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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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so verschiedenartigen Bestandtheilen zusammengesetzt war, daß ein jeder der
Theile ein gewisses Maß von Selbständigkeit behaupten mußte. Die locale
Regierung in den Einzelheiten der Verwaltung mußte von dem Ganzen un¬
abhängig bleiben; es war eben nicht möglich, aus der Mitte der spanischen
Halbinsel oder von einem deutschen Reichstag aus ein straffes Regiment über
Spanien oder über Deutschland und hier wie dort zugleich über ,die andern
Länder der Gesammtmonarchie auszuüben, und wir finden in der That, daß die
Regierungen jener Einzelländer ziemlich unabhängig verfuhren. Der König
Ferdinand in Deutschland und die Königin Maria in den Niederlanden haben
in vielen Dingen die Geschicke ihrer Völker nach eigenen Gesichtspunkten be¬
stimmt und von dem specifischen Interesse des ihnen anvertrauten Gebietes aus
auch Vorstellungen gegen die Gesammtpolitik zu erheben gewagt und auf die
Entscheidungen der Gesammtregierung einzuwirken versucht. Die italienischen
Statthalter Karls ferner behaupteten eine ähnliche Stellung. Sehr selbständig
und geschlossen war Toledos Regiment in Neapel, und Gonzagas Verwaltung
in Mailand erschien manchem Zeitgenossen als eine beinahe unumschränkte.

Einen bedeutenden Antheil hatte Karl sogar an den militärischen Erfolgen
seiner Regierung. Nachdem er sich erst in einem Feldzuge geübt hatte, gewann
er Fertigkeit und Befriedigung ^in der Rolle des Feldherrn. Die großen
Generale, die ihm im ersten Jahrzehnt seiner Regierung gedient, starben rasch
hintereinander, aber er wußte sie zu ersetzen. Wie berühmt Alba und Gonzaga
auch zu ihrer Zeit waren, die schärferblickenden Zeitgenossen urtheilten, der
größte Feldherr, den Karl besessen, sei er selbst gewesen. Schnell wußte er
Vortheile und Nachtheile im Felde zu übersehen, keinen Augenblick zögerte er
mit der Ausführung, sobald ein Plan reif war. Er selbst hat den siegreichen
Zug nach Tunis geführt, ihm war die Rettung des Heeres vor Algier zu danken,
er hat den Einfall in das Herz Frankreichs geleitet, er selbst wohl auch die
trefflichen Dispositionen in dem Feldzug gegen die deutschen Protestanten ent¬
worfen. Und Karl fühlte sich als Soldat, er konnte keinen Augenblick ve"
bergen, daß er trotz seiner Kränklichkeit in den Dingen des Kriegs lebte und
webte. Im Lager war er rührig und aufgeweckt, wollte er alles selbst sehen
und selbst leiten, verläugnete er den stolzen Kaiser und that Dienste wie jeder
andere General.

Auch in den eigentlichen Geschäften des Politikers, den Konferenzen und
Audienzen war Karl bestrebt, seiner Stellung zu genügen. Wie er schon in
den Jahren der Ruhe gern an den Sitzungen und Debatten seiner Räthe Theil
genommen hatte, so übernahm er es auch später noch häufig, eine wichtig
politische Sache zu führen. Bei den persönlichen Begegnungen mit dem Papste
erschien er schon 1629 vortrefflich instruirt, auf Fürstencongressen wußte er gut
zu sprechen, gern machte er wichtige Verhandlungen mit fremden Gesandten w


so verschiedenartigen Bestandtheilen zusammengesetzt war, daß ein jeder der
Theile ein gewisses Maß von Selbständigkeit behaupten mußte. Die locale
Regierung in den Einzelheiten der Verwaltung mußte von dem Ganzen un¬
abhängig bleiben; es war eben nicht möglich, aus der Mitte der spanischen
Halbinsel oder von einem deutschen Reichstag aus ein straffes Regiment über
Spanien oder über Deutschland und hier wie dort zugleich über ,die andern
Länder der Gesammtmonarchie auszuüben, und wir finden in der That, daß die
Regierungen jener Einzelländer ziemlich unabhängig verfuhren. Der König
Ferdinand in Deutschland und die Königin Maria in den Niederlanden haben
in vielen Dingen die Geschicke ihrer Völker nach eigenen Gesichtspunkten be¬
stimmt und von dem specifischen Interesse des ihnen anvertrauten Gebietes aus
auch Vorstellungen gegen die Gesammtpolitik zu erheben gewagt und auf die
Entscheidungen der Gesammtregierung einzuwirken versucht. Die italienischen
Statthalter Karls ferner behaupteten eine ähnliche Stellung. Sehr selbständig
und geschlossen war Toledos Regiment in Neapel, und Gonzagas Verwaltung
in Mailand erschien manchem Zeitgenossen als eine beinahe unumschränkte.

Einen bedeutenden Antheil hatte Karl sogar an den militärischen Erfolgen
seiner Regierung. Nachdem er sich erst in einem Feldzuge geübt hatte, gewann
er Fertigkeit und Befriedigung ^in der Rolle des Feldherrn. Die großen
Generale, die ihm im ersten Jahrzehnt seiner Regierung gedient, starben rasch
hintereinander, aber er wußte sie zu ersetzen. Wie berühmt Alba und Gonzaga
auch zu ihrer Zeit waren, die schärferblickenden Zeitgenossen urtheilten, der
größte Feldherr, den Karl besessen, sei er selbst gewesen. Schnell wußte er
Vortheile und Nachtheile im Felde zu übersehen, keinen Augenblick zögerte er
mit der Ausführung, sobald ein Plan reif war. Er selbst hat den siegreichen
Zug nach Tunis geführt, ihm war die Rettung des Heeres vor Algier zu danken,
er hat den Einfall in das Herz Frankreichs geleitet, er selbst wohl auch die
trefflichen Dispositionen in dem Feldzug gegen die deutschen Protestanten ent¬
worfen. Und Karl fühlte sich als Soldat, er konnte keinen Augenblick ve»
bergen, daß er trotz seiner Kränklichkeit in den Dingen des Kriegs lebte und
webte. Im Lager war er rührig und aufgeweckt, wollte er alles selbst sehen
und selbst leiten, verläugnete er den stolzen Kaiser und that Dienste wie jeder
andere General.

Auch in den eigentlichen Geschäften des Politikers, den Konferenzen und
Audienzen war Karl bestrebt, seiner Stellung zu genügen. Wie er schon in
den Jahren der Ruhe gern an den Sitzungen und Debatten seiner Räthe Theil
genommen hatte, so übernahm er es auch später noch häufig, eine wichtig
politische Sache zu führen. Bei den persönlichen Begegnungen mit dem Papste
erschien er schon 1629 vortrefflich instruirt, auf Fürstencongressen wußte er gut
zu sprechen, gern machte er wichtige Verhandlungen mit fremden Gesandten w


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/458>, abgerufen am 15.01.2025.