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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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denen Proviantartikel aufgeführt. Damit jedoch die in dieser Anstalt beschäf¬
tigten Beamten nicht allzusehr angestrengt werden, wird eben nur ein geringer
Theil dieser Artikel in dem neuen Etablissement verfertigt, das Uebrige aber bei
Privaten eingekauft und nur bis zu seiner Ausfolgung an die Truppen aufbe¬
wahrt werden. Und manche Gegenstände, namentlich die Fourage, werden von
den Soldaten direct bei den Lieferanten bezogen, deren elende, bis an das
Dach mit Heu und Stroh gefüllte Breterbaracken in den schönsten Stadttheilen
man trotz der dringenden Klagen der Bürger über die Verunzierung der be¬
treffenden Gassen und der drohenden Feuersgefahr duldet, während der geringste
Verstoß gegen die von der Regierung erlassene Bauordnung mit sofortiger Nie¬
derreißung des betreffenden Gebäudes und außerdem mit empfindlichen Geld¬
strafen geahndet wird und man einigen Fabriken -- die übrigens weder in
gesundheits- noch in feuerpolizeilicher Hinsicht Bedenken erregten -- ohne Umstände
den weiteren Betrieb untersagte. Ebenso verfuhr man bei der Expropriirung
von Privatgebäuden auf die rücksichtsloseste Weise, oder man bereitete, wo das
Expropriationsgesetz nicht anwendbar war, den Eigenthümern der betreffenden
Gebäude so viele Unannehmlichkeiten, daß sie ihr Eigenthum bereitwillig um
den ihnen gebotenen Preis abtraten. Gehörte der Besitzer jedoch einem der
privilegirten Stände an, oder war das Gebäude gar ein sogenanntes "ärarisches",
so änderte sich die Sache, mochte das Haus dann die Passage noch so sehr
hemmen, durch seinen verfallenen Zustand den Stadttheil verunzieren oder auf
andere Weise das Publikum belästigen, so mußte letzteres entweder die über¬
triebensten Forderungen des Eigenthümers erfüllen, oder es geschah auch, daß
die begründetsten Forderungen der ganzen Gemeindevertretung rundweg abge¬
schlagen oder gar keiner Antwort gewürdigt wurden. So waren alle Bitten
und Vorstellungen des Gemeinderathes, welcher eine Straße über den Exercier¬
platz anlegen wollte, erfolglos, obgleich die Nothwendigkeit dieser Straße selbst
von vielen Militärs erkannt wurde. Aber der General, welcher über die An¬
gelegenheit in erster Instanz zu entscheiden hatte, war dem Plan abgeneigt,
und dem Civil gegenüber mußte er nun durchaus Recht behalten. Die von
der Leopoldstadt zu der Nordbahn, bekanntlich der frequentesten Bahn, sowie in
den Prater führenden Straßen sind je nach der Jahreszeit mit knöcheltiefem
Koth oder Staub bedeckt, aber sie dürfen niG gepflastert werden, weil die Er¬
laubniß dazu von dem Oberstjägermeisteramt verweigert wird. Man muß dem
gegenwärtigen Gemeinderäthe Wiens volle Anerkennung für seine Bemühungen
zur Reinhaltung und Beleuchtung der Stadt zollen, wenn auch mitunter Grö¬
ßeres geleistet und dabei mehr erspart werden könnte. Auch fügt sich die Be¬
völkerung willig allen diesfälligen Anordnungen, und von der Polizei werden
die Dawiderhandelnden auch mit ziemlicher Strenge zur Verantwortung gezogen.
Dennoch giebt es Gebäude, deren Aeußeres und deren nächste Umgebung alle


denen Proviantartikel aufgeführt. Damit jedoch die in dieser Anstalt beschäf¬
tigten Beamten nicht allzusehr angestrengt werden, wird eben nur ein geringer
Theil dieser Artikel in dem neuen Etablissement verfertigt, das Uebrige aber bei
Privaten eingekauft und nur bis zu seiner Ausfolgung an die Truppen aufbe¬
wahrt werden. Und manche Gegenstände, namentlich die Fourage, werden von
den Soldaten direct bei den Lieferanten bezogen, deren elende, bis an das
Dach mit Heu und Stroh gefüllte Breterbaracken in den schönsten Stadttheilen
man trotz der dringenden Klagen der Bürger über die Verunzierung der be¬
treffenden Gassen und der drohenden Feuersgefahr duldet, während der geringste
Verstoß gegen die von der Regierung erlassene Bauordnung mit sofortiger Nie¬
derreißung des betreffenden Gebäudes und außerdem mit empfindlichen Geld¬
strafen geahndet wird und man einigen Fabriken — die übrigens weder in
gesundheits- noch in feuerpolizeilicher Hinsicht Bedenken erregten — ohne Umstände
den weiteren Betrieb untersagte. Ebenso verfuhr man bei der Expropriirung
von Privatgebäuden auf die rücksichtsloseste Weise, oder man bereitete, wo das
Expropriationsgesetz nicht anwendbar war, den Eigenthümern der betreffenden
Gebäude so viele Unannehmlichkeiten, daß sie ihr Eigenthum bereitwillig um
den ihnen gebotenen Preis abtraten. Gehörte der Besitzer jedoch einem der
privilegirten Stände an, oder war das Gebäude gar ein sogenanntes „ärarisches",
so änderte sich die Sache, mochte das Haus dann die Passage noch so sehr
hemmen, durch seinen verfallenen Zustand den Stadttheil verunzieren oder auf
andere Weise das Publikum belästigen, so mußte letzteres entweder die über¬
triebensten Forderungen des Eigenthümers erfüllen, oder es geschah auch, daß
die begründetsten Forderungen der ganzen Gemeindevertretung rundweg abge¬
schlagen oder gar keiner Antwort gewürdigt wurden. So waren alle Bitten
und Vorstellungen des Gemeinderathes, welcher eine Straße über den Exercier¬
platz anlegen wollte, erfolglos, obgleich die Nothwendigkeit dieser Straße selbst
von vielen Militärs erkannt wurde. Aber der General, welcher über die An¬
gelegenheit in erster Instanz zu entscheiden hatte, war dem Plan abgeneigt,
und dem Civil gegenüber mußte er nun durchaus Recht behalten. Die von
der Leopoldstadt zu der Nordbahn, bekanntlich der frequentesten Bahn, sowie in
den Prater führenden Straßen sind je nach der Jahreszeit mit knöcheltiefem
Koth oder Staub bedeckt, aber sie dürfen niG gepflastert werden, weil die Er¬
laubniß dazu von dem Oberstjägermeisteramt verweigert wird. Man muß dem
gegenwärtigen Gemeinderäthe Wiens volle Anerkennung für seine Bemühungen
zur Reinhaltung und Beleuchtung der Stadt zollen, wenn auch mitunter Grö¬
ßeres geleistet und dabei mehr erspart werden könnte. Auch fügt sich die Be¬
völkerung willig allen diesfälligen Anordnungen, und von der Polizei werden
die Dawiderhandelnden auch mit ziemlicher Strenge zur Verantwortung gezogen.
Dennoch giebt es Gebäude, deren Aeußeres und deren nächste Umgebung alle


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[0334] denen Proviantartikel aufgeführt. Damit jedoch die in dieser Anstalt beschäf¬ tigten Beamten nicht allzusehr angestrengt werden, wird eben nur ein geringer Theil dieser Artikel in dem neuen Etablissement verfertigt, das Uebrige aber bei Privaten eingekauft und nur bis zu seiner Ausfolgung an die Truppen aufbe¬ wahrt werden. Und manche Gegenstände, namentlich die Fourage, werden von den Soldaten direct bei den Lieferanten bezogen, deren elende, bis an das Dach mit Heu und Stroh gefüllte Breterbaracken in den schönsten Stadttheilen man trotz der dringenden Klagen der Bürger über die Verunzierung der be¬ treffenden Gassen und der drohenden Feuersgefahr duldet, während der geringste Verstoß gegen die von der Regierung erlassene Bauordnung mit sofortiger Nie¬ derreißung des betreffenden Gebäudes und außerdem mit empfindlichen Geld¬ strafen geahndet wird und man einigen Fabriken — die übrigens weder in gesundheits- noch in feuerpolizeilicher Hinsicht Bedenken erregten — ohne Umstände den weiteren Betrieb untersagte. Ebenso verfuhr man bei der Expropriirung von Privatgebäuden auf die rücksichtsloseste Weise, oder man bereitete, wo das Expropriationsgesetz nicht anwendbar war, den Eigenthümern der betreffenden Gebäude so viele Unannehmlichkeiten, daß sie ihr Eigenthum bereitwillig um den ihnen gebotenen Preis abtraten. Gehörte der Besitzer jedoch einem der privilegirten Stände an, oder war das Gebäude gar ein sogenanntes „ärarisches", so änderte sich die Sache, mochte das Haus dann die Passage noch so sehr hemmen, durch seinen verfallenen Zustand den Stadttheil verunzieren oder auf andere Weise das Publikum belästigen, so mußte letzteres entweder die über¬ triebensten Forderungen des Eigenthümers erfüllen, oder es geschah auch, daß die begründetsten Forderungen der ganzen Gemeindevertretung rundweg abge¬ schlagen oder gar keiner Antwort gewürdigt wurden. So waren alle Bitten und Vorstellungen des Gemeinderathes, welcher eine Straße über den Exercier¬ platz anlegen wollte, erfolglos, obgleich die Nothwendigkeit dieser Straße selbst von vielen Militärs erkannt wurde. Aber der General, welcher über die An¬ gelegenheit in erster Instanz zu entscheiden hatte, war dem Plan abgeneigt, und dem Civil gegenüber mußte er nun durchaus Recht behalten. Die von der Leopoldstadt zu der Nordbahn, bekanntlich der frequentesten Bahn, sowie in den Prater führenden Straßen sind je nach der Jahreszeit mit knöcheltiefem Koth oder Staub bedeckt, aber sie dürfen niG gepflastert werden, weil die Er¬ laubniß dazu von dem Oberstjägermeisteramt verweigert wird. Man muß dem gegenwärtigen Gemeinderäthe Wiens volle Anerkennung für seine Bemühungen zur Reinhaltung und Beleuchtung der Stadt zollen, wenn auch mitunter Grö¬ ßeres geleistet und dabei mehr erspart werden könnte. Auch fügt sich die Be¬ völkerung willig allen diesfälligen Anordnungen, und von der Polizei werden die Dawiderhandelnden auch mit ziemlicher Strenge zur Verantwortung gezogen. Dennoch giebt es Gebäude, deren Aeußeres und deren nächste Umgebung alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/334>, abgerufen am 15.01.2025.