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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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und Interessen, aus denen das Gewebe der spanisch-habsburgischen Politik be¬
steht, ist aus vortreffliche Art dargestellt.

Als im Beginn der neuen Zeit nationale Staatswesen sich zu bilden an¬
singen, erhoben sich gleichzeitig aus dem Kreise der romanischen Nationen zwei
Staaten, Frankreich und Spanien, um innerlich erstarkt dem natürlichen Drange
einer frischen Volkskraft zur Eroberung zu folgen. Die italienische Halbinsel
ist beider Ziel, und so stoßen sie hier feindlich auf einander. Spaniens König,
ein echter Realpolitiker, geht auf ein erreichbares Ziel, auf die Vereinigung ver¬
wandter und gleichartiger Elemente zu einem großen Romanenreiche aus; die
französischen Könige dagegen treiben Universalpolitik und streben die Weltherr¬
schaft an. Da greift in den Kampf um Italien eine neue Macht, eine dritte
politische Größe ein. die sich jetzt aus sehr verschiedenen Elementen gebildet hat:
die Herrscher von Habsburg-Burgund, die auch die deutsche Kaiserkrone erlangen,
werden Rivalen der Könige von Frankreich bei deren Streben nach der Universal-
wonarchie. Bei Kaiser Maximilian sehen wir mehr kühne und stolze Träume,
die consequent festgehalten werden, als Erfolge. Seinem Nachfolger aber sollen,
so scheint es. auch diese nicht fehlen, und zwar durch eine wunderbare Fügung
der Umstände. Der König, welcher mit praktischem Blick, absehend von unnützer
auf Weltherrschaft gerichteter Eroberungspolitik, lediglich ein spanisch-italienisches
Reich zu gründen strebte, Ferdinand von Spanien hat zuletzt nur die Mittel
^schaffen, welche die verwegnen und phantastischen Ideen des Habsburgischen
Max der Verwirklichung nahe bringen. Was Max von der Zukunft seines
Hauses geträumt, das kann Karl der Fünfte, die Habsburgischen Lande mit den
Reichen der spanischen Krone durch Erbgang vereinigend, auszuführen unter-
nehmen.

Die Stellung, welche dieser Kaiser gleich zu Anfang einnahm, erlaubte ihm
"ach allen Seiten hin seine Macht weiter auszubreiten, im Norden von den
Niederlanden und Oestreich über das von diesen Ländern umspannte deutsche
Reich, im Süden von Mailand und Neapel über das von diesen Punkten ein¬
mengte Mittelitalien. Und dazu kam noch das spanische Reich mit seinem fert¬
igen, stürmisch zu Eroberungen drängenden Volke, seinen die höchste finanzielle
Blüthe verheißenden Kolonien. seinem schlachtgeübten Heere, seinen durch Fer-
dinand wohlgeschulten und vielerprobten Diplomaten -- in der That, der Weg
^ar wohl geebnet, auf den des Großvaters politisches Ideal Karl hinwies, und
er dieses Habsburgische Ideal mit Eifer und Ausdauer verfolgte, so würde er
l"" Ziel erreicht haben, wenn ihm nicht auf "Apolitischem Gebiete, in der
Deformation ein unüversieigliches Hinderniß entgegengetreten wäre. Der
Gegensatz der nationalen Elemente, aus denen sein Weltreich bestehen sollte.
^ durch die Bewegung im kirchlichen Leben beträchtlich geschärft worden, der
ästigste religiöse Fanatismus hielt die in jenen Organismus zusammenzu-


und Interessen, aus denen das Gewebe der spanisch-habsburgischen Politik be¬
steht, ist aus vortreffliche Art dargestellt.

Als im Beginn der neuen Zeit nationale Staatswesen sich zu bilden an¬
singen, erhoben sich gleichzeitig aus dem Kreise der romanischen Nationen zwei
Staaten, Frankreich und Spanien, um innerlich erstarkt dem natürlichen Drange
einer frischen Volkskraft zur Eroberung zu folgen. Die italienische Halbinsel
ist beider Ziel, und so stoßen sie hier feindlich auf einander. Spaniens König,
ein echter Realpolitiker, geht auf ein erreichbares Ziel, auf die Vereinigung ver¬
wandter und gleichartiger Elemente zu einem großen Romanenreiche aus; die
französischen Könige dagegen treiben Universalpolitik und streben die Weltherr¬
schaft an. Da greift in den Kampf um Italien eine neue Macht, eine dritte
politische Größe ein. die sich jetzt aus sehr verschiedenen Elementen gebildet hat:
die Herrscher von Habsburg-Burgund, die auch die deutsche Kaiserkrone erlangen,
werden Rivalen der Könige von Frankreich bei deren Streben nach der Universal-
wonarchie. Bei Kaiser Maximilian sehen wir mehr kühne und stolze Träume,
die consequent festgehalten werden, als Erfolge. Seinem Nachfolger aber sollen,
so scheint es. auch diese nicht fehlen, und zwar durch eine wunderbare Fügung
der Umstände. Der König, welcher mit praktischem Blick, absehend von unnützer
auf Weltherrschaft gerichteter Eroberungspolitik, lediglich ein spanisch-italienisches
Reich zu gründen strebte, Ferdinand von Spanien hat zuletzt nur die Mittel
^schaffen, welche die verwegnen und phantastischen Ideen des Habsburgischen
Max der Verwirklichung nahe bringen. Was Max von der Zukunft seines
Hauses geträumt, das kann Karl der Fünfte, die Habsburgischen Lande mit den
Reichen der spanischen Krone durch Erbgang vereinigend, auszuführen unter-
nehmen.

Die Stellung, welche dieser Kaiser gleich zu Anfang einnahm, erlaubte ihm
"ach allen Seiten hin seine Macht weiter auszubreiten, im Norden von den
Niederlanden und Oestreich über das von diesen Ländern umspannte deutsche
Reich, im Süden von Mailand und Neapel über das von diesen Punkten ein¬
mengte Mittelitalien. Und dazu kam noch das spanische Reich mit seinem fert¬
igen, stürmisch zu Eroberungen drängenden Volke, seinen die höchste finanzielle
Blüthe verheißenden Kolonien. seinem schlachtgeübten Heere, seinen durch Fer-
dinand wohlgeschulten und vielerprobten Diplomaten — in der That, der Weg
^ar wohl geebnet, auf den des Großvaters politisches Ideal Karl hinwies, und
er dieses Habsburgische Ideal mit Eifer und Ausdauer verfolgte, so würde er
l"» Ziel erreicht haben, wenn ihm nicht auf »Apolitischem Gebiete, in der
Deformation ein unüversieigliches Hinderniß entgegengetreten wäre. Der
Gegensatz der nationalen Elemente, aus denen sein Weltreich bestehen sollte.
^ durch die Bewegung im kirchlichen Leben beträchtlich geschärft worden, der
ästigste religiöse Fanatismus hielt die in jenen Organismus zusammenzu-


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[0455] und Interessen, aus denen das Gewebe der spanisch-habsburgischen Politik be¬ steht, ist aus vortreffliche Art dargestellt. Als im Beginn der neuen Zeit nationale Staatswesen sich zu bilden an¬ singen, erhoben sich gleichzeitig aus dem Kreise der romanischen Nationen zwei Staaten, Frankreich und Spanien, um innerlich erstarkt dem natürlichen Drange einer frischen Volkskraft zur Eroberung zu folgen. Die italienische Halbinsel ist beider Ziel, und so stoßen sie hier feindlich auf einander. Spaniens König, ein echter Realpolitiker, geht auf ein erreichbares Ziel, auf die Vereinigung ver¬ wandter und gleichartiger Elemente zu einem großen Romanenreiche aus; die französischen Könige dagegen treiben Universalpolitik und streben die Weltherr¬ schaft an. Da greift in den Kampf um Italien eine neue Macht, eine dritte politische Größe ein. die sich jetzt aus sehr verschiedenen Elementen gebildet hat: die Herrscher von Habsburg-Burgund, die auch die deutsche Kaiserkrone erlangen, werden Rivalen der Könige von Frankreich bei deren Streben nach der Universal- wonarchie. Bei Kaiser Maximilian sehen wir mehr kühne und stolze Träume, die consequent festgehalten werden, als Erfolge. Seinem Nachfolger aber sollen, so scheint es. auch diese nicht fehlen, und zwar durch eine wunderbare Fügung der Umstände. Der König, welcher mit praktischem Blick, absehend von unnützer auf Weltherrschaft gerichteter Eroberungspolitik, lediglich ein spanisch-italienisches Reich zu gründen strebte, Ferdinand von Spanien hat zuletzt nur die Mittel ^schaffen, welche die verwegnen und phantastischen Ideen des Habsburgischen Max der Verwirklichung nahe bringen. Was Max von der Zukunft seines Hauses geträumt, das kann Karl der Fünfte, die Habsburgischen Lande mit den Reichen der spanischen Krone durch Erbgang vereinigend, auszuführen unter- nehmen. Die Stellung, welche dieser Kaiser gleich zu Anfang einnahm, erlaubte ihm "ach allen Seiten hin seine Macht weiter auszubreiten, im Norden von den Niederlanden und Oestreich über das von diesen Ländern umspannte deutsche Reich, im Süden von Mailand und Neapel über das von diesen Punkten ein¬ mengte Mittelitalien. Und dazu kam noch das spanische Reich mit seinem fert¬ igen, stürmisch zu Eroberungen drängenden Volke, seinen die höchste finanzielle Blüthe verheißenden Kolonien. seinem schlachtgeübten Heere, seinen durch Fer- dinand wohlgeschulten und vielerprobten Diplomaten — in der That, der Weg ^ar wohl geebnet, auf den des Großvaters politisches Ideal Karl hinwies, und er dieses Habsburgische Ideal mit Eifer und Ausdauer verfolgte, so würde er l"» Ziel erreicht haben, wenn ihm nicht auf »Apolitischem Gebiete, in der Deformation ein unüversieigliches Hinderniß entgegengetreten wäre. Der Gegensatz der nationalen Elemente, aus denen sein Weltreich bestehen sollte. ^ durch die Bewegung im kirchlichen Leben beträchtlich geschärft worden, der ästigste religiöse Fanatismus hielt die in jenen Organismus zusammenzu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/455>, abgerufen am 15.01.2025.