Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bottheile seiner an der See gelegnen Grafschaft Jeder zu verwerthen, und ohne
Verzug schrieb er an Borke: "Wenn England an der deutschen Küste gegen
die Ncbellentapcr zwei Fregatten von je 12 oder 20 Kanonen und zwei kleinere
Fahrzeuge von je 8 oder 10 leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm die¬
selben überlassen. (Der gute Herr hätte diese Schiffe erst bauen müssen; denn
Jever besaß nur ein paar Dutzend friedliche Fischerböte.) Meine (Gedanken-)
Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie unentbehrlich:
1) stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen Truppen her, 2) ver¬
mitteln sie die von Deutschland abzusendenden Verstärkungen. 3) erlangen Sie
dadurch so viele Schiffe und Matrosen mehr, was bei der Frechheit der Rebellen,
die ihre Piratencanaille überall hinschicken und sogar im Stande sind, die deut¬
schen Küsten heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist."

Borke war gutmüthig oder einfältig genug, diesen abgeschmackten Einfall
>n London zu bevorworten. Suffolk ging natürlich nicht darauf ein, ja er
nahm, als er erfuhr, daß Zerbst die versprochenen Truppen nicht sofort liefern
konnte, seinen Befehl für Annahme derselben zurück. Die vom Fürsten nach
London geschickten Barone v. Oppeln und v. Wietersheim, die hier den Ver¬
trag zwischen den Kronen Zerbst und Großbritannien abzuschließen beauftragt
waren, wurden von Suffolk kurz bedeutet, daß London nicht der Ort für der¬
gleichen Negociationen sei, und ihnen sofortige Heimreise anempfohlen.

"Trotz Ihrer Versprechungen," schreibt der arme Fürst am 23. Juni 1777
wehklagend an seinen Gönner Borke, "hat man in London meine Truppen ab¬
gelehnt. Man will bis zum nächsten Jahre warten. Das ist unmöglich, ich
werde mich dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andre Mächte
Werden diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offnen Armen aufnehmen.
2es hoffe aber, Sie werden Alles noch arrangiren."

Das that Bö"ke denn auch. "Ich sende Ihnen," schrieb er an Suffolk.
"verschiedene Briefe, die ich von meinem wunderlichen Korrespondenten, dem
Fürsten von Zerbst. empfangen habe; in seinem letzten ist er über den einge-
tretenen Zeitverlust ausgebracht." -- "Ich habe dem Fürsten heute geschrieben
und mich bemüht, ihn bei guter Laune zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen
seinen Verrücktheiten ist er doch ein guter Kerl, der besser handelt als er schreibt.
Ich wünsche, seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch
genommen werden."

Dieser Wunsch wurde erfüllt; denn die Zeiten waren mittlerweile für Eng-
land wirklich schwierig geworden. Im Herbst 1777 erhielt Faucitt von Suffolk
b'e Weisung, mit dem zerbstcr Ministerium für zwei Regimenter abzuschließen.
Dieses unterwarf sich ohne Widerspruch den vom englischen Commissär gestellten
Bedingungen und begnügte sich sogar mit der bloßen Punctation eines Ver>
lrngs. die es England freistellte, die endgiltige Genehmigung des letzteren so


Bottheile seiner an der See gelegnen Grafschaft Jeder zu verwerthen, und ohne
Verzug schrieb er an Borke: „Wenn England an der deutschen Küste gegen
die Ncbellentapcr zwei Fregatten von je 12 oder 20 Kanonen und zwei kleinere
Fahrzeuge von je 8 oder 10 leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm die¬
selben überlassen. (Der gute Herr hätte diese Schiffe erst bauen müssen; denn
Jever besaß nur ein paar Dutzend friedliche Fischerböte.) Meine (Gedanken-)
Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie unentbehrlich:
1) stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen Truppen her, 2) ver¬
mitteln sie die von Deutschland abzusendenden Verstärkungen. 3) erlangen Sie
dadurch so viele Schiffe und Matrosen mehr, was bei der Frechheit der Rebellen,
die ihre Piratencanaille überall hinschicken und sogar im Stande sind, die deut¬
schen Küsten heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist."

Borke war gutmüthig oder einfältig genug, diesen abgeschmackten Einfall
>n London zu bevorworten. Suffolk ging natürlich nicht darauf ein, ja er
nahm, als er erfuhr, daß Zerbst die versprochenen Truppen nicht sofort liefern
konnte, seinen Befehl für Annahme derselben zurück. Die vom Fürsten nach
London geschickten Barone v. Oppeln und v. Wietersheim, die hier den Ver¬
trag zwischen den Kronen Zerbst und Großbritannien abzuschließen beauftragt
waren, wurden von Suffolk kurz bedeutet, daß London nicht der Ort für der¬
gleichen Negociationen sei, und ihnen sofortige Heimreise anempfohlen.

„Trotz Ihrer Versprechungen," schreibt der arme Fürst am 23. Juni 1777
wehklagend an seinen Gönner Borke, „hat man in London meine Truppen ab¬
gelehnt. Man will bis zum nächsten Jahre warten. Das ist unmöglich, ich
werde mich dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andre Mächte
Werden diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offnen Armen aufnehmen.
2es hoffe aber, Sie werden Alles noch arrangiren."

Das that Bö»ke denn auch. „Ich sende Ihnen," schrieb er an Suffolk.
»verschiedene Briefe, die ich von meinem wunderlichen Korrespondenten, dem
Fürsten von Zerbst. empfangen habe; in seinem letzten ist er über den einge-
tretenen Zeitverlust ausgebracht." — „Ich habe dem Fürsten heute geschrieben
und mich bemüht, ihn bei guter Laune zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen
seinen Verrücktheiten ist er doch ein guter Kerl, der besser handelt als er schreibt.
Ich wünsche, seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch
genommen werden."

Dieser Wunsch wurde erfüllt; denn die Zeiten waren mittlerweile für Eng-
land wirklich schwierig geworden. Im Herbst 1777 erhielt Faucitt von Suffolk
b'e Weisung, mit dem zerbstcr Ministerium für zwei Regimenter abzuschließen.
Dieses unterwarf sich ohne Widerspruch den vom englischen Commissär gestellten
Bedingungen und begnügte sich sogar mit der bloßen Punctation eines Ver>
lrngs. die es England freistellte, die endgiltige Genehmigung des letzteren so


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283790"/>
          <p xml:id="ID_1237" prev="#ID_1236"> Bottheile seiner an der See gelegnen Grafschaft Jeder zu verwerthen, und ohne<lb/>
Verzug schrieb er an Borke: &#x201E;Wenn England an der deutschen Küste gegen<lb/>
die Ncbellentapcr zwei Fregatten von je 12 oder 20 Kanonen und zwei kleinere<lb/>
Fahrzeuge von je 8 oder 10 leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm die¬<lb/>
selben überlassen. (Der gute Herr hätte diese Schiffe erst bauen müssen; denn<lb/>
Jever besaß nur ein paar Dutzend friedliche Fischerböte.) Meine (Gedanken-)<lb/>
Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie unentbehrlich:<lb/>
1) stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen Truppen her, 2) ver¬<lb/>
mitteln sie die von Deutschland abzusendenden Verstärkungen. 3) erlangen Sie<lb/>
dadurch so viele Schiffe und Matrosen mehr, was bei der Frechheit der Rebellen,<lb/>
die ihre Piratencanaille überall hinschicken und sogar im Stande sind, die deut¬<lb/>
schen Küsten heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1238"> Borke war gutmüthig oder einfältig genug, diesen abgeschmackten Einfall<lb/>
&gt;n London zu bevorworten. Suffolk ging natürlich nicht darauf ein, ja er<lb/>
nahm, als er erfuhr, daß Zerbst die versprochenen Truppen nicht sofort liefern<lb/>
konnte, seinen Befehl für Annahme derselben zurück. Die vom Fürsten nach<lb/>
London geschickten Barone v. Oppeln und v. Wietersheim, die hier den Ver¬<lb/>
trag zwischen den Kronen Zerbst und Großbritannien abzuschließen beauftragt<lb/>
waren, wurden von Suffolk kurz bedeutet, daß London nicht der Ort für der¬<lb/>
gleichen Negociationen sei, und ihnen sofortige Heimreise anempfohlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1239"> &#x201E;Trotz Ihrer Versprechungen," schreibt der arme Fürst am 23. Juni 1777<lb/>
wehklagend an seinen Gönner Borke, &#x201E;hat man in London meine Truppen ab¬<lb/>
gelehnt. Man will bis zum nächsten Jahre warten. Das ist unmöglich, ich<lb/>
werde mich dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andre Mächte<lb/>
Werden diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offnen Armen aufnehmen.<lb/>
2es hoffe aber, Sie werden Alles noch arrangiren."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1240"> Das that Bö»ke denn auch. &#x201E;Ich sende Ihnen," schrieb er an Suffolk.<lb/>
»verschiedene Briefe, die ich von meinem wunderlichen Korrespondenten, dem<lb/>
Fürsten von Zerbst. empfangen habe; in seinem letzten ist er über den einge-<lb/>
tretenen Zeitverlust ausgebracht." &#x2014; &#x201E;Ich habe dem Fürsten heute geschrieben<lb/>
und mich bemüht, ihn bei guter Laune zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen<lb/>
seinen Verrücktheiten ist er doch ein guter Kerl, der besser handelt als er schreibt.<lb/>
Ich wünsche, seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch<lb/>
genommen werden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1241" next="#ID_1242"> Dieser Wunsch wurde erfüllt; denn die Zeiten waren mittlerweile für Eng-<lb/>
land wirklich schwierig geworden. Im Herbst 1777 erhielt Faucitt von Suffolk<lb/>
b'e Weisung, mit dem zerbstcr Ministerium für zwei Regimenter abzuschließen.<lb/>
Dieses unterwarf sich ohne Widerspruch den vom englischen Commissär gestellten<lb/>
Bedingungen und begnügte sich sogar mit der bloßen Punctation eines Ver&gt;<lb/>
lrngs. die es England freistellte, die endgiltige Genehmigung des letzteren so</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0437] Bottheile seiner an der See gelegnen Grafschaft Jeder zu verwerthen, und ohne Verzug schrieb er an Borke: „Wenn England an der deutschen Küste gegen die Ncbellentapcr zwei Fregatten von je 12 oder 20 Kanonen und zwei kleinere Fahrzeuge von je 8 oder 10 leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm die¬ selben überlassen. (Der gute Herr hätte diese Schiffe erst bauen müssen; denn Jever besaß nur ein paar Dutzend friedliche Fischerböte.) Meine (Gedanken-) Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie unentbehrlich: 1) stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen Truppen her, 2) ver¬ mitteln sie die von Deutschland abzusendenden Verstärkungen. 3) erlangen Sie dadurch so viele Schiffe und Matrosen mehr, was bei der Frechheit der Rebellen, die ihre Piratencanaille überall hinschicken und sogar im Stande sind, die deut¬ schen Küsten heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist." Borke war gutmüthig oder einfältig genug, diesen abgeschmackten Einfall >n London zu bevorworten. Suffolk ging natürlich nicht darauf ein, ja er nahm, als er erfuhr, daß Zerbst die versprochenen Truppen nicht sofort liefern konnte, seinen Befehl für Annahme derselben zurück. Die vom Fürsten nach London geschickten Barone v. Oppeln und v. Wietersheim, die hier den Ver¬ trag zwischen den Kronen Zerbst und Großbritannien abzuschließen beauftragt waren, wurden von Suffolk kurz bedeutet, daß London nicht der Ort für der¬ gleichen Negociationen sei, und ihnen sofortige Heimreise anempfohlen. „Trotz Ihrer Versprechungen," schreibt der arme Fürst am 23. Juni 1777 wehklagend an seinen Gönner Borke, „hat man in London meine Truppen ab¬ gelehnt. Man will bis zum nächsten Jahre warten. Das ist unmöglich, ich werde mich dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andre Mächte Werden diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offnen Armen aufnehmen. 2es hoffe aber, Sie werden Alles noch arrangiren." Das that Bö»ke denn auch. „Ich sende Ihnen," schrieb er an Suffolk. »verschiedene Briefe, die ich von meinem wunderlichen Korrespondenten, dem Fürsten von Zerbst. empfangen habe; in seinem letzten ist er über den einge- tretenen Zeitverlust ausgebracht." — „Ich habe dem Fürsten heute geschrieben und mich bemüht, ihn bei guter Laune zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen seinen Verrücktheiten ist er doch ein guter Kerl, der besser handelt als er schreibt. Ich wünsche, seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch genommen werden." Dieser Wunsch wurde erfüllt; denn die Zeiten waren mittlerweile für Eng- land wirklich schwierig geworden. Im Herbst 1777 erhielt Faucitt von Suffolk b'e Weisung, mit dem zerbstcr Ministerium für zwei Regimenter abzuschließen. Dieses unterwarf sich ohne Widerspruch den vom englischen Commissär gestellten Bedingungen und begnügte sich sogar mit der bloßen Punctation eines Ver> lrngs. die es England freistellte, die endgiltige Genehmigung des letzteren so

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/437
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/437>, abgerufen am 15.01.2025.