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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Vertrauen auf äußere Streitmittel, eben dies bedeutet ihnen einen sträflichen
Mangel an Vertrauen zu Gott, der allein helfen kann.

Diese Grundsätze vertreten die Propheten mit Aufopferung ihrer selbst.
Sie leiden vielen Widerstand, aber werden nicht gebeugt. Sie greifen auch
handelnd ein. Als das Haus AHabs durchaus nicht vom Götzendienst lassen
will, da bewirkt Elisa seinen Sturz. Ja sogar die Trennung des nördlichen
Reichs vom südlichen wird auf einen Propheten zurückgeführt. Man sieht,
daß dieser Prophet die Herrschaft des Stammes Juda, namentlich des Salomo,
wesentlich anders auffaßte, als unsre Berichte. Es lag übrigens in der Natur
der Sache, daß das Auftreten der Propheten oft zu Conflicten führte. Auch
wenn die Machthaber stets die beste Gesinnung gehabt hätten, wäre es ihnen
doch unmöglich gewesen, eine so ideale Politik, wie die von den Propheten
geforderte, durchzuführen. Sie mußte" unter allen Umständen mit den Mächten
der Erde rechnen, welche von den Propheten für gar nichts geachtet wurden.
Bei solchen Conflicten waren die Propheten gewiß nicht immer ganz schuldlos;
der gewaltige Eifer riß sie leicht über die Grenzen der Mäßigung hin/

Es erklärt sich leicht, daß auch das reinste Streben dieser Männer oft
Hohn. Leiden und Verfolgungen, ja den Tod über sie brachte. Aber dies
waren doch die seltneren Fälle. Das hohe' Ansehn, in dem sie beim Volke
standen, schützte sie, und selbst die Großen beugten sich oft vor der geistigen
Ueberlegenheit. Noch der eingekerkerte Jeremia flößt dem König Sedekia solche
Ehrfurcht ein, daß er heimlich zu ihm kommt und ihn flehend befragt, ob sich
die von ihm vorhergesagter Folgen seiner unverständigen und treulosen Politik
nicht noch abwenden lassen. Welch ein Segen lag übrigens darin, daß die
Propheten das Wort überall frei zu erheben wagten und in gewisser Hinsicht
erheben durften! Vor den mit Blutschuld bedeckten König Ahab tritt Ella
furchtlos und verkündet ihm, daß er für seine That den schmählichen Tod leiden
soll; der König weist ihn nicht zurück, sondern thut Buße und erlangt dadurch
Milderung der über ihn verhängten Strafe. Sind die einzelnen Züge dieser
Erzählung auch nicht alle streng geschichtlich, so geben sie uns dock ein treues
Bild von dem Auftreten der Propheten gegen die Mächtigen der Erde.

Auch mit den Priestern waren Conflicte nicht immer zu vermeiden. Ob¬
wohl einige Propheten aus priesterlichen Geschlecht waren (z. B. Jeremia), s"
mußten die reineren, geistigeren und doch strengeren Anschauungen der begeisterten
Gottesmänner denen mitunter lästig werden, welche sich des ruhigen Besitzes
ihrer geistlichen Würde erfreuen wollten und durch die Handhabung des Cultus
ihre Heiligkeit gesichert glaubten. Nicht blos der Priester des goldenen Kalbes
weist den Propheten Amos zurück, sondern auch die Priester in Jerusalem suchen
die Propheten zuweilen fern zu halten.

Bei dem Subjektivismus der Propheten kann es selbst nicht fehlen, daß


Vertrauen auf äußere Streitmittel, eben dies bedeutet ihnen einen sträflichen
Mangel an Vertrauen zu Gott, der allein helfen kann.

Diese Grundsätze vertreten die Propheten mit Aufopferung ihrer selbst.
Sie leiden vielen Widerstand, aber werden nicht gebeugt. Sie greifen auch
handelnd ein. Als das Haus AHabs durchaus nicht vom Götzendienst lassen
will, da bewirkt Elisa seinen Sturz. Ja sogar die Trennung des nördlichen
Reichs vom südlichen wird auf einen Propheten zurückgeführt. Man sieht,
daß dieser Prophet die Herrschaft des Stammes Juda, namentlich des Salomo,
wesentlich anders auffaßte, als unsre Berichte. Es lag übrigens in der Natur
der Sache, daß das Auftreten der Propheten oft zu Conflicten führte. Auch
wenn die Machthaber stets die beste Gesinnung gehabt hätten, wäre es ihnen
doch unmöglich gewesen, eine so ideale Politik, wie die von den Propheten
geforderte, durchzuführen. Sie mußte» unter allen Umständen mit den Mächten
der Erde rechnen, welche von den Propheten für gar nichts geachtet wurden.
Bei solchen Conflicten waren die Propheten gewiß nicht immer ganz schuldlos;
der gewaltige Eifer riß sie leicht über die Grenzen der Mäßigung hin/

Es erklärt sich leicht, daß auch das reinste Streben dieser Männer oft
Hohn. Leiden und Verfolgungen, ja den Tod über sie brachte. Aber dies
waren doch die seltneren Fälle. Das hohe' Ansehn, in dem sie beim Volke
standen, schützte sie, und selbst die Großen beugten sich oft vor der geistigen
Ueberlegenheit. Noch der eingekerkerte Jeremia flößt dem König Sedekia solche
Ehrfurcht ein, daß er heimlich zu ihm kommt und ihn flehend befragt, ob sich
die von ihm vorhergesagter Folgen seiner unverständigen und treulosen Politik
nicht noch abwenden lassen. Welch ein Segen lag übrigens darin, daß die
Propheten das Wort überall frei zu erheben wagten und in gewisser Hinsicht
erheben durften! Vor den mit Blutschuld bedeckten König Ahab tritt Ella
furchtlos und verkündet ihm, daß er für seine That den schmählichen Tod leiden
soll; der König weist ihn nicht zurück, sondern thut Buße und erlangt dadurch
Milderung der über ihn verhängten Strafe. Sind die einzelnen Züge dieser
Erzählung auch nicht alle streng geschichtlich, so geben sie uns dock ein treues
Bild von dem Auftreten der Propheten gegen die Mächtigen der Erde.

Auch mit den Priestern waren Conflicte nicht immer zu vermeiden. Ob¬
wohl einige Propheten aus priesterlichen Geschlecht waren (z. B. Jeremia), s»
mußten die reineren, geistigeren und doch strengeren Anschauungen der begeisterten
Gottesmänner denen mitunter lästig werden, welche sich des ruhigen Besitzes
ihrer geistlichen Würde erfreuen wollten und durch die Handhabung des Cultus
ihre Heiligkeit gesichert glaubten. Nicht blos der Priester des goldenen Kalbes
weist den Propheten Amos zurück, sondern auch die Priester in Jerusalem suchen
die Propheten zuweilen fern zu halten.

Bei dem Subjektivismus der Propheten kann es selbst nicht fehlen, daß


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[0448] Vertrauen auf äußere Streitmittel, eben dies bedeutet ihnen einen sträflichen Mangel an Vertrauen zu Gott, der allein helfen kann. Diese Grundsätze vertreten die Propheten mit Aufopferung ihrer selbst. Sie leiden vielen Widerstand, aber werden nicht gebeugt. Sie greifen auch handelnd ein. Als das Haus AHabs durchaus nicht vom Götzendienst lassen will, da bewirkt Elisa seinen Sturz. Ja sogar die Trennung des nördlichen Reichs vom südlichen wird auf einen Propheten zurückgeführt. Man sieht, daß dieser Prophet die Herrschaft des Stammes Juda, namentlich des Salomo, wesentlich anders auffaßte, als unsre Berichte. Es lag übrigens in der Natur der Sache, daß das Auftreten der Propheten oft zu Conflicten führte. Auch wenn die Machthaber stets die beste Gesinnung gehabt hätten, wäre es ihnen doch unmöglich gewesen, eine so ideale Politik, wie die von den Propheten geforderte, durchzuführen. Sie mußte» unter allen Umständen mit den Mächten der Erde rechnen, welche von den Propheten für gar nichts geachtet wurden. Bei solchen Conflicten waren die Propheten gewiß nicht immer ganz schuldlos; der gewaltige Eifer riß sie leicht über die Grenzen der Mäßigung hin/ Es erklärt sich leicht, daß auch das reinste Streben dieser Männer oft Hohn. Leiden und Verfolgungen, ja den Tod über sie brachte. Aber dies waren doch die seltneren Fälle. Das hohe' Ansehn, in dem sie beim Volke standen, schützte sie, und selbst die Großen beugten sich oft vor der geistigen Ueberlegenheit. Noch der eingekerkerte Jeremia flößt dem König Sedekia solche Ehrfurcht ein, daß er heimlich zu ihm kommt und ihn flehend befragt, ob sich die von ihm vorhergesagter Folgen seiner unverständigen und treulosen Politik nicht noch abwenden lassen. Welch ein Segen lag übrigens darin, daß die Propheten das Wort überall frei zu erheben wagten und in gewisser Hinsicht erheben durften! Vor den mit Blutschuld bedeckten König Ahab tritt Ella furchtlos und verkündet ihm, daß er für seine That den schmählichen Tod leiden soll; der König weist ihn nicht zurück, sondern thut Buße und erlangt dadurch Milderung der über ihn verhängten Strafe. Sind die einzelnen Züge dieser Erzählung auch nicht alle streng geschichtlich, so geben sie uns dock ein treues Bild von dem Auftreten der Propheten gegen die Mächtigen der Erde. Auch mit den Priestern waren Conflicte nicht immer zu vermeiden. Ob¬ wohl einige Propheten aus priesterlichen Geschlecht waren (z. B. Jeremia), s» mußten die reineren, geistigeren und doch strengeren Anschauungen der begeisterten Gottesmänner denen mitunter lästig werden, welche sich des ruhigen Besitzes ihrer geistlichen Würde erfreuen wollten und durch die Handhabung des Cultus ihre Heiligkeit gesichert glaubten. Nicht blos der Priester des goldenen Kalbes weist den Propheten Amos zurück, sondern auch die Priester in Jerusalem suchen die Propheten zuweilen fern zu halten. Bei dem Subjektivismus der Propheten kann es selbst nicht fehlen, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/448>, abgerufen am 15.01.2025.