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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Was unter diesen Differenzen zu verstehen sei und daß dieselben nicht etwa in
Differenzen außerhalb der Stiftung (also zwischen dem sächsischen Kultusmini¬
sterium und dem Verwaltungsrath) zu suchen seien, erhellt noch deutlicher aus
den im nämlichen Erlaß gebrauchten Ausdrucke: das Jnterimisticum solle dienen
"zu friedlicher und freundlicher Verständigung der einzelnen Zweigstiftungsvor-
ständc". Empfohlen endlich wird zur Erreichung dieses Ziels: nachträgliche
Mittheilung des Revisionsentwurfs an die einzelnen Zweigstiftungen (keines¬
wegs Berathung darüber mit dem sächsischen Ministerium) und demnächst Zu¬
sammenberufung einer außerordentlichen Generalversammlung.

Dieser Erlaß datirt vom 31. December 1864. Was jetzt zur raschen Be¬
seitigung der Geldebbe sich thun ließ, war, sollte man denken, nicht gar weit
zu suchen. Nachdem man das Jnhibitorium einmal als im Rechte begründet
anerkannt hatte, auch durch die ablehnenden Erklärungen mehrer in den neuen
Verwaltungsrath gewählten Zweigstiftungen das Completwerden dieses neuen
Verwaltungsraths bereits unmöglich erschien, die "Spaltungen" überdies im
besten Gange und von Weimar selbst als leider vorhanden constatirt waren,
nach allem diesen empfahl sich ohne Zweifel als kürzester Weg zur Verstän¬
digung -- das endliche ernstliche Zurücktreten Weimars. War es bei diesem
versöhnenden Schritte etwa im Verwaltungsrath überstimmt, so konnte es sich
aus dem Verwaltungsrath ganz zurückziehen und dessen Ergänzung denen über¬
lassen, welche den Krieg fortzusetzen verlangten. Jedenfalls lag es in Weimars
Hand, durch Veranlassung einer neuen schriftlichen Vorortswahl und durch
schriftliche Herbeiführung eines Beschlusses über vorläufige Wiederherstellung
des alten Statuts jeden Vorwand zur Zurückhaltung der Gelder sofort zu be¬
seitigen. Niemand brauchte darum von seiner Rechtsanschauung abzulassen.
Man wich einfach einer tores wirjizui-ö.

Was ist statt dessen geschehen? -- Handelte es sich nicht um das Wohl
und Wehe einer Menge auf die Gelder der Stiftung angewiesenen Personen,
so könnten die Herzensbedenken, mit denen Weimar, statt diesen Versöhnungs¬
weg kurzweg zu betreten, während der nun folgenden fünf Monate augen¬
scheinlich zu ringen hatte, in der That ergreifend genannt werden. Es war
als sei ihm die Stiftung wie eine liebe Tochter während des kurzen Lustrums
ans Herz gewachsen; als habe es. unter dem Eindruck einer flüchtigen Wallung
auf sie verzichten wollen, aber als sei im entscheidenden Augenblicke die Un-
zerreißbarkcit des Bandes dennoch über die gefaßten Entschließungen Herr ge¬
worden. Es war als habe es das verpfändete Wort über der Freude der
Wiedervereinigung seitdem vollends vergessen gehabt und nun schon wieder der
neuen Hoffnung nachgehangen, die nächste Revision werde Weimar und die
Schillerstiftung für ewig untrennbar erklären. -- Wie sehr in der That solche
Gefühle schon vor der Octobergeneralversammlung zum Ausdruck drängten, er-


Was unter diesen Differenzen zu verstehen sei und daß dieselben nicht etwa in
Differenzen außerhalb der Stiftung (also zwischen dem sächsischen Kultusmini¬
sterium und dem Verwaltungsrath) zu suchen seien, erhellt noch deutlicher aus
den im nämlichen Erlaß gebrauchten Ausdrucke: das Jnterimisticum solle dienen
„zu friedlicher und freundlicher Verständigung der einzelnen Zweigstiftungsvor-
ständc". Empfohlen endlich wird zur Erreichung dieses Ziels: nachträgliche
Mittheilung des Revisionsentwurfs an die einzelnen Zweigstiftungen (keines¬
wegs Berathung darüber mit dem sächsischen Ministerium) und demnächst Zu¬
sammenberufung einer außerordentlichen Generalversammlung.

Dieser Erlaß datirt vom 31. December 1864. Was jetzt zur raschen Be¬
seitigung der Geldebbe sich thun ließ, war, sollte man denken, nicht gar weit
zu suchen. Nachdem man das Jnhibitorium einmal als im Rechte begründet
anerkannt hatte, auch durch die ablehnenden Erklärungen mehrer in den neuen
Verwaltungsrath gewählten Zweigstiftungen das Completwerden dieses neuen
Verwaltungsraths bereits unmöglich erschien, die „Spaltungen" überdies im
besten Gange und von Weimar selbst als leider vorhanden constatirt waren,
nach allem diesen empfahl sich ohne Zweifel als kürzester Weg zur Verstän¬
digung — das endliche ernstliche Zurücktreten Weimars. War es bei diesem
versöhnenden Schritte etwa im Verwaltungsrath überstimmt, so konnte es sich
aus dem Verwaltungsrath ganz zurückziehen und dessen Ergänzung denen über¬
lassen, welche den Krieg fortzusetzen verlangten. Jedenfalls lag es in Weimars
Hand, durch Veranlassung einer neuen schriftlichen Vorortswahl und durch
schriftliche Herbeiführung eines Beschlusses über vorläufige Wiederherstellung
des alten Statuts jeden Vorwand zur Zurückhaltung der Gelder sofort zu be¬
seitigen. Niemand brauchte darum von seiner Rechtsanschauung abzulassen.
Man wich einfach einer tores wirjizui-ö.

Was ist statt dessen geschehen? — Handelte es sich nicht um das Wohl
und Wehe einer Menge auf die Gelder der Stiftung angewiesenen Personen,
so könnten die Herzensbedenken, mit denen Weimar, statt diesen Versöhnungs¬
weg kurzweg zu betreten, während der nun folgenden fünf Monate augen¬
scheinlich zu ringen hatte, in der That ergreifend genannt werden. Es war
als sei ihm die Stiftung wie eine liebe Tochter während des kurzen Lustrums
ans Herz gewachsen; als habe es. unter dem Eindruck einer flüchtigen Wallung
auf sie verzichten wollen, aber als sei im entscheidenden Augenblicke die Un-
zerreißbarkcit des Bandes dennoch über die gefaßten Entschließungen Herr ge¬
worden. Es war als habe es das verpfändete Wort über der Freude der
Wiedervereinigung seitdem vollends vergessen gehabt und nun schon wieder der
neuen Hoffnung nachgehangen, die nächste Revision werde Weimar und die
Schillerstiftung für ewig untrennbar erklären. — Wie sehr in der That solche
Gefühle schon vor der Octobergeneralversammlung zum Ausdruck drängten, er-


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[0370] Was unter diesen Differenzen zu verstehen sei und daß dieselben nicht etwa in Differenzen außerhalb der Stiftung (also zwischen dem sächsischen Kultusmini¬ sterium und dem Verwaltungsrath) zu suchen seien, erhellt noch deutlicher aus den im nämlichen Erlaß gebrauchten Ausdrucke: das Jnterimisticum solle dienen „zu friedlicher und freundlicher Verständigung der einzelnen Zweigstiftungsvor- ständc". Empfohlen endlich wird zur Erreichung dieses Ziels: nachträgliche Mittheilung des Revisionsentwurfs an die einzelnen Zweigstiftungen (keines¬ wegs Berathung darüber mit dem sächsischen Ministerium) und demnächst Zu¬ sammenberufung einer außerordentlichen Generalversammlung. Dieser Erlaß datirt vom 31. December 1864. Was jetzt zur raschen Be¬ seitigung der Geldebbe sich thun ließ, war, sollte man denken, nicht gar weit zu suchen. Nachdem man das Jnhibitorium einmal als im Rechte begründet anerkannt hatte, auch durch die ablehnenden Erklärungen mehrer in den neuen Verwaltungsrath gewählten Zweigstiftungen das Completwerden dieses neuen Verwaltungsraths bereits unmöglich erschien, die „Spaltungen" überdies im besten Gange und von Weimar selbst als leider vorhanden constatirt waren, nach allem diesen empfahl sich ohne Zweifel als kürzester Weg zur Verstän¬ digung — das endliche ernstliche Zurücktreten Weimars. War es bei diesem versöhnenden Schritte etwa im Verwaltungsrath überstimmt, so konnte es sich aus dem Verwaltungsrath ganz zurückziehen und dessen Ergänzung denen über¬ lassen, welche den Krieg fortzusetzen verlangten. Jedenfalls lag es in Weimars Hand, durch Veranlassung einer neuen schriftlichen Vorortswahl und durch schriftliche Herbeiführung eines Beschlusses über vorläufige Wiederherstellung des alten Statuts jeden Vorwand zur Zurückhaltung der Gelder sofort zu be¬ seitigen. Niemand brauchte darum von seiner Rechtsanschauung abzulassen. Man wich einfach einer tores wirjizui-ö. Was ist statt dessen geschehen? — Handelte es sich nicht um das Wohl und Wehe einer Menge auf die Gelder der Stiftung angewiesenen Personen, so könnten die Herzensbedenken, mit denen Weimar, statt diesen Versöhnungs¬ weg kurzweg zu betreten, während der nun folgenden fünf Monate augen¬ scheinlich zu ringen hatte, in der That ergreifend genannt werden. Es war als sei ihm die Stiftung wie eine liebe Tochter während des kurzen Lustrums ans Herz gewachsen; als habe es. unter dem Eindruck einer flüchtigen Wallung auf sie verzichten wollen, aber als sei im entscheidenden Augenblicke die Un- zerreißbarkcit des Bandes dennoch über die gefaßten Entschließungen Herr ge¬ worden. Es war als habe es das verpfändete Wort über der Freude der Wiedervereinigung seitdem vollends vergessen gehabt und nun schon wieder der neuen Hoffnung nachgehangen, die nächste Revision werde Weimar und die Schillerstiftung für ewig untrennbar erklären. — Wie sehr in der That solche Gefühle schon vor der Octobergeneralversammlung zum Ausdruck drängten, er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/370>, abgerufen am 15.01.2025.