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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Kirche niederzudrücken, mit der Gunst der Negierung günstige Ankäufe für Klöster
(die Abtei Marienstatt wurde der römischen Geistlichkeit mit Ausschluß der Con-
currenz von der Regierung sür ein Geringes verkauft) zu erzielen, sondern auch,
Was die große Politik angeht, Nassau in den Bahnen der östreichischen Politik
und in der Machtsphäre dieses Concvrdatlandes zu erhalten.

AIS fünfte Stütze der Regierung endlich wollen wir noch den Mangel
alles dessen hervorheben, was man unter Grundlagen der politischen Freiheit
oder Grundrechten versteht. Die liberale Partei hat ihre Interessen durch dir
Presse vertreten wollen, da hat man gesehen, daß es in Nassau kein Gesetz zum
Schutz der Preßfreiheit giebt; das letzte, welches im Jahre 1863 von den Kammern
berathen wurde, ist wegen eines kleinen Zwiespalts zwischen erster und zweiter
Kammer unverkündigt geblieben, obgleich der Herzog das Recht hat, wenn beide
Kammern über einen Gesetzentwurf im Ganzen einig sind und nur in einzelnen
Punkten auseinandergehen, das Gesetz nach seiner Entscheidung für die Be-
schlüsse der einen oder andern Kammer als giltig zu verkünden. Die Negierung
hat einfach jedes Blatt des In- und Auslandes verfolgt, verboten, unterdrückt,
welches sich des Interesses der Opposition annahm. Die letztere versuche dann,
sich der öffentlichen Versammlungen zu bedienen; da hat man gesehen, daß es
kein Gesetz zum Schutz des Vereins, und Versammlungsrechtes giebt; die Re.
g'erung hat einfach die Versammlungen der Opposition bis zu den Besprechungen
"n der Wirthstafel durch ihre Gewalt thatsächlich unmöglich gemacht, wäh¬
rend sie die Versammlungen der eigenen Partei erlaubte. Hieraus hat sich
die Opposition die Mühe genommen durch besondere unter ihren politischen
Freunden auf privatem Wege zu verbreitende Druckschriften für sich zu wirken;
°a hat man nicht nur die verbreitenden Boten und die Empfänger mit Geld-
strafe und Gefängniß bedroht, sondern sogar durch Polizeidiener die noch nicht
durch irgendeine zuständige Behörde als verboten constatirte Waare wegnehmen
^sser. Das ist Verletzung des Eigenthums durch die Regierungsbehörde. Gegen
°lie dergleichen Willkürlichkeiten giebt es in Nassau bei den Gesetzen und bei
den Behörden keinen Schutz; mit der Verfassungsoctrovirung von 18S1 hat
jedes Grundrecht zu existiren aufgehört. Man hat nicht mit Unrecht bemerkt,
daß in Nassau Zustände herrschten, wie sie auf einer großen Domaine der
Herr derselben und sein Verwalter zu gestalten für gut befinden; was sie für
den Augenblick anordnen, das gilt.

Hiermit haben wir die Besprechung der Mittel erschöpft, welche sowohl
°er liberalen Partei als der Regierung in Nassau bis dahin zu Gebote standen ;
neuester Zeit scheint sich das Bündniß zwischen der Regierung und der rö-
Wischen Partei etwas gelockert zu haben und die Sache für die Liberalen um
einiges günstiger zu stehen. Es handelt sich aber zum Schluß unsrer Betrachtung
"och um ein Moment, welches zur Verbitterung deS zwischen Regierung und


Kirche niederzudrücken, mit der Gunst der Negierung günstige Ankäufe für Klöster
(die Abtei Marienstatt wurde der römischen Geistlichkeit mit Ausschluß der Con-
currenz von der Regierung sür ein Geringes verkauft) zu erzielen, sondern auch,
Was die große Politik angeht, Nassau in den Bahnen der östreichischen Politik
und in der Machtsphäre dieses Concvrdatlandes zu erhalten.

AIS fünfte Stütze der Regierung endlich wollen wir noch den Mangel
alles dessen hervorheben, was man unter Grundlagen der politischen Freiheit
oder Grundrechten versteht. Die liberale Partei hat ihre Interessen durch dir
Presse vertreten wollen, da hat man gesehen, daß es in Nassau kein Gesetz zum
Schutz der Preßfreiheit giebt; das letzte, welches im Jahre 1863 von den Kammern
berathen wurde, ist wegen eines kleinen Zwiespalts zwischen erster und zweiter
Kammer unverkündigt geblieben, obgleich der Herzog das Recht hat, wenn beide
Kammern über einen Gesetzentwurf im Ganzen einig sind und nur in einzelnen
Punkten auseinandergehen, das Gesetz nach seiner Entscheidung für die Be-
schlüsse der einen oder andern Kammer als giltig zu verkünden. Die Negierung
hat einfach jedes Blatt des In- und Auslandes verfolgt, verboten, unterdrückt,
welches sich des Interesses der Opposition annahm. Die letztere versuche dann,
sich der öffentlichen Versammlungen zu bedienen; da hat man gesehen, daß es
kein Gesetz zum Schutz des Vereins, und Versammlungsrechtes giebt; die Re.
g'erung hat einfach die Versammlungen der Opposition bis zu den Besprechungen
«n der Wirthstafel durch ihre Gewalt thatsächlich unmöglich gemacht, wäh¬
rend sie die Versammlungen der eigenen Partei erlaubte. Hieraus hat sich
die Opposition die Mühe genommen durch besondere unter ihren politischen
Freunden auf privatem Wege zu verbreitende Druckschriften für sich zu wirken;
°a hat man nicht nur die verbreitenden Boten und die Empfänger mit Geld-
strafe und Gefängniß bedroht, sondern sogar durch Polizeidiener die noch nicht
durch irgendeine zuständige Behörde als verboten constatirte Waare wegnehmen
^sser. Das ist Verletzung des Eigenthums durch die Regierungsbehörde. Gegen
°lie dergleichen Willkürlichkeiten giebt es in Nassau bei den Gesetzen und bei
den Behörden keinen Schutz; mit der Verfassungsoctrovirung von 18S1 hat
jedes Grundrecht zu existiren aufgehört. Man hat nicht mit Unrecht bemerkt,
daß in Nassau Zustände herrschten, wie sie auf einer großen Domaine der
Herr derselben und sein Verwalter zu gestalten für gut befinden; was sie für
den Augenblick anordnen, das gilt.

Hiermit haben wir die Besprechung der Mittel erschöpft, welche sowohl
°er liberalen Partei als der Regierung in Nassau bis dahin zu Gebote standen ;
neuester Zeit scheint sich das Bündniß zwischen der Regierung und der rö-
Wischen Partei etwas gelockert zu haben und die Sache für die Liberalen um
einiges günstiger zu stehen. Es handelt sich aber zum Schluß unsrer Betrachtung
"och um ein Moment, welches zur Verbitterung deS zwischen Regierung und


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[0407] Kirche niederzudrücken, mit der Gunst der Negierung günstige Ankäufe für Klöster (die Abtei Marienstatt wurde der römischen Geistlichkeit mit Ausschluß der Con- currenz von der Regierung sür ein Geringes verkauft) zu erzielen, sondern auch, Was die große Politik angeht, Nassau in den Bahnen der östreichischen Politik und in der Machtsphäre dieses Concvrdatlandes zu erhalten. AIS fünfte Stütze der Regierung endlich wollen wir noch den Mangel alles dessen hervorheben, was man unter Grundlagen der politischen Freiheit oder Grundrechten versteht. Die liberale Partei hat ihre Interessen durch dir Presse vertreten wollen, da hat man gesehen, daß es in Nassau kein Gesetz zum Schutz der Preßfreiheit giebt; das letzte, welches im Jahre 1863 von den Kammern berathen wurde, ist wegen eines kleinen Zwiespalts zwischen erster und zweiter Kammer unverkündigt geblieben, obgleich der Herzog das Recht hat, wenn beide Kammern über einen Gesetzentwurf im Ganzen einig sind und nur in einzelnen Punkten auseinandergehen, das Gesetz nach seiner Entscheidung für die Be- schlüsse der einen oder andern Kammer als giltig zu verkünden. Die Negierung hat einfach jedes Blatt des In- und Auslandes verfolgt, verboten, unterdrückt, welches sich des Interesses der Opposition annahm. Die letztere versuche dann, sich der öffentlichen Versammlungen zu bedienen; da hat man gesehen, daß es kein Gesetz zum Schutz des Vereins, und Versammlungsrechtes giebt; die Re. g'erung hat einfach die Versammlungen der Opposition bis zu den Besprechungen «n der Wirthstafel durch ihre Gewalt thatsächlich unmöglich gemacht, wäh¬ rend sie die Versammlungen der eigenen Partei erlaubte. Hieraus hat sich die Opposition die Mühe genommen durch besondere unter ihren politischen Freunden auf privatem Wege zu verbreitende Druckschriften für sich zu wirken; °a hat man nicht nur die verbreitenden Boten und die Empfänger mit Geld- strafe und Gefängniß bedroht, sondern sogar durch Polizeidiener die noch nicht durch irgendeine zuständige Behörde als verboten constatirte Waare wegnehmen ^sser. Das ist Verletzung des Eigenthums durch die Regierungsbehörde. Gegen °lie dergleichen Willkürlichkeiten giebt es in Nassau bei den Gesetzen und bei den Behörden keinen Schutz; mit der Verfassungsoctrovirung von 18S1 hat jedes Grundrecht zu existiren aufgehört. Man hat nicht mit Unrecht bemerkt, daß in Nassau Zustände herrschten, wie sie auf einer großen Domaine der Herr derselben und sein Verwalter zu gestalten für gut befinden; was sie für den Augenblick anordnen, das gilt. Hiermit haben wir die Besprechung der Mittel erschöpft, welche sowohl °er liberalen Partei als der Regierung in Nassau bis dahin zu Gebote standen ; neuester Zeit scheint sich das Bündniß zwischen der Regierung und der rö- Wischen Partei etwas gelockert zu haben und die Sache für die Liberalen um einiges günstiger zu stehen. Es handelt sich aber zum Schluß unsrer Betrachtung "och um ein Moment, welches zur Verbitterung deS zwischen Regierung und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/407>, abgerufen am 15.01.2025.