Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Kaufleute, Fabrikanten und Bankiers, deren glänzender und erfolgreicher Allein was die Väter versäumten, das mögen die Söhne nachholen. In Kaufleute, Fabrikanten und Bankiers, deren glänzender und erfolgreicher Allein was die Väter versäumten, das mögen die Söhne nachholen. In <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283700"/> <p xml:id="ID_977" prev="#ID_976"> Kaufleute, Fabrikanten und Bankiers, deren glänzender und erfolgreicher<lb/> Gattungsvertreter er ist, haben der Politik mehr oder weniger den Rücken ge¬<lb/> kehrt, seitdem sie aufgehört hat, die Domäne kleiner auserlesener Zirkel zusein,<lb/> und angefangen, ernstliche Mühen und Opfer zu erheischen, Sie agitirlen auf<lb/> ihre Art und ließen sich nach Berlin abordnen, so lange das Ding unter guten<lb/> Freunden, „anständigen Leuten" abzumachen war und nicht allzu große Unan¬<lb/> nehmlichkeiten von oben eintrug, es sei denn, daß eine nachhaltige Popularität<lb/> dafür zu entschädigen versprochen hätte. Die Zeit vor 1848, die Zeit vor 1859<lb/> waren die goldenen Tage dieser Sonnenscheins- und Garien-Politiker. So oft<lb/> sich hingegen Wind erhob und Staub aufwirbelte, oder wenn man unter Krethi<lb/> und Plethi hinaus auf die Straße mußte, zogen sie sich eilig in ihr wohlver¬<lb/> wahrtes Haus zurück. Je länger desto mehr wurden Erwerbs- und Genußsucht<lb/> die beiden Pole, zwischen denen ihre abgeschlossene Existenz sich auf und ab<lb/> bewegte. Mit den reichsten äußeren Mitteln um Einfluß zu iibeu versehen,<lb/> kamen sie so nach und nach um jeden politischen Einfluß. Das war das Schicksal<lb/> einer Bourgeoisie, welche die Grundlage politischen Wirkens, materielle Unab¬<lb/> hängigkeit erlangte, bevor feste Traditionen oder große hinreißende Beispiele<lb/> ihr den Geist der Hingebung und der Arbeit für den Staat einzuhauchen<lb/> vermochten.</p><lb/> <p xml:id="ID_978" next="#ID_979"> Allein was die Väter versäumten, das mögen die Söhne nachholen. In<lb/> der That erwächst heute in den Comptoiren der rheinischen Fabrik-und Handels¬<lb/> städte schon ein anderes Geschlecht. Dasselbe ist natürlich in aristokratischen<lb/> Lebensgewohnheiten sogar bereits groß geworden, aber es begreift seine Lage<lb/> hinlänglich, um der Demokratie das Feld der öffentlichen Wirksamkeit nicht<lb/> ausschließlich zu überlassen oder um zu gemeinschaftlichen staatlichen Zwecken<lb/> ein Bündniß mit der Demokratie nicht zu scheuen. Jüngere Vettern des Mi¬<lb/> nisters Simons, Neffen des Ministers v. d. Heydt stehen in Elberfeld an der<lb/> Spitze der Fortschrittspartei und haben die Wahl von Schulze-Delitzsch gegen<lb/> die des vormaligen vielgefeierten Handclsministcrs, des geborenen Elberfelders,<lb/> durchgesetzt. Ebenso ist es in Barmer, Crefeld und anderen Centren der In¬<lb/> dustrie. In wenigen Jahren wird dieser neue lebenskräftige Schoß den abge¬<lb/> storbenen alten aller Orten vollends überwuchert haben. Auch unter den<lb/> Tcägcrn des vormärzlichen Verfassungs- und Freihcitskampfes fehlt es übrigens,<lb/> Wie man sich denken kann, nicht gänzlich an solchen, welche die neue Entwicklungs¬<lb/> stufe innerlich mitbeschrittcn haben. Heinrich v. Beckerath in Crefeld z. B.<lb/> würde sich voraussichtlich als einen Politiker der Gegenwart ausweisen, wenn<lb/> die Schwäche des höheren Alters ihn nicht abhielte, sich noch einmal in den<lb/> Vorderen Reihen dem Dienste des Vaterlandes zu widmen. Auch so hat er sich,<lb/> U'dem er gleich nach der Rückkehr Heinrich v. Sybels von München nach<lb/> Bonn dessen Wahl zum Abgeordnetenhause in Crefeld durchsetzte, das Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0347]
Kaufleute, Fabrikanten und Bankiers, deren glänzender und erfolgreicher
Gattungsvertreter er ist, haben der Politik mehr oder weniger den Rücken ge¬
kehrt, seitdem sie aufgehört hat, die Domäne kleiner auserlesener Zirkel zusein,
und angefangen, ernstliche Mühen und Opfer zu erheischen, Sie agitirlen auf
ihre Art und ließen sich nach Berlin abordnen, so lange das Ding unter guten
Freunden, „anständigen Leuten" abzumachen war und nicht allzu große Unan¬
nehmlichkeiten von oben eintrug, es sei denn, daß eine nachhaltige Popularität
dafür zu entschädigen versprochen hätte. Die Zeit vor 1848, die Zeit vor 1859
waren die goldenen Tage dieser Sonnenscheins- und Garien-Politiker. So oft
sich hingegen Wind erhob und Staub aufwirbelte, oder wenn man unter Krethi
und Plethi hinaus auf die Straße mußte, zogen sie sich eilig in ihr wohlver¬
wahrtes Haus zurück. Je länger desto mehr wurden Erwerbs- und Genußsucht
die beiden Pole, zwischen denen ihre abgeschlossene Existenz sich auf und ab
bewegte. Mit den reichsten äußeren Mitteln um Einfluß zu iibeu versehen,
kamen sie so nach und nach um jeden politischen Einfluß. Das war das Schicksal
einer Bourgeoisie, welche die Grundlage politischen Wirkens, materielle Unab¬
hängigkeit erlangte, bevor feste Traditionen oder große hinreißende Beispiele
ihr den Geist der Hingebung und der Arbeit für den Staat einzuhauchen
vermochten.
Allein was die Väter versäumten, das mögen die Söhne nachholen. In
der That erwächst heute in den Comptoiren der rheinischen Fabrik-und Handels¬
städte schon ein anderes Geschlecht. Dasselbe ist natürlich in aristokratischen
Lebensgewohnheiten sogar bereits groß geworden, aber es begreift seine Lage
hinlänglich, um der Demokratie das Feld der öffentlichen Wirksamkeit nicht
ausschließlich zu überlassen oder um zu gemeinschaftlichen staatlichen Zwecken
ein Bündniß mit der Demokratie nicht zu scheuen. Jüngere Vettern des Mi¬
nisters Simons, Neffen des Ministers v. d. Heydt stehen in Elberfeld an der
Spitze der Fortschrittspartei und haben die Wahl von Schulze-Delitzsch gegen
die des vormaligen vielgefeierten Handclsministcrs, des geborenen Elberfelders,
durchgesetzt. Ebenso ist es in Barmer, Crefeld und anderen Centren der In¬
dustrie. In wenigen Jahren wird dieser neue lebenskräftige Schoß den abge¬
storbenen alten aller Orten vollends überwuchert haben. Auch unter den
Tcägcrn des vormärzlichen Verfassungs- und Freihcitskampfes fehlt es übrigens,
Wie man sich denken kann, nicht gänzlich an solchen, welche die neue Entwicklungs¬
stufe innerlich mitbeschrittcn haben. Heinrich v. Beckerath in Crefeld z. B.
würde sich voraussichtlich als einen Politiker der Gegenwart ausweisen, wenn
die Schwäche des höheren Alters ihn nicht abhielte, sich noch einmal in den
Vorderen Reihen dem Dienste des Vaterlandes zu widmen. Auch so hat er sich,
U'dem er gleich nach der Rückkehr Heinrich v. Sybels von München nach
Bonn dessen Wahl zum Abgeordnetenhause in Crefeld durchsetzte, das Ver-
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