Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.dienst erworben, die Provinz auf ihr bedeutendstes politisches Talent auf¬ Dieses Vermächtniß des alten Liberalismus an den jungen ist leider noch Einen solchen Führer würden viele weit freudiger anerkennen, als die dienst erworben, die Provinz auf ihr bedeutendstes politisches Talent auf¬ Dieses Vermächtniß des alten Liberalismus an den jungen ist leider noch Einen solchen Führer würden viele weit freudiger anerkennen, als die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283701"/> <p xml:id="ID_979" prev="#ID_978"> dienst erworben, die Provinz auf ihr bedeutendstes politisches Talent auf¬<lb/> merksam zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_980"> Dieses Vermächtniß des alten Liberalismus an den jungen ist leider noch<lb/> nicht zur vollen Geltung gekommen, — hoffentlich mehr aus zufälligen als aus<lb/> bleibenden Ursachen. Theils ein sehr hartnäckiges und die Nerven mitangreifen-<lb/> dcs Augenleiden, theils eine gewisse Unfähigkeit oder Abneigung, mit den Massen<lb/> zu verkehren und sich die kleinen Sorgen der Agitation aufzuladen, hat H.<lb/> v. Sybel bisher verhindert die Rolle zu spielen, zu der seine Gesinnung und<lb/> Tüchtigkeit ihn sonst befähigen würden, und die dringend nach einer solchen<lb/> Besetzung verlangt.. Sein Wohnort Bonn, der durch die Universität zu Rhein¬<lb/> lands geistigen Mittelpunkten gehört, sein Amt als Professor, das ihn außer¬<lb/> halb der allzu schroff geschiedenen socialen Classen stellt, vollenden die in seinen<lb/> persönlichen Gaben liegende Befähigung zum Führer der rheinischen liberalen<lb/> Partei. Aber freilich, ohne den Willen, sich dieser verwaisten Aufgabe ernstlich<lb/> anzunehmen, ohne überzeugende Hingebung an die Sache der Partei und ohne<lb/> frisches muthiges Hervortreten gewinnt man sich solchen Einfluß nicht. H. v. Sybel<lb/> hat seinen activen Antheil an der Tagespolitik bisher mehr oder weniger aus¬<lb/> schließlich in Berlin auszuüben gesucht; es wäre ein sicherer zum Ziel führender<lb/> Weg, wenn er zunächst einmal, um so mehr als er augenblicklich ja doch keinen<lb/> Abgeordnetensitz innehat, die Elemente einer patriotisch-liberalen Partei im<lb/> Rheinland sammeln, ordnen und eintretenden Falls zum Kampf führen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_981" next="#ID_982"> Einen solchen Führer würden viele weit freudiger anerkennen, als die<lb/> Häuptlinge der kölner Demokratie. Schon auf den Zusammenkünften des<lb/> letzten Provinzial-Wahlausschusses der Fortschrittspartei hat sich ergeben, daß<lb/> die Nichtkölner. namentlich aus den bedeutenderen Provinzialstädten, nur aus<lb/> Nott, sich die Geschäftsführung der Herren Classen-Kappelmann und Bürgers<lb/> gefallen ließen. Der Bund in Sachen Schleswig-Holsteins, den die liberalen<lb/> Professoren der Universität vor bald zwei Jahren mit eben dieser Demokratie<lb/> eingingen, ist längst in der Stille wieder gelöst worden. In der That hält nur<lb/> die Gemeinsamkeit des augenblicklichen Kampfes für Verfassung und Freiheit<lb/> diese Fractionen zusammen, die ebenfalls brennende Schleswig-holsteinische Frage<lb/> aber, die anfangs ebenfalls einigte, trennt sie jetzt vielmehr. Die kölner Fort¬<lb/> schrittsmänner wollen mehr oder weniger, daß Preußen ohne allen dauernden<lb/> Gewinn aus den Herzogthümern abziehe und daß aus dem Erwerb der preu¬<lb/> ßischen Waffen ein neuer vollsouveräner Kleinstaat geschaffen werbe. In Bonn<lb/> hingegen, in Crefeld, Elberfeld, Barmer und den übrigen gleichgesinnten Orten<lb/> der Provinz mag man hinsichtlich der Annexion oder des bloßen bundesstaat¬<lb/> lichen Anschlusses auseinandergehen, aber in Betreff der Verneinung jener beiden<lb/> Forderungen der Demokratie ist man einig. Diese einander bestreitenden Stim¬<lb/> mungen spiegeln sich in dem Verhalten der Rheinischen Zeitung einerseits, der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
dienst erworben, die Provinz auf ihr bedeutendstes politisches Talent auf¬
merksam zu machen.
Dieses Vermächtniß des alten Liberalismus an den jungen ist leider noch
nicht zur vollen Geltung gekommen, — hoffentlich mehr aus zufälligen als aus
bleibenden Ursachen. Theils ein sehr hartnäckiges und die Nerven mitangreifen-
dcs Augenleiden, theils eine gewisse Unfähigkeit oder Abneigung, mit den Massen
zu verkehren und sich die kleinen Sorgen der Agitation aufzuladen, hat H.
v. Sybel bisher verhindert die Rolle zu spielen, zu der seine Gesinnung und
Tüchtigkeit ihn sonst befähigen würden, und die dringend nach einer solchen
Besetzung verlangt.. Sein Wohnort Bonn, der durch die Universität zu Rhein¬
lands geistigen Mittelpunkten gehört, sein Amt als Professor, das ihn außer¬
halb der allzu schroff geschiedenen socialen Classen stellt, vollenden die in seinen
persönlichen Gaben liegende Befähigung zum Führer der rheinischen liberalen
Partei. Aber freilich, ohne den Willen, sich dieser verwaisten Aufgabe ernstlich
anzunehmen, ohne überzeugende Hingebung an die Sache der Partei und ohne
frisches muthiges Hervortreten gewinnt man sich solchen Einfluß nicht. H. v. Sybel
hat seinen activen Antheil an der Tagespolitik bisher mehr oder weniger aus¬
schließlich in Berlin auszuüben gesucht; es wäre ein sicherer zum Ziel führender
Weg, wenn er zunächst einmal, um so mehr als er augenblicklich ja doch keinen
Abgeordnetensitz innehat, die Elemente einer patriotisch-liberalen Partei im
Rheinland sammeln, ordnen und eintretenden Falls zum Kampf führen wollte.
Einen solchen Führer würden viele weit freudiger anerkennen, als die
Häuptlinge der kölner Demokratie. Schon auf den Zusammenkünften des
letzten Provinzial-Wahlausschusses der Fortschrittspartei hat sich ergeben, daß
die Nichtkölner. namentlich aus den bedeutenderen Provinzialstädten, nur aus
Nott, sich die Geschäftsführung der Herren Classen-Kappelmann und Bürgers
gefallen ließen. Der Bund in Sachen Schleswig-Holsteins, den die liberalen
Professoren der Universität vor bald zwei Jahren mit eben dieser Demokratie
eingingen, ist längst in der Stille wieder gelöst worden. In der That hält nur
die Gemeinsamkeit des augenblicklichen Kampfes für Verfassung und Freiheit
diese Fractionen zusammen, die ebenfalls brennende Schleswig-holsteinische Frage
aber, die anfangs ebenfalls einigte, trennt sie jetzt vielmehr. Die kölner Fort¬
schrittsmänner wollen mehr oder weniger, daß Preußen ohne allen dauernden
Gewinn aus den Herzogthümern abziehe und daß aus dem Erwerb der preu¬
ßischen Waffen ein neuer vollsouveräner Kleinstaat geschaffen werbe. In Bonn
hingegen, in Crefeld, Elberfeld, Barmer und den übrigen gleichgesinnten Orten
der Provinz mag man hinsichtlich der Annexion oder des bloßen bundesstaat¬
lichen Anschlusses auseinandergehen, aber in Betreff der Verneinung jener beiden
Forderungen der Demokratie ist man einig. Diese einander bestreitenden Stim¬
mungen spiegeln sich in dem Verhalten der Rheinischen Zeitung einerseits, der
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