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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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theidigung Weimars-- den Verzicht "verclausulirt und zweideutig". Man
wird dem wohl unbedenklich beistimmen können, ohne daß diese Qualifikation
darum die moralische Bündigkeit des Verzichts aufheben dürfte. Es ist ein
Anderes, ob aus der VcrclausMrtheit und Zweideutigkeit eines alten Gesetzes
das Recht abgeleitet wird, dasselbe so oder so auszulegen, oder ob eine lebende
Person von einem Gelöbnisse freigesprochen werden soll, weil sie dasselbe in
verclausulirtcr und zweideutiger Weise abgegeben habe. Nach unsrer Meinung
könnte einzig der Fall einer einstimmigen Wahl den Verzicht einigermaßen
entkräftet haben und zwar im Sinne seiner moralischen Bedeutung; denn auf
die juristische kann es überhaupt ja nur da ankommen, wo kein Ehrenpunkt
den Vortritt hat. Das war hier aber wohl um so mehr der Fall, als die ab¬
gegebene Erklärung den hohen Protector persönlich bloßstellte.

Es ist hinlänglich bekannt, daß Weimar die Sache bei weitem leichter ge¬
nommen hat. Obschon die "Spaltungen", eben um der bekämpften Wieder¬
wahl Weimars willen, eine bedenkliche Höhe erreicht hatten, obschon der Ver¬
zicht nicht zurückgenommen worden und sogar die ministerielle Majorität über
dieser Kontroverse in rascher Auflösung begriffen war; obschon endlich die ganze
Slatutenrcvision durch die heraufbeschworene Gefahr eines Regierungsvetos
bedroht erscheinen mußte -- gewann es Weimar dennoch über sich, für sich
selbst zu stimmen, die ihm übertragenen Stimmen von Laibach und Königsberg
ebenfalls zu seiner eigenen Wiederwahl zu gebrauchen und endlich, als dennoch
nur drei Stimmen Mehrheit herauskamen, die Vorortswürde dankend zu
acceptiren.

Es hat sich dann später herausgestellt, daß sowohl der Abgeordnete für
Frankfurt wie auch der für Köln und Danzig gegen Instruction gehandelt
hatten, so daß auch diese geringe Mehrheit nicht einmal Stich hielt. Da in¬
dessen die Verletzung des § 101 und die Außerachtlassung derjenigen Bedingun¬
gen, unter welchen die Schillerstistung die Recht! einer moralischen Person er¬
worben hatte, den Arbeiten der Generalversammlung an sich schon den Stempel
der Hinfälligkeit ausdrückten, so haben wir uns bei diesen Nebendingen nicht
aufzuhalten.

Wir übergehen ebenfalls den auf beiden Seiten nunmehr in die Form
von mehr oder weniger spitzfindigen, wohl auch zum Theil unnachsichtlich
scharfen Circulairen hinübergreifenden Kampf. Die sächsische Regierung hatte
Einspruch erhoben, und es war begreiflicherweise von diesem Augenblicke an
eine Herzensangelegenheit aller bei Weimars Wiederwahl betheiligt Gewesenen,
den Nachweis zu führen, daß die Generalversammlung als höchste Instanz
weder von einer prvtestirenden Minorität noch von Herrn v. Falkenstein Notiz
zu nehmen brauche. Besonders lebhaft äußerte sich die wiener Zweigstiftung,
deren Vorstand hier gleichzeitig, als das Personal des gegenwärtigen Vorortes,


theidigung Weimars— den Verzicht „verclausulirt und zweideutig". Man
wird dem wohl unbedenklich beistimmen können, ohne daß diese Qualifikation
darum die moralische Bündigkeit des Verzichts aufheben dürfte. Es ist ein
Anderes, ob aus der VcrclausMrtheit und Zweideutigkeit eines alten Gesetzes
das Recht abgeleitet wird, dasselbe so oder so auszulegen, oder ob eine lebende
Person von einem Gelöbnisse freigesprochen werden soll, weil sie dasselbe in
verclausulirtcr und zweideutiger Weise abgegeben habe. Nach unsrer Meinung
könnte einzig der Fall einer einstimmigen Wahl den Verzicht einigermaßen
entkräftet haben und zwar im Sinne seiner moralischen Bedeutung; denn auf
die juristische kann es überhaupt ja nur da ankommen, wo kein Ehrenpunkt
den Vortritt hat. Das war hier aber wohl um so mehr der Fall, als die ab¬
gegebene Erklärung den hohen Protector persönlich bloßstellte.

Es ist hinlänglich bekannt, daß Weimar die Sache bei weitem leichter ge¬
nommen hat. Obschon die „Spaltungen", eben um der bekämpften Wieder¬
wahl Weimars willen, eine bedenkliche Höhe erreicht hatten, obschon der Ver¬
zicht nicht zurückgenommen worden und sogar die ministerielle Majorität über
dieser Kontroverse in rascher Auflösung begriffen war; obschon endlich die ganze
Slatutenrcvision durch die heraufbeschworene Gefahr eines Regierungsvetos
bedroht erscheinen mußte — gewann es Weimar dennoch über sich, für sich
selbst zu stimmen, die ihm übertragenen Stimmen von Laibach und Königsberg
ebenfalls zu seiner eigenen Wiederwahl zu gebrauchen und endlich, als dennoch
nur drei Stimmen Mehrheit herauskamen, die Vorortswürde dankend zu
acceptiren.

Es hat sich dann später herausgestellt, daß sowohl der Abgeordnete für
Frankfurt wie auch der für Köln und Danzig gegen Instruction gehandelt
hatten, so daß auch diese geringe Mehrheit nicht einmal Stich hielt. Da in¬
dessen die Verletzung des § 101 und die Außerachtlassung derjenigen Bedingun¬
gen, unter welchen die Schillerstistung die Recht! einer moralischen Person er¬
worben hatte, den Arbeiten der Generalversammlung an sich schon den Stempel
der Hinfälligkeit ausdrückten, so haben wir uns bei diesen Nebendingen nicht
aufzuhalten.

Wir übergehen ebenfalls den auf beiden Seiten nunmehr in die Form
von mehr oder weniger spitzfindigen, wohl auch zum Theil unnachsichtlich
scharfen Circulairen hinübergreifenden Kampf. Die sächsische Regierung hatte
Einspruch erhoben, und es war begreiflicherweise von diesem Augenblicke an
eine Herzensangelegenheit aller bei Weimars Wiederwahl betheiligt Gewesenen,
den Nachweis zu führen, daß die Generalversammlung als höchste Instanz
weder von einer prvtestirenden Minorität noch von Herrn v. Falkenstein Notiz
zu nehmen brauche. Besonders lebhaft äußerte sich die wiener Zweigstiftung,
deren Vorstand hier gleichzeitig, als das Personal des gegenwärtigen Vorortes,


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[0368] theidigung Weimars— den Verzicht „verclausulirt und zweideutig". Man wird dem wohl unbedenklich beistimmen können, ohne daß diese Qualifikation darum die moralische Bündigkeit des Verzichts aufheben dürfte. Es ist ein Anderes, ob aus der VcrclausMrtheit und Zweideutigkeit eines alten Gesetzes das Recht abgeleitet wird, dasselbe so oder so auszulegen, oder ob eine lebende Person von einem Gelöbnisse freigesprochen werden soll, weil sie dasselbe in verclausulirtcr und zweideutiger Weise abgegeben habe. Nach unsrer Meinung könnte einzig der Fall einer einstimmigen Wahl den Verzicht einigermaßen entkräftet haben und zwar im Sinne seiner moralischen Bedeutung; denn auf die juristische kann es überhaupt ja nur da ankommen, wo kein Ehrenpunkt den Vortritt hat. Das war hier aber wohl um so mehr der Fall, als die ab¬ gegebene Erklärung den hohen Protector persönlich bloßstellte. Es ist hinlänglich bekannt, daß Weimar die Sache bei weitem leichter ge¬ nommen hat. Obschon die „Spaltungen", eben um der bekämpften Wieder¬ wahl Weimars willen, eine bedenkliche Höhe erreicht hatten, obschon der Ver¬ zicht nicht zurückgenommen worden und sogar die ministerielle Majorität über dieser Kontroverse in rascher Auflösung begriffen war; obschon endlich die ganze Slatutenrcvision durch die heraufbeschworene Gefahr eines Regierungsvetos bedroht erscheinen mußte — gewann es Weimar dennoch über sich, für sich selbst zu stimmen, die ihm übertragenen Stimmen von Laibach und Königsberg ebenfalls zu seiner eigenen Wiederwahl zu gebrauchen und endlich, als dennoch nur drei Stimmen Mehrheit herauskamen, die Vorortswürde dankend zu acceptiren. Es hat sich dann später herausgestellt, daß sowohl der Abgeordnete für Frankfurt wie auch der für Köln und Danzig gegen Instruction gehandelt hatten, so daß auch diese geringe Mehrheit nicht einmal Stich hielt. Da in¬ dessen die Verletzung des § 101 und die Außerachtlassung derjenigen Bedingun¬ gen, unter welchen die Schillerstistung die Recht! einer moralischen Person er¬ worben hatte, den Arbeiten der Generalversammlung an sich schon den Stempel der Hinfälligkeit ausdrückten, so haben wir uns bei diesen Nebendingen nicht aufzuhalten. Wir übergehen ebenfalls den auf beiden Seiten nunmehr in die Form von mehr oder weniger spitzfindigen, wohl auch zum Theil unnachsichtlich scharfen Circulairen hinübergreifenden Kampf. Die sächsische Regierung hatte Einspruch erhoben, und es war begreiflicherweise von diesem Augenblicke an eine Herzensangelegenheit aller bei Weimars Wiederwahl betheiligt Gewesenen, den Nachweis zu führen, daß die Generalversammlung als höchste Instanz weder von einer prvtestirenden Minorität noch von Herrn v. Falkenstein Notiz zu nehmen brauche. Besonders lebhaft äußerte sich die wiener Zweigstiftung, deren Vorstand hier gleichzeitig, als das Personal des gegenwärtigen Vorortes,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/368>, abgerufen am 15.01.2025.