingesehen habe; denn in den späteren Jahren überließ Karl mehr und mehr die Verhandlungen seinen Ministern und trat nur in den außergewöhnlichsten Fällen selbst auf. Auch im alltäglichen Verkehr zeigte der Kaiser dieses hitzige Wesen bei leben Anlaß. Die Heftigkeit seiner Natur konnte sich zu furchtbarer Höhe steige»». Leidenschaftlich schimpfend und tobend fuhr er oft seine Gegner an, und dabei war er eigensinnig und hielt zäh an dem einmal gefaßten Gedanken fest- Eine Beleidigung vergaß er nie. Aber im Grunde war er doch ein durch¬ aus ernster Character, dem Tiefe des Gefühls und des Gedankens nicht abzu¬ stechen ist. Er hatte sich ganz mit der Vorstellung erfüllt, daß er ein Kaiser ^ wie die großen Herrscher des Mittelalters. Ihm gebührte, wie sein Stolz Währte, nicht nur der erste Rang in der Christenheit, sondern geradezu die Oberhoheit über alle andern Länder Europas, und sehr ernstlich verbat er sichs ^40, als König Heinrich von England zu ihm als Seinesgleichen redete. Die deutschen Fürsten sah er natürlich nur etwa wie spanische Granden an, die ^enthümlich geartete Natur seiner deutschen Herrschaft wollte ihm niemals i» den Sinn. Aber neben diesem Stolz des Pantokratvrs ging doch auch noch ein anderes wichtiges Gefühl her. Dieser Herrscher des Abendlandes war bei allem Ehrgeiz Grenzboten III. 1865. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/459>, abgerufen am 15.01.2025.