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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Die Art, wie Ruhe und Anstrengung in einander geschoben, wie Langeweile
gebannt, der Geist angeregt und der lange Tag ausgefüllt, wie Rücksicht auf
die Mahlzeit genommen, wie für die Güte der Materialien und deren Zube¬
reitung gesorgt, wie Ordnung und Reinlichkeit erhalten, wie der Kranke be¬
achtet und versorgt wird, das bestimmt die Zufriedenheit des Einzelnen im
Luger, das macht den Soldaten nach jeder Richtung des Dienstes stramm, pünkt¬
lich, fest und zuverlässig und gehorsam seinem Vorgesetzten.

Den größten Vortheil gewährt aber das Lager der Armee dadurch, daß
es allein im Stande ist. die Ausbildung und Erziehung der höhern Offiziere
zu übernehmen. Die Generale werden im Lager in stete Reibung mit der
Truppe, mit ihren Untergebenen gebracht, und dies allein kann ihre guten
Fähigkeiten erhalten, ihren Charakter in der nothwendigen Schärfe entwickeln
und die wichtige Kunst, Menschen zu leiten und zu beleben, üben. Entkleidet
von dem Nimbus, welcher den sonst nur inspicirenden General umgiebt, wird
er im Lager genöthigt, seine Stellung durch tägliche Leistung zu behaupten.
Diese Leistungen werden von ihm nicht nur in der wiederholten Führung der
Truppen bei den anhaltenden großen Uebungen, bei dem richtigen Eingreifen
in die kleinen Uebungen und'bei der Sorge für das ganze Leben der Truppe
gefordert, sondern auch in dem steten Verkehr mit Offizieren und Mannschaften.
Der General und der Mensch müssen sich in dem nahen Zusammenwohnen und
in der unausgesetzten Berührung als tüchtig geltend machen, sonst kann er sich
nicht behaupten. Je dauernder, je größer ein Lager ist, und je freier es von
äußern Beziehungen, Zerstreuungen u. tgi. erhalten wirb, desto mehr wächst die
Bedeutung der in ihm befehlenden Männer.

Aus dem hier über den Nutzen der Lager Gesagten ist auch zu erkennen,
K'arna die Errichtung derselben, abgesehen von den Kosten, so ganz entgegen¬
gesetzte Gegner hat, nämlich die sogenannten Freiheitsmänner und die alten
Generale. Die erster", weil sie Feinde alles dessen sind, was eine Armee stärkt
""d in sich fester macht, und die andern, weil sie die eigene Leistung fürchten.
Mit Lustlagern aber würden sich beide aussöhnen. Die Furcht vor einer kräf¬
tigen Armee ist epidemisch geworden und hat selbst ganz verständige Männer
^faßt, weil Mißbrauch mit dieser Kraft des Staates getrieben worden ist und
weil sie öfter auf unstatthaften Wegen zum Ausbruch gekommen ist. Aber
">ehe in der Zerstörung einer Kraft, sondern in der höchsten vernunftgemäßen
Entwicklung derselben liegt die schöpferische Aufgabe unserer bürgerlichen Gesell¬
est, nicht in der Kraft überhaupt, sondern in ihrer höchst geregelten, gründ¬
lichsten und raschesten Benutzung liegt das Geheimniß aller großen Erfolge,
^icht auf die Zerstörung oder Hemmung der militärischen Kraft kann die Ent¬
wicklung des Staates bahnt werden, sondern nur auf eine Hebung und Rege¬
lung derselben. Man vrganistre die militärische Macht eines Staates nach


Die Art, wie Ruhe und Anstrengung in einander geschoben, wie Langeweile
gebannt, der Geist angeregt und der lange Tag ausgefüllt, wie Rücksicht auf
die Mahlzeit genommen, wie für die Güte der Materialien und deren Zube¬
reitung gesorgt, wie Ordnung und Reinlichkeit erhalten, wie der Kranke be¬
achtet und versorgt wird, das bestimmt die Zufriedenheit des Einzelnen im
Luger, das macht den Soldaten nach jeder Richtung des Dienstes stramm, pünkt¬
lich, fest und zuverlässig und gehorsam seinem Vorgesetzten.

Den größten Vortheil gewährt aber das Lager der Armee dadurch, daß
es allein im Stande ist. die Ausbildung und Erziehung der höhern Offiziere
zu übernehmen. Die Generale werden im Lager in stete Reibung mit der
Truppe, mit ihren Untergebenen gebracht, und dies allein kann ihre guten
Fähigkeiten erhalten, ihren Charakter in der nothwendigen Schärfe entwickeln
und die wichtige Kunst, Menschen zu leiten und zu beleben, üben. Entkleidet
von dem Nimbus, welcher den sonst nur inspicirenden General umgiebt, wird
er im Lager genöthigt, seine Stellung durch tägliche Leistung zu behaupten.
Diese Leistungen werden von ihm nicht nur in der wiederholten Führung der
Truppen bei den anhaltenden großen Uebungen, bei dem richtigen Eingreifen
in die kleinen Uebungen und'bei der Sorge für das ganze Leben der Truppe
gefordert, sondern auch in dem steten Verkehr mit Offizieren und Mannschaften.
Der General und der Mensch müssen sich in dem nahen Zusammenwohnen und
in der unausgesetzten Berührung als tüchtig geltend machen, sonst kann er sich
nicht behaupten. Je dauernder, je größer ein Lager ist, und je freier es von
äußern Beziehungen, Zerstreuungen u. tgi. erhalten wirb, desto mehr wächst die
Bedeutung der in ihm befehlenden Männer.

Aus dem hier über den Nutzen der Lager Gesagten ist auch zu erkennen,
K'arna die Errichtung derselben, abgesehen von den Kosten, so ganz entgegen¬
gesetzte Gegner hat, nämlich die sogenannten Freiheitsmänner und die alten
Generale. Die erster», weil sie Feinde alles dessen sind, was eine Armee stärkt
""d in sich fester macht, und die andern, weil sie die eigene Leistung fürchten.
Mit Lustlagern aber würden sich beide aussöhnen. Die Furcht vor einer kräf¬
tigen Armee ist epidemisch geworden und hat selbst ganz verständige Männer
^faßt, weil Mißbrauch mit dieser Kraft des Staates getrieben worden ist und
weil sie öfter auf unstatthaften Wegen zum Ausbruch gekommen ist. Aber
">ehe in der Zerstörung einer Kraft, sondern in der höchsten vernunftgemäßen
Entwicklung derselben liegt die schöpferische Aufgabe unserer bürgerlichen Gesell¬
est, nicht in der Kraft überhaupt, sondern in ihrer höchst geregelten, gründ¬
lichsten und raschesten Benutzung liegt das Geheimniß aller großen Erfolge,
^icht auf die Zerstörung oder Hemmung der militärischen Kraft kann die Ent¬
wicklung des Staates bahnt werden, sondern nur auf eine Hebung und Rege¬
lung derselben. Man vrganistre die militärische Macht eines Staates nach


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[0415] Die Art, wie Ruhe und Anstrengung in einander geschoben, wie Langeweile gebannt, der Geist angeregt und der lange Tag ausgefüllt, wie Rücksicht auf die Mahlzeit genommen, wie für die Güte der Materialien und deren Zube¬ reitung gesorgt, wie Ordnung und Reinlichkeit erhalten, wie der Kranke be¬ achtet und versorgt wird, das bestimmt die Zufriedenheit des Einzelnen im Luger, das macht den Soldaten nach jeder Richtung des Dienstes stramm, pünkt¬ lich, fest und zuverlässig und gehorsam seinem Vorgesetzten. Den größten Vortheil gewährt aber das Lager der Armee dadurch, daß es allein im Stande ist. die Ausbildung und Erziehung der höhern Offiziere zu übernehmen. Die Generale werden im Lager in stete Reibung mit der Truppe, mit ihren Untergebenen gebracht, und dies allein kann ihre guten Fähigkeiten erhalten, ihren Charakter in der nothwendigen Schärfe entwickeln und die wichtige Kunst, Menschen zu leiten und zu beleben, üben. Entkleidet von dem Nimbus, welcher den sonst nur inspicirenden General umgiebt, wird er im Lager genöthigt, seine Stellung durch tägliche Leistung zu behaupten. Diese Leistungen werden von ihm nicht nur in der wiederholten Führung der Truppen bei den anhaltenden großen Uebungen, bei dem richtigen Eingreifen in die kleinen Uebungen und'bei der Sorge für das ganze Leben der Truppe gefordert, sondern auch in dem steten Verkehr mit Offizieren und Mannschaften. Der General und der Mensch müssen sich in dem nahen Zusammenwohnen und in der unausgesetzten Berührung als tüchtig geltend machen, sonst kann er sich nicht behaupten. Je dauernder, je größer ein Lager ist, und je freier es von äußern Beziehungen, Zerstreuungen u. tgi. erhalten wirb, desto mehr wächst die Bedeutung der in ihm befehlenden Männer. Aus dem hier über den Nutzen der Lager Gesagten ist auch zu erkennen, K'arna die Errichtung derselben, abgesehen von den Kosten, so ganz entgegen¬ gesetzte Gegner hat, nämlich die sogenannten Freiheitsmänner und die alten Generale. Die erster», weil sie Feinde alles dessen sind, was eine Armee stärkt ""d in sich fester macht, und die andern, weil sie die eigene Leistung fürchten. Mit Lustlagern aber würden sich beide aussöhnen. Die Furcht vor einer kräf¬ tigen Armee ist epidemisch geworden und hat selbst ganz verständige Männer ^faßt, weil Mißbrauch mit dieser Kraft des Staates getrieben worden ist und weil sie öfter auf unstatthaften Wegen zum Ausbruch gekommen ist. Aber ">ehe in der Zerstörung einer Kraft, sondern in der höchsten vernunftgemäßen Entwicklung derselben liegt die schöpferische Aufgabe unserer bürgerlichen Gesell¬ est, nicht in der Kraft überhaupt, sondern in ihrer höchst geregelten, gründ¬ lichsten und raschesten Benutzung liegt das Geheimniß aller großen Erfolge, ^icht auf die Zerstörung oder Hemmung der militärischen Kraft kann die Ent¬ wicklung des Staates bahnt werden, sondern nur auf eine Hebung und Rege¬ lung derselben. Man vrganistre die militärische Macht eines Staates nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/415>, abgerufen am 15.01.2025.