Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vorgestellt werden mag; es sind die Herren v. Münch-Bellinghausen, Mosen-
thal. Kompert. Wcißel und Moritz Gerold. Uneingcdenk der langen Geburts-
wehen dieser Zwcigstiftung, die sich, doch wohl aus k. k. Regierungsängstlichkeit,
bis ins Jahr 1889 in ihrer Constituirung behindert gesehen hatte und auch
dann nur die Erlaubniß zum Dasein erhielt, weil C. V. Holtet inzwischen in
Graz die Gründung einer Zweigstiftung beim Statthalter von Steiermark
durchgesetzt h'atte; uneingedenk dieser trüben heimischen Erfahrungen und der
Verhältnißmäßig großen Jugendlichkeit des ganzen kümmerlichen Vereinslebens
Neuöstreichs schwang Wien sich beherzt in den Sattel einer staatsrechtlichen
Zurechtweisung des sächsischen Cultusministers. Nicht viel glimpflicher, wenn
auch weniger geistreich, verfuhren Berlin, Hamburg, Frankfurt und die ihren
Zweigstiftungen affiliirten Zeitungen, wogegen die Oppositionsstiftungen ihrer¬
seits und ebenso ein überwiegender Theil der Tagespresse die ganze Statuten¬
revision schlechtweg im Sinne einer Ueberrumpelung behandelten, während der
Verwaltungsrath selbst auf der einen Seite die glänzenden Erfolge der General-
Versammlung zu retten und gegen die Opposition in der Stiftung mit kühner
Ueberlegenheitsmicne als unwiderruflich hinzustellen suchte, auf der andern
Seite mit Herrn v. Falkenstein gemüthlich sich zu verständigen bemüht war.

Um ihrem Einspruch größeren Nachdruck zu verleihen, zugleich aber auch,
um ihren Pflichten als Aufsichtsbehörde über die sächsischen milden Stiftungen
vollständiger zu genügen, hatte nämlich die sächsische Regierung sich nicht auf
"nen bloßen Einspruch beschränkt; vielmehr hatte sie der dresdner Zweigstiftung
die Ausfolgung der nächstfälligen Zinsrate förmlich untersagt. Die Berechtigung
nu diesem Jnhibitorium erkennt der Verwaltungsrath nun -- wie um die Un¬
Höflichkeit mancher übrigen Aeußerungen durch officielle Courtoisie gutzumachen
in seinem Decembercirculair ausdrücklich an und bedauert nur den Vorbe¬
halt. aus welchem sich diese Berechtigung unzweifelhaft ableiten lasse, nie er¬
fahren zu haben. Diese letztere Angabe hat Leipzig seitdem durch Rundschreiben
vom 31. Januar 1865 auf eine muthmaßliche Vergeßlichkeit zurückgeführt, in¬
dem in der That ein Rundschreiben des VerwaUungaraths selbst (vom 9. Mai
1862) gerade dieses Vorbehalts mit den Worten erwähnt: die betreffenden
Noten des k. s. Ministeriums hätten in der Verwaltungsrathsconferenz "die
eingehendste Prüfung gefunden". Da Unkenntniß aber ja überhaupt keine
Zulässige Ausrede ist, so fällt weder deren Vorschützung noch deren Widerlegung
vier ins Gewicht. Auch blieben die dem sächsischen Cultusministerium seitens
des Verwaltungsraths vorgetragenen Bedenken ohne andere Folge als daß
Herr v. Falkenstein einerseits die Ausfolgung der letzten Zinsrate (bis nie. De¬
cember 1864) guthieß, andrerseits sich bereit erklärte, den alten Verwaltungs-
"zur Erledigung der gegenwärtigen Differenzen, jedoch nur
ZU diesem Zweck", noch auf weitere sechs Monate für legitimirt anzusehen.


49"

vorgestellt werden mag; es sind die Herren v. Münch-Bellinghausen, Mosen-
thal. Kompert. Wcißel und Moritz Gerold. Uneingcdenk der langen Geburts-
wehen dieser Zwcigstiftung, die sich, doch wohl aus k. k. Regierungsängstlichkeit,
bis ins Jahr 1889 in ihrer Constituirung behindert gesehen hatte und auch
dann nur die Erlaubniß zum Dasein erhielt, weil C. V. Holtet inzwischen in
Graz die Gründung einer Zweigstiftung beim Statthalter von Steiermark
durchgesetzt h'atte; uneingedenk dieser trüben heimischen Erfahrungen und der
Verhältnißmäßig großen Jugendlichkeit des ganzen kümmerlichen Vereinslebens
Neuöstreichs schwang Wien sich beherzt in den Sattel einer staatsrechtlichen
Zurechtweisung des sächsischen Cultusministers. Nicht viel glimpflicher, wenn
auch weniger geistreich, verfuhren Berlin, Hamburg, Frankfurt und die ihren
Zweigstiftungen affiliirten Zeitungen, wogegen die Oppositionsstiftungen ihrer¬
seits und ebenso ein überwiegender Theil der Tagespresse die ganze Statuten¬
revision schlechtweg im Sinne einer Ueberrumpelung behandelten, während der
Verwaltungsrath selbst auf der einen Seite die glänzenden Erfolge der General-
Versammlung zu retten und gegen die Opposition in der Stiftung mit kühner
Ueberlegenheitsmicne als unwiderruflich hinzustellen suchte, auf der andern
Seite mit Herrn v. Falkenstein gemüthlich sich zu verständigen bemüht war.

Um ihrem Einspruch größeren Nachdruck zu verleihen, zugleich aber auch,
um ihren Pflichten als Aufsichtsbehörde über die sächsischen milden Stiftungen
vollständiger zu genügen, hatte nämlich die sächsische Regierung sich nicht auf
"nen bloßen Einspruch beschränkt; vielmehr hatte sie der dresdner Zweigstiftung
die Ausfolgung der nächstfälligen Zinsrate förmlich untersagt. Die Berechtigung
nu diesem Jnhibitorium erkennt der Verwaltungsrath nun — wie um die Un¬
Höflichkeit mancher übrigen Aeußerungen durch officielle Courtoisie gutzumachen
in seinem Decembercirculair ausdrücklich an und bedauert nur den Vorbe¬
halt. aus welchem sich diese Berechtigung unzweifelhaft ableiten lasse, nie er¬
fahren zu haben. Diese letztere Angabe hat Leipzig seitdem durch Rundschreiben
vom 31. Januar 1865 auf eine muthmaßliche Vergeßlichkeit zurückgeführt, in¬
dem in der That ein Rundschreiben des VerwaUungaraths selbst (vom 9. Mai
1862) gerade dieses Vorbehalts mit den Worten erwähnt: die betreffenden
Noten des k. s. Ministeriums hätten in der Verwaltungsrathsconferenz „die
eingehendste Prüfung gefunden". Da Unkenntniß aber ja überhaupt keine
Zulässige Ausrede ist, so fällt weder deren Vorschützung noch deren Widerlegung
vier ins Gewicht. Auch blieben die dem sächsischen Cultusministerium seitens
des Verwaltungsraths vorgetragenen Bedenken ohne andere Folge als daß
Herr v. Falkenstein einerseits die Ausfolgung der letzten Zinsrate (bis nie. De¬
cember 1864) guthieß, andrerseits sich bereit erklärte, den alten Verwaltungs-
„zur Erledigung der gegenwärtigen Differenzen, jedoch nur
ZU diesem Zweck", noch auf weitere sechs Monate für legitimirt anzusehen.


49"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283722"/>
          <p xml:id="ID_1063" prev="#ID_1062"> vorgestellt werden mag; es sind die Herren v. Münch-Bellinghausen, Mosen-<lb/>
thal. Kompert. Wcißel und Moritz Gerold. Uneingcdenk der langen Geburts-<lb/>
wehen dieser Zwcigstiftung, die sich, doch wohl aus k. k. Regierungsängstlichkeit,<lb/>
bis ins Jahr 1889 in ihrer Constituirung behindert gesehen hatte und auch<lb/>
dann nur die Erlaubniß zum Dasein erhielt, weil C. V. Holtet inzwischen in<lb/>
Graz die Gründung einer Zweigstiftung beim Statthalter von Steiermark<lb/>
durchgesetzt h'atte; uneingedenk dieser trüben heimischen Erfahrungen und der<lb/>
Verhältnißmäßig großen Jugendlichkeit des ganzen kümmerlichen Vereinslebens<lb/>
Neuöstreichs schwang Wien sich beherzt in den Sattel einer staatsrechtlichen<lb/>
Zurechtweisung des sächsischen Cultusministers. Nicht viel glimpflicher, wenn<lb/>
auch weniger geistreich, verfuhren Berlin, Hamburg, Frankfurt und die ihren<lb/>
Zweigstiftungen affiliirten Zeitungen, wogegen die Oppositionsstiftungen ihrer¬<lb/>
seits und ebenso ein überwiegender Theil der Tagespresse die ganze Statuten¬<lb/>
revision schlechtweg im Sinne einer Ueberrumpelung behandelten, während der<lb/>
Verwaltungsrath selbst auf der einen Seite die glänzenden Erfolge der General-<lb/>
Versammlung zu retten und gegen die Opposition in der Stiftung mit kühner<lb/>
Ueberlegenheitsmicne als unwiderruflich hinzustellen suchte, auf der andern<lb/>
Seite mit Herrn v. Falkenstein gemüthlich sich zu verständigen bemüht war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1064" next="#ID_1065"> Um ihrem Einspruch größeren Nachdruck zu verleihen, zugleich aber auch,<lb/>
um ihren Pflichten als Aufsichtsbehörde über die sächsischen milden Stiftungen<lb/>
vollständiger zu genügen, hatte nämlich die sächsische Regierung sich nicht auf<lb/>
"nen bloßen Einspruch beschränkt; vielmehr hatte sie der dresdner Zweigstiftung<lb/>
die Ausfolgung der nächstfälligen Zinsrate förmlich untersagt. Die Berechtigung<lb/>
nu diesem Jnhibitorium erkennt der Verwaltungsrath nun &#x2014; wie um die Un¬<lb/>
Höflichkeit mancher übrigen Aeußerungen durch officielle Courtoisie gutzumachen<lb/>
in seinem Decembercirculair ausdrücklich an und bedauert nur den Vorbe¬<lb/>
halt. aus welchem sich diese Berechtigung unzweifelhaft ableiten lasse, nie er¬<lb/>
fahren zu haben. Diese letztere Angabe hat Leipzig seitdem durch Rundschreiben<lb/>
vom 31. Januar 1865 auf eine muthmaßliche Vergeßlichkeit zurückgeführt, in¬<lb/>
dem in der That ein Rundschreiben des VerwaUungaraths selbst (vom 9. Mai<lb/>
1862) gerade dieses Vorbehalts mit den Worten erwähnt: die betreffenden<lb/>
Noten des k. s. Ministeriums hätten in der Verwaltungsrathsconferenz &#x201E;die<lb/>
eingehendste Prüfung gefunden". Da Unkenntniß aber ja überhaupt keine<lb/>
Zulässige Ausrede ist, so fällt weder deren Vorschützung noch deren Widerlegung<lb/>
vier ins Gewicht. Auch blieben die dem sächsischen Cultusministerium seitens<lb/>
des Verwaltungsraths vorgetragenen Bedenken ohne andere Folge als daß<lb/>
Herr v. Falkenstein einerseits die Ausfolgung der letzten Zinsrate (bis nie. De¬<lb/>
cember 1864) guthieß, andrerseits sich bereit erklärte, den alten Verwaltungs-<lb/>
&#x201E;zur Erledigung der gegenwärtigen Differenzen, jedoch nur<lb/>
ZU diesem Zweck", noch auf weitere sechs Monate für legitimirt anzusehen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 49"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] vorgestellt werden mag; es sind die Herren v. Münch-Bellinghausen, Mosen- thal. Kompert. Wcißel und Moritz Gerold. Uneingcdenk der langen Geburts- wehen dieser Zwcigstiftung, die sich, doch wohl aus k. k. Regierungsängstlichkeit, bis ins Jahr 1889 in ihrer Constituirung behindert gesehen hatte und auch dann nur die Erlaubniß zum Dasein erhielt, weil C. V. Holtet inzwischen in Graz die Gründung einer Zweigstiftung beim Statthalter von Steiermark durchgesetzt h'atte; uneingedenk dieser trüben heimischen Erfahrungen und der Verhältnißmäßig großen Jugendlichkeit des ganzen kümmerlichen Vereinslebens Neuöstreichs schwang Wien sich beherzt in den Sattel einer staatsrechtlichen Zurechtweisung des sächsischen Cultusministers. Nicht viel glimpflicher, wenn auch weniger geistreich, verfuhren Berlin, Hamburg, Frankfurt und die ihren Zweigstiftungen affiliirten Zeitungen, wogegen die Oppositionsstiftungen ihrer¬ seits und ebenso ein überwiegender Theil der Tagespresse die ganze Statuten¬ revision schlechtweg im Sinne einer Ueberrumpelung behandelten, während der Verwaltungsrath selbst auf der einen Seite die glänzenden Erfolge der General- Versammlung zu retten und gegen die Opposition in der Stiftung mit kühner Ueberlegenheitsmicne als unwiderruflich hinzustellen suchte, auf der andern Seite mit Herrn v. Falkenstein gemüthlich sich zu verständigen bemüht war. Um ihrem Einspruch größeren Nachdruck zu verleihen, zugleich aber auch, um ihren Pflichten als Aufsichtsbehörde über die sächsischen milden Stiftungen vollständiger zu genügen, hatte nämlich die sächsische Regierung sich nicht auf "nen bloßen Einspruch beschränkt; vielmehr hatte sie der dresdner Zweigstiftung die Ausfolgung der nächstfälligen Zinsrate förmlich untersagt. Die Berechtigung nu diesem Jnhibitorium erkennt der Verwaltungsrath nun — wie um die Un¬ Höflichkeit mancher übrigen Aeußerungen durch officielle Courtoisie gutzumachen in seinem Decembercirculair ausdrücklich an und bedauert nur den Vorbe¬ halt. aus welchem sich diese Berechtigung unzweifelhaft ableiten lasse, nie er¬ fahren zu haben. Diese letztere Angabe hat Leipzig seitdem durch Rundschreiben vom 31. Januar 1865 auf eine muthmaßliche Vergeßlichkeit zurückgeführt, in¬ dem in der That ein Rundschreiben des VerwaUungaraths selbst (vom 9. Mai 1862) gerade dieses Vorbehalts mit den Worten erwähnt: die betreffenden Noten des k. s. Ministeriums hätten in der Verwaltungsrathsconferenz „die eingehendste Prüfung gefunden". Da Unkenntniß aber ja überhaupt keine Zulässige Ausrede ist, so fällt weder deren Vorschützung noch deren Widerlegung vier ins Gewicht. Auch blieben die dem sächsischen Cultusministerium seitens des Verwaltungsraths vorgetragenen Bedenken ohne andere Folge als daß Herr v. Falkenstein einerseits die Ausfolgung der letzten Zinsrate (bis nie. De¬ cember 1864) guthieß, andrerseits sich bereit erklärte, den alten Verwaltungs- „zur Erledigung der gegenwärtigen Differenzen, jedoch nur ZU diesem Zweck", noch auf weitere sechs Monate für legitimirt anzusehen. 49"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/369>, abgerufen am 15.01.2025.