Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.schmelzenden Nationen auseinander, und in Deutschland entstanden aus der Was für eine Persönlichkeit war Karl der Fünfte? Welcher Art waren Am 24. Februar 1500 wurde dem Erzherzog Philipp, dem Herrn der Mit den Jahren entwickelten sich die anfangs verborgenen Anlagen des schmelzenden Nationen auseinander, und in Deutschland entstanden aus der Was für eine Persönlichkeit war Karl der Fünfte? Welcher Art waren Am 24. Februar 1500 wurde dem Erzherzog Philipp, dem Herrn der Mit den Jahren entwickelten sich die anfangs verborgenen Anlagen des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283809"/> <p xml:id="ID_1312" prev="#ID_1311"> schmelzenden Nationen auseinander, und in Deutschland entstanden aus der<lb/> religiösen Erhebung dem Kaiser Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten, auch für<lb/> seine politische Stellung. Denn gegenüber der Opposition der Deutschen gegen<lb/> die mittelalterliche Kirche eine rein politische Haltung anzunehmen und zu be¬<lb/> wahren, sie zu seinen politischen Zwecken zu benutzen war für Karl, den spa¬<lb/> nischen Habsburger, den bigotten Katholiken ein Ding der Unmöglichkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1313"> Was für eine Persönlichkeit war Karl der Fünfte? Welcher Art waren<lb/> seine Tendenzen? Wir antworten darauf mit einem Auszug aus dem elften<lb/> Abschnitt unseres Buchs.</p><lb/> <p xml:id="ID_1314"> Am 24. Februar 1500 wurde dem Erzherzog Philipp, dem Herrn der<lb/> Niederlande, von seiner Gemahlin, der spanischen Prinzessin Juana zu Gent<lb/> ein schwächliches Kind geboren, welches Karl getauft wurde. Nach dem frühen<lb/> Tode des Vaters und bei dem gestörten Geiste der Mutter wurde die Erziehung<lb/> dieses Prinzen von der Tante desselben, der Erzherzogin-Statthalterin Marga-<lb/> retha in die Hand genommen und so lange er in den Niederlanden blieb, ge><lb/> leitet. Wissenschaftlicher Unterricht erhielt er von ernem niederländischen Pro¬<lb/> fessor, der später als Hadrian der Sechste die päpstliche Tiare trug, in ritter¬<lb/> lichen Künsten damaliger Zeit übte ihn sein Hofmeister, der Herzog von Chievres,<lb/> der bald Einfluß auf ihn gewann. AIs er dann nach Ferdinands des Katho¬<lb/> lischen Tode nach Spanien ging, war er, der in niederländischer Sitte Erzogne,<lb/> den Spaniern eine fremde und unwillkommene Erscheinung, und Jahre lang<lb/> dauerte es, bevor er zu der spanischen Nation in einigermaßen sympathischere<lb/> Beziehungen trat; von den Fähigkeiten des jungen Fürsten halte man damals<lb/> eine ebenso geringe Meinung wie von seiner Willenskraft. Die Umgebung,<lb/> in der er in Gent und Brüssel gelebt, war bestimmend für seine ganze politische<lb/> Laufbahn gewesen, nicht die Politik seines spanischen Großvaters, die wir soeben<lb/> charakterisirten, war es, die er sich zur Richtschnur nahm, sondern die Pläne<lb/> seines Großvaters väterlicherseits waren es, nach denen seine Negierung verfuhr,<lb/> zunächst in Spanien, dann in Deutschland und Italien. Auch als er Mann<lb/> geworden, erfüllten der politische Jdeenkreis Maximilians und die Nebelträume<lb/> eines christlichen Universalrcichs alle Räume seiner Seele.</p><lb/> <p xml:id="ID_1315" next="#ID_1316"> Mit den Jahren entwickelten sich die anfangs verborgenen Anlagen des<lb/> jungen Herrschers. Schon im Jahre 1525 hören wir, daß er auf die Freuden,<lb/> denen jugendliche Fürsten sonst nachzugehen Pflegen, nicht viel giebt, und daß<lb/> er fleißig mit seinen Staatvräthen arbeitet. Später berichtet man uns zwar<lb/> bisweilen von Liebschaften des Kaisers, von übermäßigem Gefallen an den Ge'<lb/> müssen der Tafel, aber niemals finden wir, daß solche Dinge den Monarchen<lb/> beherrscht oder ihn gar einem persönlichen Einfluß unterworfen hätten. Auch<lb/> an der Jagd, an körperlicher Bewegung, an militärischem Spiel gewann Karl<lb/> allmälig Interesse, aber ebenfalls nicht in dem Maße, daß Wichtigeres dadurch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
schmelzenden Nationen auseinander, und in Deutschland entstanden aus der
religiösen Erhebung dem Kaiser Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten, auch für
seine politische Stellung. Denn gegenüber der Opposition der Deutschen gegen
die mittelalterliche Kirche eine rein politische Haltung anzunehmen und zu be¬
wahren, sie zu seinen politischen Zwecken zu benutzen war für Karl, den spa¬
nischen Habsburger, den bigotten Katholiken ein Ding der Unmöglichkeit.
Was für eine Persönlichkeit war Karl der Fünfte? Welcher Art waren
seine Tendenzen? Wir antworten darauf mit einem Auszug aus dem elften
Abschnitt unseres Buchs.
Am 24. Februar 1500 wurde dem Erzherzog Philipp, dem Herrn der
Niederlande, von seiner Gemahlin, der spanischen Prinzessin Juana zu Gent
ein schwächliches Kind geboren, welches Karl getauft wurde. Nach dem frühen
Tode des Vaters und bei dem gestörten Geiste der Mutter wurde die Erziehung
dieses Prinzen von der Tante desselben, der Erzherzogin-Statthalterin Marga-
retha in die Hand genommen und so lange er in den Niederlanden blieb, ge>
leitet. Wissenschaftlicher Unterricht erhielt er von ernem niederländischen Pro¬
fessor, der später als Hadrian der Sechste die päpstliche Tiare trug, in ritter¬
lichen Künsten damaliger Zeit übte ihn sein Hofmeister, der Herzog von Chievres,
der bald Einfluß auf ihn gewann. AIs er dann nach Ferdinands des Katho¬
lischen Tode nach Spanien ging, war er, der in niederländischer Sitte Erzogne,
den Spaniern eine fremde und unwillkommene Erscheinung, und Jahre lang
dauerte es, bevor er zu der spanischen Nation in einigermaßen sympathischere
Beziehungen trat; von den Fähigkeiten des jungen Fürsten halte man damals
eine ebenso geringe Meinung wie von seiner Willenskraft. Die Umgebung,
in der er in Gent und Brüssel gelebt, war bestimmend für seine ganze politische
Laufbahn gewesen, nicht die Politik seines spanischen Großvaters, die wir soeben
charakterisirten, war es, die er sich zur Richtschnur nahm, sondern die Pläne
seines Großvaters väterlicherseits waren es, nach denen seine Negierung verfuhr,
zunächst in Spanien, dann in Deutschland und Italien. Auch als er Mann
geworden, erfüllten der politische Jdeenkreis Maximilians und die Nebelträume
eines christlichen Universalrcichs alle Räume seiner Seele.
Mit den Jahren entwickelten sich die anfangs verborgenen Anlagen des
jungen Herrschers. Schon im Jahre 1525 hören wir, daß er auf die Freuden,
denen jugendliche Fürsten sonst nachzugehen Pflegen, nicht viel giebt, und daß
er fleißig mit seinen Staatvräthen arbeitet. Später berichtet man uns zwar
bisweilen von Liebschaften des Kaisers, von übermäßigem Gefallen an den Ge'
müssen der Tafel, aber niemals finden wir, daß solche Dinge den Monarchen
beherrscht oder ihn gar einem persönlichen Einfluß unterworfen hätten. Auch
an der Jagd, an körperlicher Bewegung, an militärischem Spiel gewann Karl
allmälig Interesse, aber ebenfalls nicht in dem Maße, daß Wichtigeres dadurch
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