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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Volk ausgebrochenen Zwiespalts wesentlich beigetragen hat; erhandelt sich auch
noch um eine kleine nette und klare Frage des Mein und Dein. So einfach und
modern wie, wir bemerkten es oben schon, das nassauische Staatsbudget ein¬
gerichtet erscheint, so in rückwärts liegende Zeit verweisend erscheint die Ein¬
richtung, nach welcher der Herzog die Domänen als sein Eigenthum beansprucht.
Obwohl schon 1808 die Domanialeinkünfte in die allgemeine Staatskasse flössen
und im Jahr 1848 der Herzog selbst die Domänen als Staatseigenthum aner¬
kannte, so wurde doch, nachdem 1863 eine einstweilige Übereinkunft in jenem
Sinne abgelaufen war. die Wiederherstellung des Zustandes von vor 1808
vom Minister einseitig erklärt und ausgeführt. Dann ist 1861 eine Ueber-
einkunft des wesentlichen Inhaltes geschlossen, daß die Domänen zwar un¬
veräußerlich bleiben und unter der Oberaufsicht der Staatsbehörden verwaltet
werden, auch nach einem mit den Ständen auf je zehn Jahre vereinbarten
Normaletat jetzt 10°/° des Reinertrages (bei Erreichung von 700,000 si. 15°/")
an die Landesstcuerkasse abgeben sollen, daß aber dem Herzog die Entscheidung
über Verwendung der Domanialeinnahme ausschließlich zustehe, sofern es den
Normaietat nicht überschreite. Daß dieser Streit wieder erwache, namentlich
auch, weil in die Domänenkasse Einnahmen, wie die von Gesundbrunnen und
Mainzoll, fließen, welche ohne Zweifel der Staatskasse zugehören, besonders
wenn die Verfassung von 1849 zurückgeführt würde, befürchtet der Herzog, und
darum unterdrückt er die Opposition auf diesem Punkte nach allen Kräften.
Erst noch in diesen Tagen mußte der neue Präsident der Landesregierung der
zweiten Kammer erklären, daß die Regierung keinen Grund sehe, von dem
Verfassungsedict vom 26. November 1851 abzugehen.

Unsere Besprechung ist zu Ende. Ueberblicken wir noch einmal in der
Kürze die Hindernisse, welche die liberale Partei in Nassau zu überwinden hat,
so ist es die auf das,deutsche Bundesrecht sich stützende Versassungsoctroyirung
von 1851, die der Selbständigkeit ermangelnde Gemeinde- und Bczirksverwal-
tung, die Stärke des Beamtenthums, die römische'Geistlichkeit und der Mangel
der Grundrechte. Wir denken, trotz dieser Hindernisse wird der stark fvrtge'
schrittene Wohlstand des Landes und die durch denselben geförderte Einsicht im
Bunde mit Kraft und Ausdauer der liberalen Partei in nicht ferner Zeit zum
Siege verhelfen.




Volk ausgebrochenen Zwiespalts wesentlich beigetragen hat; erhandelt sich auch
noch um eine kleine nette und klare Frage des Mein und Dein. So einfach und
modern wie, wir bemerkten es oben schon, das nassauische Staatsbudget ein¬
gerichtet erscheint, so in rückwärts liegende Zeit verweisend erscheint die Ein¬
richtung, nach welcher der Herzog die Domänen als sein Eigenthum beansprucht.
Obwohl schon 1808 die Domanialeinkünfte in die allgemeine Staatskasse flössen
und im Jahr 1848 der Herzog selbst die Domänen als Staatseigenthum aner¬
kannte, so wurde doch, nachdem 1863 eine einstweilige Übereinkunft in jenem
Sinne abgelaufen war. die Wiederherstellung des Zustandes von vor 1808
vom Minister einseitig erklärt und ausgeführt. Dann ist 1861 eine Ueber-
einkunft des wesentlichen Inhaltes geschlossen, daß die Domänen zwar un¬
veräußerlich bleiben und unter der Oberaufsicht der Staatsbehörden verwaltet
werden, auch nach einem mit den Ständen auf je zehn Jahre vereinbarten
Normaletat jetzt 10°/° des Reinertrages (bei Erreichung von 700,000 si. 15°/«)
an die Landesstcuerkasse abgeben sollen, daß aber dem Herzog die Entscheidung
über Verwendung der Domanialeinnahme ausschließlich zustehe, sofern es den
Normaietat nicht überschreite. Daß dieser Streit wieder erwache, namentlich
auch, weil in die Domänenkasse Einnahmen, wie die von Gesundbrunnen und
Mainzoll, fließen, welche ohne Zweifel der Staatskasse zugehören, besonders
wenn die Verfassung von 1849 zurückgeführt würde, befürchtet der Herzog, und
darum unterdrückt er die Opposition auf diesem Punkte nach allen Kräften.
Erst noch in diesen Tagen mußte der neue Präsident der Landesregierung der
zweiten Kammer erklären, daß die Regierung keinen Grund sehe, von dem
Verfassungsedict vom 26. November 1851 abzugehen.

Unsere Besprechung ist zu Ende. Ueberblicken wir noch einmal in der
Kürze die Hindernisse, welche die liberale Partei in Nassau zu überwinden hat,
so ist es die auf das,deutsche Bundesrecht sich stützende Versassungsoctroyirung
von 1851, die der Selbständigkeit ermangelnde Gemeinde- und Bczirksverwal-
tung, die Stärke des Beamtenthums, die römische'Geistlichkeit und der Mangel
der Grundrechte. Wir denken, trotz dieser Hindernisse wird der stark fvrtge'
schrittene Wohlstand des Landes und die durch denselben geförderte Einsicht im
Bunde mit Kraft und Ausdauer der liberalen Partei in nicht ferner Zeit zum
Siege verhelfen.




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[0408] Volk ausgebrochenen Zwiespalts wesentlich beigetragen hat; erhandelt sich auch noch um eine kleine nette und klare Frage des Mein und Dein. So einfach und modern wie, wir bemerkten es oben schon, das nassauische Staatsbudget ein¬ gerichtet erscheint, so in rückwärts liegende Zeit verweisend erscheint die Ein¬ richtung, nach welcher der Herzog die Domänen als sein Eigenthum beansprucht. Obwohl schon 1808 die Domanialeinkünfte in die allgemeine Staatskasse flössen und im Jahr 1848 der Herzog selbst die Domänen als Staatseigenthum aner¬ kannte, so wurde doch, nachdem 1863 eine einstweilige Übereinkunft in jenem Sinne abgelaufen war. die Wiederherstellung des Zustandes von vor 1808 vom Minister einseitig erklärt und ausgeführt. Dann ist 1861 eine Ueber- einkunft des wesentlichen Inhaltes geschlossen, daß die Domänen zwar un¬ veräußerlich bleiben und unter der Oberaufsicht der Staatsbehörden verwaltet werden, auch nach einem mit den Ständen auf je zehn Jahre vereinbarten Normaletat jetzt 10°/° des Reinertrages (bei Erreichung von 700,000 si. 15°/«) an die Landesstcuerkasse abgeben sollen, daß aber dem Herzog die Entscheidung über Verwendung der Domanialeinnahme ausschließlich zustehe, sofern es den Normaietat nicht überschreite. Daß dieser Streit wieder erwache, namentlich auch, weil in die Domänenkasse Einnahmen, wie die von Gesundbrunnen und Mainzoll, fließen, welche ohne Zweifel der Staatskasse zugehören, besonders wenn die Verfassung von 1849 zurückgeführt würde, befürchtet der Herzog, und darum unterdrückt er die Opposition auf diesem Punkte nach allen Kräften. Erst noch in diesen Tagen mußte der neue Präsident der Landesregierung der zweiten Kammer erklären, daß die Regierung keinen Grund sehe, von dem Verfassungsedict vom 26. November 1851 abzugehen. Unsere Besprechung ist zu Ende. Ueberblicken wir noch einmal in der Kürze die Hindernisse, welche die liberale Partei in Nassau zu überwinden hat, so ist es die auf das,deutsche Bundesrecht sich stützende Versassungsoctroyirung von 1851, die der Selbständigkeit ermangelnde Gemeinde- und Bczirksverwal- tung, die Stärke des Beamtenthums, die römische'Geistlichkeit und der Mangel der Grundrechte. Wir denken, trotz dieser Hindernisse wird der stark fvrtge' schrittene Wohlstand des Landes und die durch denselben geförderte Einsicht im Bunde mit Kraft und Ausdauer der liberalen Partei in nicht ferner Zeit zum Siege verhelfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/408>, abgerufen am 15.01.2025.