Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Recht und Aufgabe sei, für alle Zeit die Hand über den Ländern zu halten. Nur "Es ist der Schein der Macht, und nicht das Wesen, sagen wohl auch die Diese Annahmen sind nichts als gute Wünsche; mit so vagen und zweifelhaf¬ Zuverlässig war die Genugthuung groß, mit welcher man in Wien diesen Ge¬ Recht und Aufgabe sei, für alle Zeit die Hand über den Ländern zu halten. Nur „Es ist der Schein der Macht, und nicht das Wesen, sagen wohl auch die Diese Annahmen sind nichts als gute Wünsche; mit so vagen und zweifelhaf¬ Zuverlässig war die Genugthuung groß, mit welcher man in Wien diesen Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283732"/> <p xml:id="ID_1098" prev="#ID_1097"> Recht und Aufgabe sei, für alle Zeit die Hand über den Ländern zu halten. Nur<lb/> um die Grenzen einer Schutzhoheit, welche Oestreich auf die Dauer durchaus nicht<lb/> für sich beanspruchte, wurde gestritten. Jetzt aber hat Preußen ein Recht, welchem<lb/> es niemals auch nur vorübergehend entsagen durste, in dem Vertrage geopfert, es<lb/> hat die Oberherrlichkeit räumlich mit Oestreich getheilt, Macht und Einfluß des<lb/> Kaiserstaates zu selbständiger Wirkung etablirt. Die Oestreicher find thatsächlich die<lb/> Herren Holsteins geworden, sie haben erreicht, was seit länger als zweihundert<lb/> Jahre» die preußische Politik auf jedem Punkte mit den größten Opfern zu verhin¬<lb/> dern gesucht hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_1099"> „Es ist der Schein der Macht, und nicht das Wesen, sagen wohl auch die<lb/> Freunde in Preußen. „Diese Stellung Oestreichs im Norden ist innerlich doch un¬<lb/> haltbar, sie wird bei einem Kriege augenblicklich den Preußen zufallen, auch ist durch<lb/> andere Punkte des Vertrages dafür gesorgt, daß dieser Besitz den Einfluß Preußens<lb/> so wenig als möglich hemmt, endlich ist Oestreich in so verzweifelter finanzieller<lb/> Bedrüngniß, daß ihm zuletzt in der Stunde der Noth doch eine Abfindung durch<lb/> Geldsummen erwünscht sein muß."</p><lb/> <p xml:id="ID_1100"> Diese Annahmen sind nichts als gute Wünsche; mit so vagen und zweifelhaf¬<lb/> ten Voraussetzungen darf nach unserm Dafürhalten kein Politiker sein Gewissen be¬<lb/> ruhigen. Zunächst ist nicht der Krieg, sondern der Friede der gewöhnliche Zustand<lb/> cultivirter Staaten. Und für diese Friedenszeit wenigstens ist Oestreich in Holstein<lb/> Regent geworden. So lange durch Verträge und diplomatische Verhandlungen die<lb/> Interessen der Staaten bestimmt werden, wird Oestreich seinen Vortheil in Nord¬<lb/> deutschland wahrnehmen. Das Cabinet zu Berlin hat, bevor es sich zur Reise nach<lb/> Gastein entschloß, gefunden, daß ein Krieg mit Oestreich nicht thunlich sei. Welches<lb/> Recht haben wir anzunehmen, daß dieselbe Regierung in irgendeiner Zukunft diesen<lb/> Krieg für eher thunlich halten wird? In jedem Fall wäre die Politik seltsam, einen<lb/> Gegner erst in einem Lande festzusetzen, um ihn dann herauszuschlagen. Also hohl<lb/> und eitel ist die neue Herrschaft Oestreichs über Holstein gar nicht, sie hat ziemlich<lb/> dieselben realen Grundlagen wie die Herrschaft Preußens in Hohenzollern und<lb/> Schleswig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1101" next="#ID_1102"> Zuverlässig war die Genugthuung groß, mit welcher man in Wien diesen Ge¬<lb/> winn des Vertrages ansah. Der östreichische Doppeladler, östreichische Verwaltung<lb/> und ein Hecresihcil war wieder an der Nord- und Ostsee eingeführt; man vermag<lb/> holsteinsche Rekruten auszuheben, und holsteinsche Matrosen erhalten Gelegenheit,<lb/> «uf östreichischen Kriegsschiffen zu dienen; man fühlt sich wieder an der Nordgrenze<lb/> Deutschlands heimisch eingerichtet, und man ist sicher, daß von einem Preußischen<lb/> Principal auch nur über Norddeutschland nicht die Rede sein kann, so lange"die<lb/> Salutschüsse östreichischer Geschütze an Eider und Elbe den Geburtstag des Fürsten<lb/> feiern, dessen Vorfahren auch in Holstein vor Zeiten als Herren des heiligen römischen<lb/> Reiches deutscher Nation durch den Herold ausgerufen wurden. Es ist.wahr, man<lb/> dachte für diesen Fortschritt in Deutschland an Preußen Concessionen. Es war<lb/> nur in der Ordnung, daß Preußen Militärstraßen, eine Telegraphen- und Postvcr«<lb/> bindung für das Hinterland Schleswig erhielt, ohne solche Verbindung wäre die<lb/> Theilung ja überhaupt nicht möglich gewesen. Wenn Preußen durch Holstein Eisen¬<lb/> bahnen bauen wollte, so war das ganz willkommen, man behielt ja doch die specielle<lb/> Landeshoheit darüber und konnte die Schienen auch für die eigenen Zwecke benutzen.<lb/> Man hatte nichts dawider, auch Preußen zu der Besatzung Rendsburgs zuzulassen,<lb/> denn diese Festung ist jetzt gegen einen auswärtigen Feind in Wahrheit nicht viel<lb/> wehr als eine militärische Antiquität; für die Preußen freilich war der Zutritt unent¬<lb/> behrlich, weil sie ihnen den Weg nach Schleswig sperren konnte; Oestreich aber konnte<lb/> die Unbequemlichkeit der gemeinsamen Besatzung leicht ertragen, denn es erhielt den<lb/> einzigen Punkt von hoher militärischer Bedeutung in den Herzogthümern, die Stadt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0379]
Recht und Aufgabe sei, für alle Zeit die Hand über den Ländern zu halten. Nur
um die Grenzen einer Schutzhoheit, welche Oestreich auf die Dauer durchaus nicht
für sich beanspruchte, wurde gestritten. Jetzt aber hat Preußen ein Recht, welchem
es niemals auch nur vorübergehend entsagen durste, in dem Vertrage geopfert, es
hat die Oberherrlichkeit räumlich mit Oestreich getheilt, Macht und Einfluß des
Kaiserstaates zu selbständiger Wirkung etablirt. Die Oestreicher find thatsächlich die
Herren Holsteins geworden, sie haben erreicht, was seit länger als zweihundert
Jahre» die preußische Politik auf jedem Punkte mit den größten Opfern zu verhin¬
dern gesucht hat."
„Es ist der Schein der Macht, und nicht das Wesen, sagen wohl auch die
Freunde in Preußen. „Diese Stellung Oestreichs im Norden ist innerlich doch un¬
haltbar, sie wird bei einem Kriege augenblicklich den Preußen zufallen, auch ist durch
andere Punkte des Vertrages dafür gesorgt, daß dieser Besitz den Einfluß Preußens
so wenig als möglich hemmt, endlich ist Oestreich in so verzweifelter finanzieller
Bedrüngniß, daß ihm zuletzt in der Stunde der Noth doch eine Abfindung durch
Geldsummen erwünscht sein muß."
Diese Annahmen sind nichts als gute Wünsche; mit so vagen und zweifelhaf¬
ten Voraussetzungen darf nach unserm Dafürhalten kein Politiker sein Gewissen be¬
ruhigen. Zunächst ist nicht der Krieg, sondern der Friede der gewöhnliche Zustand
cultivirter Staaten. Und für diese Friedenszeit wenigstens ist Oestreich in Holstein
Regent geworden. So lange durch Verträge und diplomatische Verhandlungen die
Interessen der Staaten bestimmt werden, wird Oestreich seinen Vortheil in Nord¬
deutschland wahrnehmen. Das Cabinet zu Berlin hat, bevor es sich zur Reise nach
Gastein entschloß, gefunden, daß ein Krieg mit Oestreich nicht thunlich sei. Welches
Recht haben wir anzunehmen, daß dieselbe Regierung in irgendeiner Zukunft diesen
Krieg für eher thunlich halten wird? In jedem Fall wäre die Politik seltsam, einen
Gegner erst in einem Lande festzusetzen, um ihn dann herauszuschlagen. Also hohl
und eitel ist die neue Herrschaft Oestreichs über Holstein gar nicht, sie hat ziemlich
dieselben realen Grundlagen wie die Herrschaft Preußens in Hohenzollern und
Schleswig.
Zuverlässig war die Genugthuung groß, mit welcher man in Wien diesen Ge¬
winn des Vertrages ansah. Der östreichische Doppeladler, östreichische Verwaltung
und ein Hecresihcil war wieder an der Nord- und Ostsee eingeführt; man vermag
holsteinsche Rekruten auszuheben, und holsteinsche Matrosen erhalten Gelegenheit,
«uf östreichischen Kriegsschiffen zu dienen; man fühlt sich wieder an der Nordgrenze
Deutschlands heimisch eingerichtet, und man ist sicher, daß von einem Preußischen
Principal auch nur über Norddeutschland nicht die Rede sein kann, so lange"die
Salutschüsse östreichischer Geschütze an Eider und Elbe den Geburtstag des Fürsten
feiern, dessen Vorfahren auch in Holstein vor Zeiten als Herren des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation durch den Herold ausgerufen wurden. Es ist.wahr, man
dachte für diesen Fortschritt in Deutschland an Preußen Concessionen. Es war
nur in der Ordnung, daß Preußen Militärstraßen, eine Telegraphen- und Postvcr«
bindung für das Hinterland Schleswig erhielt, ohne solche Verbindung wäre die
Theilung ja überhaupt nicht möglich gewesen. Wenn Preußen durch Holstein Eisen¬
bahnen bauen wollte, so war das ganz willkommen, man behielt ja doch die specielle
Landeshoheit darüber und konnte die Schienen auch für die eigenen Zwecke benutzen.
Man hatte nichts dawider, auch Preußen zu der Besatzung Rendsburgs zuzulassen,
denn diese Festung ist jetzt gegen einen auswärtigen Feind in Wahrheit nicht viel
wehr als eine militärische Antiquität; für die Preußen freilich war der Zutritt unent¬
behrlich, weil sie ihnen den Weg nach Schleswig sperren konnte; Oestreich aber konnte
die Unbequemlichkeit der gemeinsamen Besatzung leicht ertragen, denn es erhielt den
einzigen Punkt von hoher militärischer Bedeutung in den Herzogthümern, die Stadt
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