Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Wahlversammlungen unparteiisch zu sein. Nun ist aber ferner der nächste Die Zahl der so mittelbar von der Negierung Abhängigen wird aber be¬ Wahlversammlungen unparteiisch zu sein. Nun ist aber ferner der nächste Die Zahl der so mittelbar von der Negierung Abhängigen wird aber be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283758"/> <p xml:id="ID_1156" prev="#ID_1155"> Wahlversammlungen unparteiisch zu sein. Nun ist aber ferner der nächste<lb/> Vorgesetzte der Bürgermeister der herzogliche Amtmann. Der herzoglichen<lb/> Aemter giebt es 28. Durch Gesetz vom 4. April 1849 war bei diesen Aemtern<lb/> die in sonstigen deutschen Ländern von der Culturstufe Nassaus überall einge¬<lb/> führte Trennung der Justiz von der Verwaltung eingerichtet; sie ward aber,<lb/> außer für das Amt Wiesbaden, von der Reaction wieder aufgehoben, so ist jetzt<lb/> der Amtmann wieder zugleich Richter unterster Instanz und Vcrwaltungsbeamter.<lb/> Er hat zwar für.Berwaltungs- und Gemeindcsachcn einen gewählten Bezirks¬<lb/> rath von 6 Mitgliedern zur Seite, allein er ist nur in einigen Punkten an die<lb/> Entscheidung des Bezirksrathes gebunden, und überall die letzte Entscheidung<lb/> der Landesregierung vorbehalten; in dringenden Fällen hat er das Recht der<lb/> Entscheidung mit nachträglich einzuholender Zustimmung des Bczirksrathes;<lb/> dabei hat aber die Verweigerung der Zustimmung hernach für die getroffene<lb/> Anordnung keinerlei rückwirkende Kraft. Als eine Bedingung für die Selb¬<lb/> ständigkeit der Verwaltungsbeamten nach obenhin könnte man nun vielleicht<lb/> seine gleichzeitige Eigenschaft als Richter ansehen; allein seine Stellung als<lb/> Berwaltungsbeamter ist höchstens im Stande, seiner Stellung als Richter zu<lb/> schaden; was man Unabhängigkeit der Richter nennt, kennt man in Nassau<lb/> auch nicht. Es ist uns zwar kein Fall bekannt, wo ein Richter ohne allen<lb/> Grund aller Stellen enthoben worden wäre, und beim Oberappellationsgericht<lb/> hat man sich auch gehütet, die Richter allzu auffälligen Beeinflussungen zu<lb/> unterwerfen; allein es ist Thatsache, daß der Herzog bei den Gerichten der<lb/> mittlern Instanz, dem Hofgericht zu Wiesbaden und Dillenburg. die Gerichts¬<lb/> präsidenten zu Finanzkammerdirectoren und die Finanzkammcrdircctoren zu<lb/> Gerichtspräsidenten gemacht hat. Sich solchen Eventualitäten und Consequenzen<lb/> auszusetzen, hüten sich also besonders die Verwaltungsbeamten und Richter erster<lb/> Instanz', und so ist die Vcrwaltungsmaschinerie leicht nach dem Willen der<lb/> Centralbehörde in Bewegung gesetzt. Was das Staatsministerium will, wird<lb/> der vermittelnden oberen Verwaltungsbehörde, der Landesregierung, anheimge¬<lb/> geben, und diese führt es durch die Verwaltungsbeamten und deren Handlanger,<lb/> die Gemeindebürgermeister, bis in die untersten Schichten hin aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1157" next="#ID_1158"> Die Zahl der so mittelbar von der Negierung Abhängigen wird aber be¬<lb/> deutend vermehrt durch die unmittelbar abhängigen Beamteten. Der Staats-<lb/> dienst hat nämlich eine ungewöhnlich große Ausdehnung, selbst die blos aus.<lb/> übenden Aerzte sind von der Regierung angestellt und besoldet, die als Notare<lb/> dienenden, den Aemtern untergebenen Oberschultheisc. Geistliche beider Con-<lb/> fessionen, die in den Zweigen des Schulwesens, der Pharmacie, der Forstwissen¬<lb/> schaft, Berg-und Hüttenkunde und Baukunde Arbeitenden werden in Wahlangele-<lb/> genheiten als Beamte angehalten, nach den Weisungen der Negierung zu stimmen<lb/> und nicht etwa blos der Wahl sich zu enthalten, welches letztere ihnen bereits oft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
Wahlversammlungen unparteiisch zu sein. Nun ist aber ferner der nächste
Vorgesetzte der Bürgermeister der herzogliche Amtmann. Der herzoglichen
Aemter giebt es 28. Durch Gesetz vom 4. April 1849 war bei diesen Aemtern
die in sonstigen deutschen Ländern von der Culturstufe Nassaus überall einge¬
führte Trennung der Justiz von der Verwaltung eingerichtet; sie ward aber,
außer für das Amt Wiesbaden, von der Reaction wieder aufgehoben, so ist jetzt
der Amtmann wieder zugleich Richter unterster Instanz und Vcrwaltungsbeamter.
Er hat zwar für.Berwaltungs- und Gemeindcsachcn einen gewählten Bezirks¬
rath von 6 Mitgliedern zur Seite, allein er ist nur in einigen Punkten an die
Entscheidung des Bezirksrathes gebunden, und überall die letzte Entscheidung
der Landesregierung vorbehalten; in dringenden Fällen hat er das Recht der
Entscheidung mit nachträglich einzuholender Zustimmung des Bczirksrathes;
dabei hat aber die Verweigerung der Zustimmung hernach für die getroffene
Anordnung keinerlei rückwirkende Kraft. Als eine Bedingung für die Selb¬
ständigkeit der Verwaltungsbeamten nach obenhin könnte man nun vielleicht
seine gleichzeitige Eigenschaft als Richter ansehen; allein seine Stellung als
Berwaltungsbeamter ist höchstens im Stande, seiner Stellung als Richter zu
schaden; was man Unabhängigkeit der Richter nennt, kennt man in Nassau
auch nicht. Es ist uns zwar kein Fall bekannt, wo ein Richter ohne allen
Grund aller Stellen enthoben worden wäre, und beim Oberappellationsgericht
hat man sich auch gehütet, die Richter allzu auffälligen Beeinflussungen zu
unterwerfen; allein es ist Thatsache, daß der Herzog bei den Gerichten der
mittlern Instanz, dem Hofgericht zu Wiesbaden und Dillenburg. die Gerichts¬
präsidenten zu Finanzkammerdirectoren und die Finanzkammcrdircctoren zu
Gerichtspräsidenten gemacht hat. Sich solchen Eventualitäten und Consequenzen
auszusetzen, hüten sich also besonders die Verwaltungsbeamten und Richter erster
Instanz', und so ist die Vcrwaltungsmaschinerie leicht nach dem Willen der
Centralbehörde in Bewegung gesetzt. Was das Staatsministerium will, wird
der vermittelnden oberen Verwaltungsbehörde, der Landesregierung, anheimge¬
geben, und diese führt es durch die Verwaltungsbeamten und deren Handlanger,
die Gemeindebürgermeister, bis in die untersten Schichten hin aus.
Die Zahl der so mittelbar von der Negierung Abhängigen wird aber be¬
deutend vermehrt durch die unmittelbar abhängigen Beamteten. Der Staats-
dienst hat nämlich eine ungewöhnlich große Ausdehnung, selbst die blos aus.
übenden Aerzte sind von der Regierung angestellt und besoldet, die als Notare
dienenden, den Aemtern untergebenen Oberschultheisc. Geistliche beider Con-
fessionen, die in den Zweigen des Schulwesens, der Pharmacie, der Forstwissen¬
schaft, Berg-und Hüttenkunde und Baukunde Arbeitenden werden in Wahlangele-
genheiten als Beamte angehalten, nach den Weisungen der Negierung zu stimmen
und nicht etwa blos der Wahl sich zu enthalten, welches letztere ihnen bereits oft
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