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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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bürgerlichen Leben verloren, aber das dürfte hier wie da nur dann von Be¬
deutung sein, wenn die Einseitigkeit der Existenz eine zu lange Dauer hat.
Ja die Gefahr ist für den Knaben, der aus der Erziehungsanstalt direct in
das Leben und in die Selbständigkeit tritt, viel größer, als für den Soldaten,
der aus dein bunten Rock wieder in seine alten Verhältnisse zurückkehrt; zumal
wenn die Dienstzeit um so viel Zeit, als der Soldat im Lager gelegen hat, im
Ganzen verkürzt wird. Denn es ist nicht zu verkennen, daß, wenn man alle
die Anstrengungen und Nebendienste streicht, welche das Garnisonverhäitniß
fordert und dafür die Zeit ganz der Erziehung des Soldaten widmet, man die
Dauer der Ausbildung füglich vermindern kann. --

Die Lager mit einem großen und mannigfaltigen Uebungsfeld gewähren
ferner den Nutzen, daß man die Uebungen selbst dem Kriege ähnlicher machen
kann. Das Schießen z. B., das mit dem Steigen der Cultur bei den Gar¬
nisonen sich immer mehr auf künstlich gebaute Scheibenstände beschränken muß,
in denen es schwer ist vorbeizuschießen, wird dann erst eine kriegerische Uebung,
wenn dem Soldaten mitten in der Bewegung, auf unbekannten Entfernungen,
in welligem, allen Witterungseinflüssen ausgesetzten Terrain Scheibenbilder zum
Treffen entgegengestellt werden. -- Jede militärische Bewegung im Terrain muß
richtiger und deshalb lehrreicher werden, wenn keinerlei Rücksicht auf die Cultur
des Bodens, auf Privatbesitz u. tgi. genommen zu werden braucht. -- Angnff
und Vertheidigung von Haus und Garten kann nur dann dem Soldaten wirk¬
lich gelehrt werden, wenn sie ihm auf dem Manöverfeld frei zur Disposition
stehen. -- Der Gebrauch von Truppen kann nur dann vollständig zum Ver¬
ständniß des Einzelnen kommen, wenn ihre Verwendung Tag und Nacht, nach
allen Richtungen und in der Masse, wie sie der Krieg jetzt überall fordert,
möglich ist. -- Das Zusammenwirken der verschiedenen Waffen läßt sich nur
dann lehren, wenn sie länger vereint bleiben und systematisch in einander ge¬
wöhnt werden; die kurzen Manöver, wie sie z. B. in Preußen statthaben, können
in dieser Beziehung gar kein Resultat liefern. -- Das Eingreifen des Genies,
der Pioniere in den kriegerischen Akt, d. h. die Anwendung der Verschanzungs-
kunst, läßt sich nur lernen auf einem großen, zur Uebung freien Feld, das
dauernd der Truppe zur Verfügung steht. Aus Mangel solcher Uebung ist den
deutschen Truppen die Verwendung der Verschanzungskunst in allen Gefechts¬
lagen, wie leider die Erfahrung zeigt, sehr fremd.

Ein sehr bedeutender Nutzen des Lagers liegt ferner in der Gemeinschaft
des Lebens zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, der aber nur dann sich
geltend machen kann, wenn kein Lustlager statthat, sondern das öffentliche
Leben auf die Seite geschoben ist, wenn der Soldat in der Erfüllung aller seiner
Bedürfnisse auf den directen oder indirecten Einfluß seiner Vorgesetzten ange'
Wiesen ist; wenn seine ganze Behaglichkeit abhängig ist von seinen Officieren:c.


bürgerlichen Leben verloren, aber das dürfte hier wie da nur dann von Be¬
deutung sein, wenn die Einseitigkeit der Existenz eine zu lange Dauer hat.
Ja die Gefahr ist für den Knaben, der aus der Erziehungsanstalt direct in
das Leben und in die Selbständigkeit tritt, viel größer, als für den Soldaten,
der aus dein bunten Rock wieder in seine alten Verhältnisse zurückkehrt; zumal
wenn die Dienstzeit um so viel Zeit, als der Soldat im Lager gelegen hat, im
Ganzen verkürzt wird. Denn es ist nicht zu verkennen, daß, wenn man alle
die Anstrengungen und Nebendienste streicht, welche das Garnisonverhäitniß
fordert und dafür die Zeit ganz der Erziehung des Soldaten widmet, man die
Dauer der Ausbildung füglich vermindern kann. —

Die Lager mit einem großen und mannigfaltigen Uebungsfeld gewähren
ferner den Nutzen, daß man die Uebungen selbst dem Kriege ähnlicher machen
kann. Das Schießen z. B., das mit dem Steigen der Cultur bei den Gar¬
nisonen sich immer mehr auf künstlich gebaute Scheibenstände beschränken muß,
in denen es schwer ist vorbeizuschießen, wird dann erst eine kriegerische Uebung,
wenn dem Soldaten mitten in der Bewegung, auf unbekannten Entfernungen,
in welligem, allen Witterungseinflüssen ausgesetzten Terrain Scheibenbilder zum
Treffen entgegengestellt werden. — Jede militärische Bewegung im Terrain muß
richtiger und deshalb lehrreicher werden, wenn keinerlei Rücksicht auf die Cultur
des Bodens, auf Privatbesitz u. tgi. genommen zu werden braucht. — Angnff
und Vertheidigung von Haus und Garten kann nur dann dem Soldaten wirk¬
lich gelehrt werden, wenn sie ihm auf dem Manöverfeld frei zur Disposition
stehen. — Der Gebrauch von Truppen kann nur dann vollständig zum Ver¬
ständniß des Einzelnen kommen, wenn ihre Verwendung Tag und Nacht, nach
allen Richtungen und in der Masse, wie sie der Krieg jetzt überall fordert,
möglich ist. — Das Zusammenwirken der verschiedenen Waffen läßt sich nur
dann lehren, wenn sie länger vereint bleiben und systematisch in einander ge¬
wöhnt werden; die kurzen Manöver, wie sie z. B. in Preußen statthaben, können
in dieser Beziehung gar kein Resultat liefern. — Das Eingreifen des Genies,
der Pioniere in den kriegerischen Akt, d. h. die Anwendung der Verschanzungs-
kunst, läßt sich nur lernen auf einem großen, zur Uebung freien Feld, das
dauernd der Truppe zur Verfügung steht. Aus Mangel solcher Uebung ist den
deutschen Truppen die Verwendung der Verschanzungskunst in allen Gefechts¬
lagen, wie leider die Erfahrung zeigt, sehr fremd.

Ein sehr bedeutender Nutzen des Lagers liegt ferner in der Gemeinschaft
des Lebens zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, der aber nur dann sich
geltend machen kann, wenn kein Lustlager statthat, sondern das öffentliche
Leben auf die Seite geschoben ist, wenn der Soldat in der Erfüllung aller seiner
Bedürfnisse auf den directen oder indirecten Einfluß seiner Vorgesetzten ange'
Wiesen ist; wenn seine ganze Behaglichkeit abhängig ist von seinen Officieren:c.


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[0414] bürgerlichen Leben verloren, aber das dürfte hier wie da nur dann von Be¬ deutung sein, wenn die Einseitigkeit der Existenz eine zu lange Dauer hat. Ja die Gefahr ist für den Knaben, der aus der Erziehungsanstalt direct in das Leben und in die Selbständigkeit tritt, viel größer, als für den Soldaten, der aus dein bunten Rock wieder in seine alten Verhältnisse zurückkehrt; zumal wenn die Dienstzeit um so viel Zeit, als der Soldat im Lager gelegen hat, im Ganzen verkürzt wird. Denn es ist nicht zu verkennen, daß, wenn man alle die Anstrengungen und Nebendienste streicht, welche das Garnisonverhäitniß fordert und dafür die Zeit ganz der Erziehung des Soldaten widmet, man die Dauer der Ausbildung füglich vermindern kann. — Die Lager mit einem großen und mannigfaltigen Uebungsfeld gewähren ferner den Nutzen, daß man die Uebungen selbst dem Kriege ähnlicher machen kann. Das Schießen z. B., das mit dem Steigen der Cultur bei den Gar¬ nisonen sich immer mehr auf künstlich gebaute Scheibenstände beschränken muß, in denen es schwer ist vorbeizuschießen, wird dann erst eine kriegerische Uebung, wenn dem Soldaten mitten in der Bewegung, auf unbekannten Entfernungen, in welligem, allen Witterungseinflüssen ausgesetzten Terrain Scheibenbilder zum Treffen entgegengestellt werden. — Jede militärische Bewegung im Terrain muß richtiger und deshalb lehrreicher werden, wenn keinerlei Rücksicht auf die Cultur des Bodens, auf Privatbesitz u. tgi. genommen zu werden braucht. — Angnff und Vertheidigung von Haus und Garten kann nur dann dem Soldaten wirk¬ lich gelehrt werden, wenn sie ihm auf dem Manöverfeld frei zur Disposition stehen. — Der Gebrauch von Truppen kann nur dann vollständig zum Ver¬ ständniß des Einzelnen kommen, wenn ihre Verwendung Tag und Nacht, nach allen Richtungen und in der Masse, wie sie der Krieg jetzt überall fordert, möglich ist. — Das Zusammenwirken der verschiedenen Waffen läßt sich nur dann lehren, wenn sie länger vereint bleiben und systematisch in einander ge¬ wöhnt werden; die kurzen Manöver, wie sie z. B. in Preußen statthaben, können in dieser Beziehung gar kein Resultat liefern. — Das Eingreifen des Genies, der Pioniere in den kriegerischen Akt, d. h. die Anwendung der Verschanzungs- kunst, läßt sich nur lernen auf einem großen, zur Uebung freien Feld, das dauernd der Truppe zur Verfügung steht. Aus Mangel solcher Uebung ist den deutschen Truppen die Verwendung der Verschanzungskunst in allen Gefechts¬ lagen, wie leider die Erfahrung zeigt, sehr fremd. Ein sehr bedeutender Nutzen des Lagers liegt ferner in der Gemeinschaft des Lebens zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, der aber nur dann sich geltend machen kann, wenn kein Lustlager statthat, sondern das öffentliche Leben auf die Seite geschoben ist, wenn der Soldat in der Erfüllung aller seiner Bedürfnisse auf den directen oder indirecten Einfluß seiner Vorgesetzten ange' Wiesen ist; wenn seine ganze Behaglichkeit abhängig ist von seinen Officieren:c.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/414>, abgerufen am 15.01.2025.