Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.machen. Die Abtretung an Preußen und der Verkauf um Geld, beides machte Der Erwerb Lauenburgs hat aber für Preußen immerhin eine Bedeutung, Das Erfreuliche des Erwerbs soll uus durch diese und andere Rechnungen nicht Oestreich war beim Beginn der Schleswig-holsteinischen Campagne an dem po¬ machen. Die Abtretung an Preußen und der Verkauf um Geld, beides machte Der Erwerb Lauenburgs hat aber für Preußen immerhin eine Bedeutung, Das Erfreuliche des Erwerbs soll uus durch diese und andere Rechnungen nicht Oestreich war beim Beginn der Schleswig-holsteinischen Campagne an dem po¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283731"/> <p xml:id="ID_1094" prev="#ID_1093"> machen. Die Abtretung an Preußen und der Verkauf um Geld, beides machte<lb/> ärgerlich. In der That ohne Grund. Etwas mußte man immerhin dem begehr¬<lb/> lichen Preußen bewilligen, es war jedermann klar, daß Lauenburg ihm in Wirklich¬<lb/> keit nicht zu nehmen war, und man ist in Wien bei diplomatischem Handel selten<lb/> in Nebcnpnnktcn kleinlich gewesen. Fünfzigtausend Menschen waren keine Machtcr-<lb/> wciterung des Nachbars. Auch der Kaufpreis, der an Oestreich gezahlt wurde, sollte<lb/> von der Presse ohne Unwillen betrachtet werden. Die Lauenburg«r sind ja nach<lb/> ihrem freien Wunsch und Willen preußisch und nicht erhandelt worden. Die Summe<lb/> von circa 1,800,000 prcuß. Thalern ist nur die capitalisirte Hälfte der Dvmänenrente,<lb/> welche das Herzogthum abwirft, eine Entschädigung für die Revenüen, welche für<lb/> Oestreich aus dem Herzogthum fließen konnten, nicht eine Entschädigung für Auf¬<lb/> gabe der Hoheitsrechte. Wenigstens hätte die östreichische Negierung dies Geschäft fo<lb/> darstellen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095"> Der Erwerb Lauenburgs hat aber für Preußen immerhin eine Bedeutung,<lb/> welche etwas größer ist als das Territorium, weil dasselbe nicht nur an Holstein<lb/> grenzt, sondern auch fast bis an die Thore Hamburgs und Lübecks reicht, und weil<lb/> dasselbe den Knotenpunkt zweier wichtiger Schienenwege enthält. Preußen erhält in<lb/> dem kleinen Terrain eine Stellung zwischen Hamburg und Lübeck, welche wenigstens<lb/> in merkantiler Rücksicht wichtig ist. Da das Herzogtum auch seiner Quote an den-<lb/> Kriegskosten enthoben ist. so hat Preußen durch den Vertrag in so fern ein gutes<lb/> Geschäft gemacht, als die Kaufsumme in der That nicht von Preußen, sondern von<lb/> den Herzogtümern bezahlt wird. Denn wenn man die Kriegskosten der Herzogthümer<lb/> auch nur mit 30 Millionen berechnet, so würde auf Larunbnrg immerhin der Be¬<lb/> trag von 1,300,000 Thalern gefallen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1096"> Das Erfreuliche des Erwerbs soll uus durch diese und andere Rechnungen nicht<lb/> verkümmert werden. Nicht so freudig kann man die Hauptpunkte des Vertrages<lb/> begrüßen. Als die erste Nachricht vom Abschluß der gasteincr Uebereinkunst in die<lb/> Oeffentlichkeit trat, wurde angedeutet, daß diese vorläufigen Stipulationen nur Ein¬<lb/> leitung sein sollten zu weiteren Verhandlungen, welche eine definitive Erledigung der<lb/> großen Streitfrage bewirken würden. Die Situation war nicht von der Art, daß<lb/> man solcher Hoffnung guten Ausgang prophezeien konnte, es ist jetzt kein Geheim¬<lb/> niß mehr, daß die beiden Mächte von einer endgiltigen Vereinigung mindestens<lb/> ebenso weit entfernt find, als vor dem Vertrage; die Anerbietungen Preußens sind<lb/> abgewiesen, die Auffassung Oestreichs perhorrescirt worden. Der neue Vertrag ist<lb/> ein Nothbehelf, dem sich beide Theile fügten, weil sie die Entscheidung durch Waffen<lb/> vermeiden wollten. Um das Unerträgliche des bisherigen Zustandes abzuschaffen,<lb/> hat man etwas ganz Neues erfunden, welches die bestehenden Uebelstände zum Theil<lb/> aufhebt, dafür neue einführt. Jeder der beiden hohen Contrahenten weiß sehr gut,<lb/> daß der neugeschaffene Zustand auf die Länge schwer zu erhalten sein wird, jeder<lb/> hofft für seine Interesse» von einer unsichern Zukunft das Beste. Prüfen wir die<lb/> Hauptpunkte des Vertrages.</p><lb/> <p xml:id="ID_1097" next="#ID_1098"> Oestreich war beim Beginn der Schleswig-holsteinischen Campagne an dem po¬<lb/> litischen Geschäft ungefähr mit einem Drittel des Einsatzes betheiligt. Auch dieser<lb/> Antheil an einem Unternehmen, welches ganz in dem Machtkreise Preußens lag, er¬<lb/> schien in Wien als ein großer Vortheil. Als vollends die Entscheidung durch Siege<lb/> der preußische» Waffen herbeigeführt war, fühlte sich Oestreich ganz zufrieden, etwa<lb/> in demselben bescheidenen Verhältniß an dem Condvniinium teilzunehmen. Die<lb/> Masse des aufgewandten Blutes und die ausgegebenen Kosten wirkten fort. Die<lb/> Preußen behielten den militärischen Oberbefehl; auch in der Civilverwaltung war<lb/> thatsächlich Preußen der disponirende Staat, allerdings durch das Einreden Oestreichs<lb/> zuweilen gehindert. Man räumte in Wien ohne Bedenken ein, daß die Herzog¬<lb/> tümer ganz in dem Gebiete preußischer Machtwirkung lägen und daß es Preußens</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
machen. Die Abtretung an Preußen und der Verkauf um Geld, beides machte
ärgerlich. In der That ohne Grund. Etwas mußte man immerhin dem begehr¬
lichen Preußen bewilligen, es war jedermann klar, daß Lauenburg ihm in Wirklich¬
keit nicht zu nehmen war, und man ist in Wien bei diplomatischem Handel selten
in Nebcnpnnktcn kleinlich gewesen. Fünfzigtausend Menschen waren keine Machtcr-
wciterung des Nachbars. Auch der Kaufpreis, der an Oestreich gezahlt wurde, sollte
von der Presse ohne Unwillen betrachtet werden. Die Lauenburg«r sind ja nach
ihrem freien Wunsch und Willen preußisch und nicht erhandelt worden. Die Summe
von circa 1,800,000 prcuß. Thalern ist nur die capitalisirte Hälfte der Dvmänenrente,
welche das Herzogthum abwirft, eine Entschädigung für die Revenüen, welche für
Oestreich aus dem Herzogthum fließen konnten, nicht eine Entschädigung für Auf¬
gabe der Hoheitsrechte. Wenigstens hätte die östreichische Negierung dies Geschäft fo
darstellen können.
Der Erwerb Lauenburgs hat aber für Preußen immerhin eine Bedeutung,
welche etwas größer ist als das Territorium, weil dasselbe nicht nur an Holstein
grenzt, sondern auch fast bis an die Thore Hamburgs und Lübecks reicht, und weil
dasselbe den Knotenpunkt zweier wichtiger Schienenwege enthält. Preußen erhält in
dem kleinen Terrain eine Stellung zwischen Hamburg und Lübeck, welche wenigstens
in merkantiler Rücksicht wichtig ist. Da das Herzogtum auch seiner Quote an den-
Kriegskosten enthoben ist. so hat Preußen durch den Vertrag in so fern ein gutes
Geschäft gemacht, als die Kaufsumme in der That nicht von Preußen, sondern von
den Herzogtümern bezahlt wird. Denn wenn man die Kriegskosten der Herzogthümer
auch nur mit 30 Millionen berechnet, so würde auf Larunbnrg immerhin der Be¬
trag von 1,300,000 Thalern gefallen sein.
Das Erfreuliche des Erwerbs soll uus durch diese und andere Rechnungen nicht
verkümmert werden. Nicht so freudig kann man die Hauptpunkte des Vertrages
begrüßen. Als die erste Nachricht vom Abschluß der gasteincr Uebereinkunst in die
Oeffentlichkeit trat, wurde angedeutet, daß diese vorläufigen Stipulationen nur Ein¬
leitung sein sollten zu weiteren Verhandlungen, welche eine definitive Erledigung der
großen Streitfrage bewirken würden. Die Situation war nicht von der Art, daß
man solcher Hoffnung guten Ausgang prophezeien konnte, es ist jetzt kein Geheim¬
niß mehr, daß die beiden Mächte von einer endgiltigen Vereinigung mindestens
ebenso weit entfernt find, als vor dem Vertrage; die Anerbietungen Preußens sind
abgewiesen, die Auffassung Oestreichs perhorrescirt worden. Der neue Vertrag ist
ein Nothbehelf, dem sich beide Theile fügten, weil sie die Entscheidung durch Waffen
vermeiden wollten. Um das Unerträgliche des bisherigen Zustandes abzuschaffen,
hat man etwas ganz Neues erfunden, welches die bestehenden Uebelstände zum Theil
aufhebt, dafür neue einführt. Jeder der beiden hohen Contrahenten weiß sehr gut,
daß der neugeschaffene Zustand auf die Länge schwer zu erhalten sein wird, jeder
hofft für seine Interesse» von einer unsichern Zukunft das Beste. Prüfen wir die
Hauptpunkte des Vertrages.
Oestreich war beim Beginn der Schleswig-holsteinischen Campagne an dem po¬
litischen Geschäft ungefähr mit einem Drittel des Einsatzes betheiligt. Auch dieser
Antheil an einem Unternehmen, welches ganz in dem Machtkreise Preußens lag, er¬
schien in Wien als ein großer Vortheil. Als vollends die Entscheidung durch Siege
der preußische» Waffen herbeigeführt war, fühlte sich Oestreich ganz zufrieden, etwa
in demselben bescheidenen Verhältniß an dem Condvniinium teilzunehmen. Die
Masse des aufgewandten Blutes und die ausgegebenen Kosten wirkten fort. Die
Preußen behielten den militärischen Oberbefehl; auch in der Civilverwaltung war
thatsächlich Preußen der disponirende Staat, allerdings durch das Einreden Oestreichs
zuweilen gehindert. Man räumte in Wien ohne Bedenken ein, daß die Herzog¬
tümer ganz in dem Gebiete preußischer Machtwirkung lägen und daß es Preußens
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