Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.bevorstehenden Ende des Drucks und vom Anbruch des himmlischen Reiches Das Buch Daniel eröffnet die Reihe der apokalyptischen Schriften, welche mit Von diesem Standpunkt aus verstehen wir das Buch Daniel ganz. Der Ueberall hat der Verfasser seine Zeit im Auge. Nebukadnezar, der bei Der Verfasser benutzte gewisse geschichtliche und sagenhafte Ueberlieferungen bevorstehenden Ende des Drucks und vom Anbruch des himmlischen Reiches Das Buch Daniel eröffnet die Reihe der apokalyptischen Schriften, welche mit Von diesem Standpunkt aus verstehen wir das Buch Daniel ganz. Der Ueberall hat der Verfasser seine Zeit im Auge. Nebukadnezar, der bei Der Verfasser benutzte gewisse geschichtliche und sagenhafte Ueberlieferungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283711"/> <p xml:id="ID_1016" prev="#ID_1015"> bevorstehenden Ende des Drucks und vom Anbruch des himmlischen Reiches<lb/> mußte den Geist derer stählen, welche auch in der höchsten Noth treu am Glau¬<lb/> ben festhielten. Dieselbe Absicht ward mit den erzählenden Stücken erreicht,<lb/> welche zeigten, wie Gott die Frommen nie verläßt, wenn auch alle irdische<lb/> Hoffnung aufhört, und wie diese sich freudig zum Martyrium drängen, wie<lb/> ferner menschliche Hoffahrt von Gott sofort aus das nachdrücklichste ge¬<lb/> straft wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1017"> Das Buch Daniel eröffnet die Reihe der apokalyptischen Schriften, welche mit<lb/> den alten Prophetenbüchern die Richtung auf die Zukunft und die glühende Sehn¬<lb/> sucht nach der Erlösung aus dem jetzigen Leide theilen, aber ihre Grundgedanken<lb/> in Bilder und Räthsel oft höchst künstlich verstecken. Sie zeigen, wie unser<lb/> Buch, oft eine höchst eigenthümliche Verbindung von schwärmerischer Begeisterung<lb/> und nüchterner Berechnung. Die Fiction älterer Verfasser ermöglicht es den<lb/> wirklichen Verfassern oft, die Vergangenheit als Zukunft zu schildern und da¬<lb/> durch ihre Glaubwürdigkeit zu erhärten. Sehr oft haben sie noch allerlei be¬<lb/> lehrende, ernährende oder erzählende Abschnitte. Stets sind sie auf die Zeit¬<lb/> genossen berechnet, so geheimnißvoll sie auch ihre Zeit verhüllen mögen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1018"> Von diesem Standpunkt aus verstehen wir das Buch Daniel ganz. Der<lb/> Verfasser will keine Historie schreiben, darum kommt es ihm nicht auf Verstöße<lb/> gegen die geschichtliche und natürliche Möglichkeit an. Je wunderbarer seine<lb/> Erzählungen, desto mehr konnte er auf Eindruck bei seinen wundergläubigen<lb/> Lesern rechnen. Die Selbständigkeit der einzelnen Stücke, von denen jedes dem<lb/> Hauptzweck des Buches in seiner Weise diente, ist nun erklärt, und die kleinen<lb/> inneren Widersprüche fallen nicht mehr auf. Selbst das erste Capitel, welches<lb/> doch als Einleitung nothwendig ist, hat noch einen selbständigen Werth, indem<lb/> es zeigt, wie die strenge Gesetzlichkeit nicht schadet, sondern Gottes besondere<lb/> Fürsorge hervorruft. -</p><lb/> <p xml:id="ID_1019"> Ueberall hat der Verfasser seine Zeit im Auge. Nebukadnezar, der bei<lb/> Todesstrafe few Bild zur Verehrung aufstellt. Belsazar. der bei seinen Orgien<lb/> die heiligen Gefäße benutzt, sie sind ihm ebenso sehr Typen des seleucidischen<lb/> Tyrannen, wie das frevelhafte Horn in den apokalyptischen Bildern. Daniel<lb/> und seine drei Freunde sind Vorbilder für die Märtyrer seiner Zeit. Freilich<lb/> erheischt die poetische Gerechtigkeit bei ihm überall einen glücklichen Ausgang,<lb/> durch den selbst die Tyrannen von Gottes Obmacht überzeugt werden, wie ja<lb/> der jüdische Volksglaube selbst den Epiphanes vor seinem Tode zur Reue und<lb/> Erkenntniß Gottes kommen ließ (vgl. beide Mattabäerbücher).</p><lb/> <p xml:id="ID_1020" next="#ID_1021"> Der Verfasser benutzte gewisse geschichtliche und sagenhafte Ueberlieferungen<lb/> in ganz freier Weise. Von einem Daniel als einem Muster der Frömmigkeit<lb/> und Weisheit spricht der Prophet Ezechiel (14.14.20; 28.30). Da er ihn<lb/> aber zwischen Noah und Hiob nennt, so muß er ihm ein Mann der Vorzeit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0358]
bevorstehenden Ende des Drucks und vom Anbruch des himmlischen Reiches
mußte den Geist derer stählen, welche auch in der höchsten Noth treu am Glau¬
ben festhielten. Dieselbe Absicht ward mit den erzählenden Stücken erreicht,
welche zeigten, wie Gott die Frommen nie verläßt, wenn auch alle irdische
Hoffnung aufhört, und wie diese sich freudig zum Martyrium drängen, wie
ferner menschliche Hoffahrt von Gott sofort aus das nachdrücklichste ge¬
straft wird.
Das Buch Daniel eröffnet die Reihe der apokalyptischen Schriften, welche mit
den alten Prophetenbüchern die Richtung auf die Zukunft und die glühende Sehn¬
sucht nach der Erlösung aus dem jetzigen Leide theilen, aber ihre Grundgedanken
in Bilder und Räthsel oft höchst künstlich verstecken. Sie zeigen, wie unser
Buch, oft eine höchst eigenthümliche Verbindung von schwärmerischer Begeisterung
und nüchterner Berechnung. Die Fiction älterer Verfasser ermöglicht es den
wirklichen Verfassern oft, die Vergangenheit als Zukunft zu schildern und da¬
durch ihre Glaubwürdigkeit zu erhärten. Sehr oft haben sie noch allerlei be¬
lehrende, ernährende oder erzählende Abschnitte. Stets sind sie auf die Zeit¬
genossen berechnet, so geheimnißvoll sie auch ihre Zeit verhüllen mögen.
Von diesem Standpunkt aus verstehen wir das Buch Daniel ganz. Der
Verfasser will keine Historie schreiben, darum kommt es ihm nicht auf Verstöße
gegen die geschichtliche und natürliche Möglichkeit an. Je wunderbarer seine
Erzählungen, desto mehr konnte er auf Eindruck bei seinen wundergläubigen
Lesern rechnen. Die Selbständigkeit der einzelnen Stücke, von denen jedes dem
Hauptzweck des Buches in seiner Weise diente, ist nun erklärt, und die kleinen
inneren Widersprüche fallen nicht mehr auf. Selbst das erste Capitel, welches
doch als Einleitung nothwendig ist, hat noch einen selbständigen Werth, indem
es zeigt, wie die strenge Gesetzlichkeit nicht schadet, sondern Gottes besondere
Fürsorge hervorruft. -
Ueberall hat der Verfasser seine Zeit im Auge. Nebukadnezar, der bei
Todesstrafe few Bild zur Verehrung aufstellt. Belsazar. der bei seinen Orgien
die heiligen Gefäße benutzt, sie sind ihm ebenso sehr Typen des seleucidischen
Tyrannen, wie das frevelhafte Horn in den apokalyptischen Bildern. Daniel
und seine drei Freunde sind Vorbilder für die Märtyrer seiner Zeit. Freilich
erheischt die poetische Gerechtigkeit bei ihm überall einen glücklichen Ausgang,
durch den selbst die Tyrannen von Gottes Obmacht überzeugt werden, wie ja
der jüdische Volksglaube selbst den Epiphanes vor seinem Tode zur Reue und
Erkenntniß Gottes kommen ließ (vgl. beide Mattabäerbücher).
Der Verfasser benutzte gewisse geschichtliche und sagenhafte Ueberlieferungen
in ganz freier Weise. Von einem Daniel als einem Muster der Frömmigkeit
und Weisheit spricht der Prophet Ezechiel (14.14.20; 28.30). Da er ihn
aber zwischen Noah und Hiob nennt, so muß er ihm ein Mann der Vorzeit
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